6.000 Hosen auf 95 Quadratmetern ohne Onlineshop Wie kann das so lange gut gehen, Herr Weber?

Ehrliche Gespräche mit treuen Kunden tragen über 60 Jahre
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Wo gibt es denn so ein Geschäft noch? Das fragt sich der Hosen-Spezialist selbst. Thomas Weber feiert mit seinem kleinen Modefachgeschäft in Unna jetzt 60-Jähriges. Das Konzept für den Erfolg auch in immer schwierigeren Zeiten könnte man so zusammenfassen: Halte am Konzept fest. In die Zukunft richtet aber auch der Hosen-Spezialist einen sehr nüchternen Blick.

Seit Weber bezahlt man Hosen in Euro

Thomas Weber hat das Hosengeschäft an der Wasserstraße praktisch in die Eurozeit überführt. Der gebürtige Münsterländer übernahm den Betrieb Anfang 2002. Als klassisch im Einzelhandel ausgebildeter Kaufmann wurde er der dritte Inhaber. 1964 hatten die Eheleute Stremming in den Räumen einer früheren Änderungsschneiderei den Hosen-Spezialist eröffnet. 14 Jahre später übernahmen die Eheleute Echternkamp. „Im Januar werde ich der dienstälteste Hosen-Spezialist sein“, sagt Thomas Weber. 23 Jahre: Das sind mehr als bei seinen Vorgängern, zu denen er immer noch ein gutes Verhältnis habe.

Alte Werbeanzeigen aus den 1960er-Jahren in einem Buch beim Hosen-Spezialist in Unna
Werbeanzeigen aus den ersten Jahrzehnten füllen Bücher: „Hosen-Hosen-Hosen“ sind auch heute noch das Kernprodukt. Eine „Knaben-Helanca-Keilhose“ für 19 Mark 50 gibt es an der Wasserstraße aber nicht mehr. © Raulf

Der dritte und letzte Hosen-Spezialist

Thomas Weber ist der dritte Hosen-Spezialist an der Wasserstraße. Und er sei der letzte, sagt der Kaufmann mit einer Mischung aus Realismus und Wehmut. Schon für ihn galt, dass die „goldenen Zeiten“ des Handels, die seine Vorgänger erlebt hatten, vorbei seien. Kleine, individuelle Geschäfte seien zwar „das Salz in der Suppe“ einer Innenstadt, sagt Weber. Diese Geschäfte hätten es aber auch mit immer schwierigeren Rahmenbedingungen zu tun. Der Unnaer ist Vorsitzender des City-Werberings und engagiert sich auch in der Industrie- und Handelskammer, daher weiß er, was in der Branche los ist.

Thomas Weber selbst wird nächstes Jahr ebenfalls 60. Das heißt, irgendwann in ein paar Jahren wird für ihn Schluss sein mit dem Hosen-Geschäft. Und selbst wenn sich jemand fände, der den Laden einmal übernähme, würden das allein schon die Banken gar nicht mehr mittragen. „Ich sehe keine Chance für einen Nachfolger“, sagt Weber nüchtern.

Begeisterung für Hosen

Aber das ist Zukunftsmusik. In der Gegenwart lässt Thomas Weber Begeisterung für das Produkt und den Umgang mit Menschen erkennen, die er noch einige Jahre fortführen möchte. In seinem Geschäft lagern auf nur 95 Quadratmetern über 6.000 Hosen. Das war, ist und bleibt das Hauptprodukt des schmalen, lang gezogenen Ladens. Ein paar Pullover und Gürtel dienen vor allem dazu, das Schaufenster nett dekorieren zu können, erklärt Thomas Weber. Die Hose in einer Produkttiefe, die es sonst nirgendwo gibt, mit Überlängen, Übergrößen und Änderungsservice: Dafür hat das Fachgeschäft 2015 den Westfälischen Handelspreis bekommen. Und das ist ein Teil des Erfolgsrezepts – verbunden mit Beratung.

Lieber auch mal nicht verkaufen

„Die Beinweite ist entscheidend, wie gut jemand in einer Hose aussieht“, sagt Weber. Bei den unterschiedlichsten Herstellern, Passformen und Größen kommt es auf ehrliche Gespräche an. Weber und seine insgesamt fünf Verkäuferinnen raten deswegen Kunden im Zweifel auch mal von einer Hose ab. Wenn jemand einmal nichts kauft, aber irgendwann wiederkommt, sei ihm das lieber, als wenn eine schlecht sitzende Hose den Kunden verärgert. „Und Beratung kann man online nicht gewährleisten“, sagt Weber. Das Fachgeschäft veröffentlicht im Internet Infos über Marken, Öffnungszeiten und Service, kaufen kann man online aber nichts, und das soll sich auch nicht ändern.

Modehändler Thomas Weber zeigt das Innere einer neuen Hose und ihr Etikett
Welche Größe passt? Wie ist die Hose verarbeitet? Und woher kommt der Preis? Der Hosen-Spezialist hat Antworten. © Raulf

„Black Friday“: nein, danke

Ehrlich spricht Weber auch über Preise. Günstige Ware verkauft der Hosen-Spezialist nicht. Dafür schaut er sich als Händler auch mal eine Produktionsstätte an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Handarbeit in Produkten steckt. Preis und Leistung sollen stimmen. „Warum eine Hose dann 119 Euro kostet und nicht 79, darauf muss ich dem Kunden eine vernünftige Antwort geben können.“

Bei seinen Stammkunden, die das Geschäft über Jahre getragen haben, bedankt sich der Hosen-Spezialist nun mit Aktionen. Aber Rabattschlachten wie aktuell zum „Black Friday“, die er als Kundenmanipulation kritisiert, macht Weber aus Prinzip nicht mit. Darüber hingegen, wie seine Vorgänger geworben haben, muss er heute schon etwas schmunzeln. „Rücksichtslos reduzierte Preise“ versprach der Hosen-Spezialist in den 1960er-Jahren zum „Sommer-Schluss-Verkauf“. Damals, als in Werbeanzeigen gern auch noch gereimt wurde. Damals, als die teuerste „Twist-Hose“ für 36 Mark 50 zu haben war.

Damen-Boom durch Silhouettenwechsel

Ob mehr Herren- oder Damenhosen verkauft werden, schwankt übrigens. In den vergangenen beiden Jahren hätten Hosen für Männer überwogen, berichtet Thomas Weber, aber das sei jetzt wieder vorbei. Grund sei der „Silhouettenwechsel“. Es gibt bei Beinmode einen Trend zur Weite. „Bei den Damen ist das angekommen. Das beschert uns in dem Bereich gute Zuwächse“, freut sich Weber. Die meisten Herren hingegen hätten gerade erst Gefallen an engen Hosen gefunden und würden nun wohl länger brauchen für den Silhouettenwechsel – wenn sie mit diesem Begriff denn überhaupt etwas anfangen können. Thomas Weber kennt seine Pappenheimer, wie er mit einem Augenzwinkern erklärt: „Männer brauchen sowieso ewig lange, sich an neue Formen zu gewöhnen.“

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