Wohnungsnot in Unna „Wenn wir nichts machen, werden wir obdachlose Familien haben“

Wohnungsmangel: Sorge nicht nur um Lüsa-Klienten
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Der Mangel an günstigem Wohnraum trifft vor allem Menschen in ohnehin schwierigen Lebenslagen. Die langjährige Chefin des Süchtigen-Hilfsprojekts Lüsa weist auf dramatische Probleme bei der Wohnungssuche hin – nicht nur für ihre Klienten.

Konkurrenz unter armen Mietern

Dass Unna von einem Mangel an erschwinglichen Wohnungen betroffen ist, wird seit Jahren immer wieder zum Thema gemacht. Wie dramatisch fehlender Wohnraum besonders für arme Menschen ist, erklärt nun Anabela Dias de Oliveira, Leiterin des Langzeit Übergangs- und Stützungsangebots (Lüsa) für Suchtkranke. Sie berichtet von zwei ihrer Klienten, die mit der Suche nach einer Wohnung zweieinhalb Jahre zugebracht haben. Das Problem: Wo sich viele Menschen um knappen Wohnraum bewerben, ziehen diejenigen mit Suchtvergangenheit oft den Kürzeren. Um das viel zu geringe Angebot auf dem Mietwohnungsmarkt würden unter anderem auch Rentner, Alleinerziehende, Arbeitslose und Flüchtlinge konkurrieren.

Je selbstständiger, desto günstiger

Die zwei Lüsa-Klienten, deren Namen Dias nicht nennt, seien auf dem Weg gewesen, trotz ihrer Drogenabhängigkeit ein Leben mit mehr Stabilität und Selbstständigkeit zu führen, daher der Schritt in Richtung einer eigenen Wohnung. Als dieser Schritt so lange nicht gelang, hätten die Betroffenen immer mehr abgebaut, berichtet Dias. „Sie merkten: Egal, wie sehr sie sich bemühten, es nützte nichts.“

Gleichzeitig hätten sie stationäre Plätze blockiert. Aus der stationären Betreuung heraus könne natürlich nicht jeder Klient verselbständigt werden, betont Dias. „Aber manche schaffen das.“ Für das Versorgungssystem bedeute dies eine erhebliche Einsparung. Wer bei Lüsa lebt, werde in einem Umfang von rund 150 Stunden pro Woche betreut. Im betreuten Wohnen hingegen würden sechs bis sieben Betreuungsstunden in der Woche ausreichen.

Demnächst obdachlose Familien?

Sie habe sich mit Vertretern anderer Sozialeinrichtungen ausgetauscht, um zu erkennen, dass das Wohnungsproblem viel mehr Menschen betreffe als ihre Klienten, so Dias. Frauen zum Beispiel, die vor Gewalt zum Frauenforum geflohen sind, hätten bei Vermietern auch einen schweren Stand. Ähnlich gehe es Familien mit geringerem Einkommen, die nun durch Verteuerung zunehmend unter Druck kommen. Immer mehr Gruppen würden in die Wohnungsproblemlage geraten. „Wenn wir nichts machen, werden wir obdachlose Familien haben“, warnt die langjährige Sozialarbeiterin.

Lüsa lädt ein zum Adventsbasar am Sonntag (10.12.) im Antik-Café, Friedrich-Ebert-Straße 2a. Von 11 bis 16 Uhr gibt es unter anderem selbstgemachte Produkte, einen Trödelmarkt, eine Bastelaktion und eine adventliche Lesung.

Lüsa lädt zur Tagung ein

Lüsa ist Teil einer Initiative, die die Schaffung von mehr günstigem Wohnraum im Raum Unna zum Ziel hat. Dies ist eines von vielen Themen, die am 1. Dezember in verschiedenen Runden zur Sprache gebracht werden sollen: Das Projekt Lüsa lädt ein zu einer Fachtagung und Feier anlässlich seines 25-jährigen Bestehens. Die Veranstaltung in der Lindenbrauerei beginnt um 10.30 Uhr und ist offen für alle Interessierten. Neben dem Bundes-Drogenbeauftragten sprechen Fachleute unter anderem aus der Drogenberatung, aber auch aus der Flüchtlings- und Behindertenhilfe.

Zum Rahmenprogramm gehören auch eine Verkaufsbörse mit Lüsa-Produkten und ein Fotoprojekt. Das große Thema ist Teilhabe: Unter dem Titel „Wir sind Unna“ zeigt Lüsa Fotoporträts von einigen seiner Klienten, die damit erklären: „Wir sind Bürger:innen dieser Stadt!“

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lüsa stehen vor dem Lüsa-Antik-Café in Unna.
Das Antik-Café von Lüsa wird mehr und mehr zum Treffpunkt für Menschen auf der Suche nach Essen, Gemütlichkeit und/oder Kultur. © Raulf

Große Sorge, aber auch Erfolge

Anabela Dias de Oliveira leitet Lüsa seit dem Beginn des Landesmodellprojekts 1997. In der Geschäftsführung hat die 63-Jährige inzwischen Nachfolger, sie will aber mit verringerter Arbeitszeit auch über 2024 hinaus Lüsa erhalten bleiben.

Im Rückblick ergeben sich für Dias viele Anlässe zur Sorge, da sich die Situation drogenabhängiger Menschen nicht wesentlich verbessert, sondern eher verschlechtert habe, zuletzt dramatisch durch mangelnde Teilhabe im Zuge der Corona-Pandemie. Die medizinische Versorgung Süchtiger sei nach wie vor schwierig, ihre Pflegesituation auch.

Aber Dias weist auch auf positive Entwicklungen hin und auf Dinge, die Lüsa erreicht hat. Mit dem Antik-Café an der Friedrich-Ebert-Straße 2a sei ein Ort entstanden, der sich nach und nach zum Treffpunkt entwickle, auch für Besucher außerhalb des Lüsa-Umfelds, um gemütlich einen Kaffee zu trinken oder etwas zu essen. Die Melange-Reihe (www.melange-im-netz.de) zieht kulturinteressiertes Publikum dorthin.

Unterdessen entwickelt sich in Hemmerde-Dreihausen die Dauerwohneinrichtung weiter, das Quasi-Seniorenheim für Drogenabhängige. Die Einrichtung sei inzwischen gut an Hemmerde angebunden und produziert neuerdings Honig im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms. Im kommenden Jahr könnte als „Nebenprodukt“ Kerzenherstellung hinzukommen.

Mitarbeiter und Klienten von Lüsa sind auch an dieser Stelle Teil des Stadtlebens: Jahrelang haben sie die Bahn für die Jugendveranstaltung „Wheel Sliding“ gebaut.
Mitarbeiter und Klienten von Lüsa sind auch an dieser Stelle Teil des Stadtlebens: Jahrelang haben sie die Bahn für die Jugendveranstaltung „Wheel Sliding“ gebaut. © Archiv

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