Nachbarn als Knöllchenschreiber Unna setzt inzwischen bewusst auf die „Bürgerpolitesse“

Stadt setzt bewusst auch auf die „Bürgerpolitesse“
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Holger Zühlke hatte einige Bedenken, den Rat aus dem Ordnungsamt anzunehmen: Dass ihm die Stadt sogar ein amtliches Formular zur Verfügung stellte, um künftig Falschparker in Uelzen per „Jedermannsanzeige“ bestrafen zu lassen, ging dem ansonsten nicht allzu scheuen Unternehmer dann vielleicht doch ein wenig zu weit. Er sei nicht der Dorfpolizist, der in den Abendstunden die Arbeit des Ordnungsamtes erledige, ließ er die Behörde wissen.

Nicht jeder Bürger in Unna hat derlei Bedenken. Inzwischen sind mehrere Fälle belegt, in denen Privatleute mit einer gewissen Regelmäßigkeit Falschparker zur Anzeige bringen. Zühlke ist nicht der einzige Empfänger des städtischen Meldebogens. Genutzt werden allerdings auch digitale Systeme wie entsprechende Smartphone-Apps.

Erinnerungen an den „Parksheriff von der Stadtkirche“

Dass es überhaupt ein eigenes Formular für Jedermannsanzeigen gibt, mag bereits ein Hinweis darauf sein, dass die Stadt die Mitarbeit des Bürgers nun etwas aufgeschlossener annimmt. Offenkundig will sie ein Phänomen, das ohnehin auftritt, in geordnete Bahnen lenken.

Hinter einem „offiziellen“ Knöllchen von der Stadt stehen Strukturen, die auf eine effiziente Bearbeitung der Stadt ausgerichtet sind. Jedermannsanzeigen haben eher etwas von einem Einzelfall und machen in der Bearbeitung mehr Mühe.
Hinter einem „offiziellen“ Knöllchen von der Stadt stehen Strukturen, die auf eine effiziente Bearbeitung der Stadt ausgerichtet sind. Jedermannsanzeigen haben eher etwas von einem Einzelfall und machen in der Bearbeitung mehr Mühe. © HA-Archiv

Früher war die Haltung der Stadtverwaltung deutlich ablehnender. Gezeigt hatte sich dies am Fall des „Parksheriffs von der Stadtkirche“, der am Kirchplatz über etwa fünf Jahre von 2003 bis 2008 fast täglich Jedermannsanzeigen schrieb.

Sein Beitrag zur Überwachung des ruhenden Verkehres war im Rathaus eher als belastend empfunden worden. Damals erklärte die Stadt, dass Jedermannsanzeigen teils etwas mühselig zu bearbeiten seien, da sie keiner besonderen Form bedürfen und auch bei einer Häufung immer etwas von einem Einzelfall haben. Anders als bei den Anzeigen der eigenen Politessen und Politeure sei zudem die Beweisführung nicht immer eindeutig. Und: Die Stadt wollte es wohl auch gerne selbst in der Hand halten, wo sie einen wie starken Kontrolldruck aufbaut.

In bestimmten Zeitfenstern und Ortslagen durchaus hilfreich

Was die aktuelle Situation in Uelzen angeht, bestätigt die Stadt allerdings, ihren Hinweisgeber Holger Zühlke ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen zu haben, Falschparker selbst anzuzeigen. „Der Hinweis auf die Jedermannsanzeigen kam in der Tat vom Ordnungsamt – weil der Ordnungsdienst schlicht nicht überall sein kann“, erklärte die Pressestelle der Stadt nun auf Anfrage. Und sie stellt fest: „Die Anzeigen können eine Hilfe sein, wenn sie richtig eingereicht werden (Foto, Uhrzeit, Dauer des Parkens).“

Ein Foto aus einer echten Jedermannsanzeige. Hier haben sich mehrere Autofahrer in Uelzen so aufgestellt, dass der Verkehr über eine Sperrfläche rollen müsste, um durchzukommen. Weil die schraffierte Fläche aber zu beachten ist, gilt das Parken gegenüber als Verkehrsbehinderung.
Ein Foto aus einer echten Jedermannsanzeige. Hier haben sich mehrere Autofahrer in Uelzen so aufgestellt, dass der Verkehr über eine Sperrfläche rollen müsste, um durchzukommen. Weil die schraffierte Fläche aber zu beachten ist, gilt das Parken gegenüber als Verkehrsbehinderung. © Privat

Befürchtungen, dass die Stadt ihre eigene Überwachung nun zurückfahren und die entsprechende Arbeit dem Bürger überlassen wolle, sind aber dennoch unbegründet. Denn obwohl die Mitarbeit der Bürger inzwischen auch als potenziell hilfreich angesehen wird, bleibt die Stadt in einem Punkt auch heute noch bei ihrer früheren Linie: „Die Bearbeitung (der Jedermannsanzeigen, d. Red.) nimmt (...) einige Zeit in Anspruch, da sie natürlich ordnungsgemäß geprüft werden müssen“, stellt die Stadt klar.

Im vergangenen Jahr über 23.000 Knöllchen insgesamt

In den zurückliegenden Jahren haben die Jedermannsanzeigen gegen Falschparker in Unna jeweils dreistellige Fallzahlen ergeben. Am Gesamtgeschehen und im Vergleich zum Arbeitsergebnis der Profis ist ihr Anteil daher überschaubar. So ahndete die Stadt im vergangenen Jahr insgesamt 23.827 Parkverstöße, was der Stadtkasse 484.482 Euro eingebracht hat.

Wenn die Stadt einem Bürger direkt die Empfehlung gibt, mit Formular und Fotoapparat auf Knöllchensafari zu gehen, geht es daher nicht um einen Beitrag zur Masse der Verfahren, sondern um eine strategische Wirkung in bestimmten Zeitfenstern oder Ortslagen. Ausführende sind oftmals Anlieger entsprechender Straßen – Bürger also, die ohnehin vor Ort sind und diese Arbeit leisten können, die sich aber auch von einem Parkproblem persönlich betroffen fühlen und eine entsprechende Motivation haben, an der Lösung mitzuwirken.