Ärger über Knöllchenflut in Unnaer Wohngebiet „45 Jahre lang war das hier kein Problem“

Ärger über Knöllchenflut in Massener Wohngebiet
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Für jemanden, der das Privileg einer eigenen Garage genießt, ist Iris Bolte bemerkenswert erbost über die plötzliche Politessenpräsenz vor ihrer Tür: „Ich wohne hier seit 45 Jahren. Und seit 45 Jahren war das nie ein Problem, dass hier auf der Straße geparkt wird. Jetzt plötzlich haben meine Nachbarn alle ein Knöllchen am Auto. Was soll das denn?“

Solidarität mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn ist nicht der einzige Grund für Iris Boltes Verärgerung. Seit das Ordnungsamt die Straße frei hält von parkenden Autos, sei das Wohngebiet im Süden von Massen zu einer willkommenen Abkürzung geworden für den Durchgangsverkehr, der von der B1 in Richtung Innenstadt fährt. Schließlich könne man jetzt ordentlich aufs Gas drücken – was nach ihrer Beobachtung auch vom Ordnungsamt selbst genutzt werde. „Für die Kinder, die hier spielen, ist das eine Gefahr“, sagt Iris Bolte.

Kontrollen abseits der Innenstadt sind in Unna selten

Dass sich die Stadt Unna überhaupt für eine Kontrolle des „ruhenden Verkehres“ in ein Wohngebiet begibt, ist ungewöhnlich genug. Aus Uelzen ist erst vor einigen Wochen ein Fall übermittelt worden, in dem ein Anwohner auf seinen Wunsch nach Kontrollen ein Formular für sogenannte Jedermannsanzeigen erhalten hatte, während seine Bitte an sich abschlägig beantwortet wurde.

An der Rostocker Straße aber scheint das Ordnungsamt gerade mit System vorzugehen: Zunächst verteilte man gebührenfreie Warnhinweise, die darüber informierten, dass die damit versehenen Autos regelwidrig geparkt seien und dass man künftig mit gebührenpflichtigen Knöllchen zu rechnen habe.

Parkverbot ergibt sich aus der Straßenbreite

Wobei Bolte und einige Nachbarn infrage stellen, ob das Parken überhaupt verboten ist. Wenn es ein Verbot gibt, müsste man wohl tief im Gedächtnis das eigene Fahrschulwissen durchforsten und vor Ort ein Maßband ausrollen, um es zu erkennen. Weder Schilder noch Markierungen weisen auf ein Parkverbot hin. Allein die vermutlich zu geringe Restbreite für die Durchfahrt anderer Fahrzeuge könnte das Parken dort regelwidrig machen.

Ein schnittiger weißer Mazda drei steht perfekt am Bordstein geparkt auf der Rostocker Straße. Die verbleibende Durchfahrtbreite ist nach Einschätzung der Stadtverwaltung zu schmal.
Ob der verbleibende Raum neben diesem geparkten Fahrzeug ausreicht, damit Feuerwehr, Rettungsdienst und Müllfahrzeuge passieren können, ist mit bloßem Auge schwer abzuschätzen. Doch selbst beim Einsatz eines Maßbandes bleiben Unsicherheitsfaktoren: Wie breit ist der geparkte Wagen? Wie nah steht er am Bordstein? Und wie eilig haben es die Einsatzkräfte? © Sebastian Smulka

Ob es das ist, bleibt aber auch damit umstritten – weil in dieser Frage unterschiedliche Einschätzungen kursieren. Bolte berichtet, dass es vor Ort schon zwei Termine mit Vertretern von Politik und Ordnungsamt gegeben habe, bei denen tatsächlich ein Maßband zum Einsatz gekommen sei. Allerdings habe auch das scheinbar objektive Werkzeug unterschiedliche Ergebnisse zutage gefördert. „Es kommt wohl darauf an, ob man den Rinnstein mitmisst oder nicht“, so Bolte.

Vor vier Jahren sprach die Stadt noch eine Duldung aus

Größere Fahrzeuge wie die der Müllabfuhr seien bislang regelmäßig durch die Lücken für den Verkehr gekommen, berichtet die Anwohnerin. Auch die Feuerwehr habe Testfahrten unternommen. Sie habe den Anwohnern einen Tipp gegeben, wie sie bitte nicht parken sollten, aber dies sei dann auch akzeptiert worden.

Die Sicht der Stadtverwaltung weicht davon in Teilen ab. Sie bestätigt, dass es 2021 einen Ortstermin mit Anwohnern, Feuerwehr und Stadtbetrieben gegeben habe. „Als Ergebnis dieses Termins wurde das Parken auf der Straße geduldet“, schreibt Stadtsprecherin Anna Gemünd.

Diese Lösung habe eine Zeitlang gehalten. Im Jahr 2024 aber habe das Ordnungsamt eine erneute Befahrung der Straße vorgenommen, bei der festgestellt worden sei, dass es Engstellen gebe, die entgegen der Absprache trotzdem zugeparkt wurden. „Entsprechende Dokumentationen zeigen sehr eindeutig, dass hier die Restfahrbahnbreiten nicht eingehalten werden“, erklärt Gemünd.

Zudem lägen mehrere Beschwerden vor – etwa von den Stadtbetrieben, die mit ihren Müllfahrzeugen wohl doch nicht so gut durchkommen, aber auch von Anwohnern. Die Durchfahrt für Feuerwehr und Rettungsdienst hält die Stadt für „nur bedingt gegeben“.

Das Ordnungsamt habe daher die Gewährleistung der Sicherheit im Viertel und andere Interessen mit- und gegeneinander abgewogen, sei letztlich zu dem Schluss gekommen, gegen die Verstöße vorzugehen. Dabei müsse nun auch „mit der Durchsetzung mittels Verwarngeldern gerechnet werden“, so Stadtsprecherin Anna Gemünd abschließend.

Konsequenz: Anwohner nutzen ihre Vorgärten zum Parken

Für Iris Bolte ist diese Position unbefriedigend. Sie selbst habe zwar eine Garage und vor dieser noch Platz für ein weiteres Auto. Doch nicht jeder Nachbar verfüge über einen Stellplatz. Als die Siedlung ab 1979 entstand, sei der damalige Bauträger in die Insolvenz geraten und ein eigentlich geplanter Parkplatz daher nicht gebaut worden. „Es fehlt hier einfach an Parkraum“, sagt Iris Bolte. „In einer Siedlung, in der inzwischen auch viele Ältere wohnen.“ Und sie berichtet: „Eine Nachbarin parkt ihren Wagen jetzt auf der Wiese in ihrem Vorgarten. Manche denken darüber nach, ihre Beete zu beseitigen und pflastern zu lassen. Aber das soll man doch eigentlich auch nicht, oder?“