Reine Liebe ist es nicht Der graue Alltag in der schwarzgrünen Partnerschaft in Unna

Der graue Alltag in der schwarzgrünen Partnerschaft
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Dass es wirklich Liebe wäre zwischen Unnas CDU und den Bündnisgrünen, glaubten nach der Kommunalwahl 2020 vermutlich die wenigsten. Sind solche Bündnisse ohnehin noch die Ausnahme, so war die Zusammenarbeit in Unna noch überraschender.

Denn in der Kreisstadt am Hellweg war die CDU in den zurückliegenden Jahren noch etwas konservativer geworden, während bei den Grünen das Pendel von den Realos zu den Fundis geschwungen war. Und doch beteuerten beide Seiten, dass da mehr ist zwischen ihnen als reine Berechnung.

Kaum eine politische Festlegung kommunizierten die beiden Fraktionen ohne den Hinweis darauf, dass sie im Einvernehmen mit dem Projektpartner erfolge. Selbst auf Parteiveranstaltungen erklärten sie ihre politischen Positionen im Nahbereich des jeweils anderen.

Keuchels Machtwort bremst sogar den Bürgermeister

Inzwischen allerdings scheint diese Phase der vermeintlichen Verliebtheit vorbei. Nach den Flitterwochen kommen Schwarz und Grün im grauen Beziehungsalltag an, gelegentliche Streitigkeiten inklusive.

Auffällig wurde dies zuletzt im Stadtrat, als Claudia Keuchel, Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen, gleich zweimal dem Bürgermeister über den Mund fuhr. Recht brüsk fiel sie Dirk Wigant (CDU) ins Wort, als dieser nur die zarte Andeutung machte, ein grünes Politikziel zu hinterfragen. Vielleicht doch ein paar Anwohnerparkplätze an der Schulstraße? Bedenken hinsichtlich der Kosten eines neuen Freibades in Massen? Solche Dinge sollten jetzt nicht schon ausgesprochen werden, machte Keuchel unmissverständlich klar.

Sie selbst erklärte nun im Gespräch mit unserer Redaktion, sie sei „erstaunt, dass es so rübergekommen ist“, es sei wohl „in der Hitze des Gefechts“ passiert. Natürlich gebe es zwischen CDU und Grünen unterschiedliche Positionen, aber die müssten eben einfach verhandelt werden – „in aller Freundschaft“, wie sie versichert.

Andere Anwesende im Ratssaal hatten Keuchels Machtwort dagegen sehr wohl registriert, darunter auch: der Partner.

Nachgeben im Sinne der Harmonie

„Mir ist die Reaktion auch aufgefallen“, räumt CDU-Fraktionschef Rudolf Fröhlich gegenüber unserer Redaktion ein. „Ich bin aber nicht darauf eingegangen, weil ich nicht wollte, dass wir uns gegenseitig übers Maul fahren in öffentlicher Sitzung“, ergänzt Fröhlich noch. Und: „Frau Keuchel ist manchmal etwas spontan. Das darf man aber nicht überbewerten.“

Atmosphärische Störungen jedenfalls nehme er nicht wahr innerhalb des Bündnisses. „Ich will nicht leugnen, dass es bisweilen Themen gibt, bei denen wir inhaltlich anderer Auffassung sind. Bislang ist es uns aber immer gelungen, in nicht-öffentlicher Beratung zu Kompromissen zu kommen“, sagt Fröhlich.

Geburtsstunde der schwarzgrünen Projektpartnerschaft in Unna: Gut sichtbar im Schaufenster des „Spontun“ an der Wasserstraße kamen mach der Kommunalwahl 2020 Vertreter beider Fraktionen inklusive Bürgermeister Dirk Wigant zum Gespräch zusammen.
Geburtsstunde der schwarzgrünen Projektpartnerschaft in Unna: Gut sichtbar im Schaufenster des „Spontun“ an der Wasserstraße kamen mach der Kommunalwahl 2020 Vertreter beider Fraktionen inklusive Bürgermeister Dirk Wigant zum Gespräch zusammen. © Udo Hennes

Außenstehende hinterfragen dies. Auf der inhaltlichen Ebene sind inzwischen mehrere Beispiele belegt, in denen Differenzen zwischen CDU und Grünen erkennbar geworden sind. Dazu zählen Keuchels Stopp-Rufe in Sachen Reallabor und Freibadprüfung.

Offen ließen die Grünen die Christdemokraten auch beim Bauvorhaben auf dem Zabel-Grundstück in Kessebüren allein. Und für eine Wahl Stephan Pfeffers zum Technischen Beigeordneten können die Grünen keine vollständige Unterstützung garantieren – was in der CDU für Enttäuschung sorgt, nachdem die Grünen zuvor ihren Beigeordneten-Kandidaten Sandro Wiggerich einstimmig durchsetzen konnten.

Belegt ist aber auch, dass einzelne Stimmen bei den Grünen die künftigen Parkgebühren in Unna gerne bis auf 5 Euro die Stunde hochgesetzt hätten, wenn sich nicht die CDU mit 2,50 Euro durchgesetzt hätte.

Aber auch jenseits der inhaltlichen Verschiedenheiten scheint die Harmonie in der Projektpartnerschaft dem Pragmatismus gewichen zu sein. Ein politischer Beobachter formuliert es so: „Man kann es beobachten bei Veranstaltungen, zu denen Vertreter verschiedener Fraktionen eingeladen sind. Schwarzgrün, die stehen nicht beieinander. Die sitzen nicht beieinander. Die reden nicht miteinander. Das mag wohl eine Arbeitsbeziehung sein. Aber echte Liebe ist das nicht.“

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