Immer noch Krisen Handelsexperte Thomas Schäfer warnt vor Steuererhöhung in Unna

Handelsexperte Thomas Schäfer zur Innenstadt: „Jeder Leerstand tut weh“
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Leerstände in Toplagen, immer mehr Discounter, gestiegene Parkgebühren und eine wohl steigende Gewerbesteuer – der Einzelhandel in Unna hat mit verschiedensten Problemen zu kämpfen. Thomas Schäfer ist Geschäftsführer vom Handelsverband Nordrhein-Westfalen, Westfalen-Münsterland. Er ist der Ansprechpartner für den Einzelhandel im Kreis Unna. Im Gespräch mit unserer Redaktion hat er über die Situation in Unna gesprochen, über das neue Förderprogramm gegen Leerstand und darüber, was eine attraktive Innenstadt ausmacht.

Herr Schäfer, wie bewerten Sie die aktuelle Lage des Einzelhandels in Unna?

Also ich finde den Standort Unna weiterhin sehr attraktiv. Unna war immer schon eine attraktive Innenstadt und ist es jetzt noch. Wir haben einen schönen Mix von inhabergeführten Geschäften, von einem großen Kaufhaus und von Ketten. Wir haben eine gute Erreichbarkeit und wir haben ein schönes Ambiente.

Vor eineinhalb Jahren hat es eine große Diskussion über die Vielzahl an Discountern gegeben, wie Woolworth, NKD, Kodi und Tedi. Wie stehen Sie dazu?

Das ist eine ganz normale Vertriebsform. Sie hat dieselbe Berechtigung wie jede andere auch. Wir wünschen uns immer etwas anderes, aber wenn ich jetzt sage „wir“, dann heißt es, die Gesellschaft insgesamt, aber kaufen tun wir dann woanders.

Und insofern ist es, glaube ich, ein Zeichen der Zeit, dass man solche Discount-Konzepte in der Innenstadt hat. Letztlich liegt es am Vermieter, wenn der sagt, „ich möchte denjenigen nehmen“, ist das eben so. Ich glaube aber, dass das etwas ist, was wir in allen Innenstädten haben. Das sind im Moment diejenigen, die am meisten profitieren von der Situation, die wir im Handel haben. Ich finde das aber nicht schlimm. Ich hatte mal gesagt, besser als Leerstand. Das ist ein bisschen süffisant gemeint.

Das Kaufhaus Schnückel befindet sich an der Massener Straße in Unna.
Mit Schnückel gibt es in Unna ein Kaufhaus, das unter anderem Mode, Spiel- und Sportwaren sowie Schmuck anbietet. © Marcel Drawe (Archiv)

Wir hatten im Vorfeld Leser aufgerufen, uns Fragen zukommen zu lassen. Ein Leser hat gefragt, ob ein Konzept für die Stadt zu erkennen ist, ob es einen roten Faden für den Einzelhandel gibt.

Das ist nach außen schwer darzustellen. Die Stadt kann Rahmenbedingungen schaffen. Zu denen gehören Sicherheit, Sauberkeit, Erreichbarkeit und ein Einzelhandelskonzept, das es hier gibt. Dann gibt es einen sehr aktiven City-Werbering, der sich um den Einzelhandel aktiv kümmert. Das zusammen ist der rote Faden, den man vielleicht nicht immer von außen erkennen kann, der aber da ist und das Ziel verfolgt, Unna als attraktiven Einzelhandelsstandort zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern.

„Handel ist und bleibt Wandel“

Man hört immer, der Mix muss stimmen: Wohnen, Geschäfte und Gastronomie. Was macht eine attraktive Innenstadt aus?

Der Handel ist und bleibt Wandel. Früher reichte es, dass man als Händler seine Ware ins Schaufenster gelegt hat und dann kamen die Leute. Das reicht nicht mehr. Man muss den Menschen etwas bieten, insbesondere den jüngeren. Es muss ein Erlebnisfaktor da sein, es muss eine Aufenthaltsqualität haben und natürlich muss ich mich als Geschäft und als Stadt so verkaufen, dass die Besucherinnen und Besucher sagen: „Mensch, da muss ich unbedingt hinfahren.“ Das kann eine Veranstaltung sein, das kann das schöne Ambiente sein, dass es hier in Unna gibt, eine schöne Altstadt und natürlich der Mix der Geschäfte.

Die Modekette Bonita eröffnet an der Bahnhofstraße in Unna.
Mit Bonita kommt im März eine Modekette nach Unna. Die Umbauarbeiten laufen. © Tobias Hinne-Schneider

Über Unnas Vorzüge haben Sie gesprochen. Was lässt sich verbessern?

Man kann immer etwas verbessern. Jeder Leerstand tut weh, das ist klar, aber das ist nichts, was eine Politik oder eine Verwaltung ändern kann. Das müssen die Eigentümer und die, wenn noch Mietverträge bestehen sollten, bisherigen Mieter miteinander regeln.

Ich glaube, man muss hier noch mehr gemeinsam tun, um den Innenstadtstandort nach vorne zu bringen. Das machen City-Werbering, Politik und Wirtschaftsförderung schon recht gut. Aber da gehört eben zu, dass auch die Eigentümer sich mehr und intensiver engagieren und eben sagen: „Okay, ich nehme jetzt nicht unbedingt den Erstbesten.“ Das ist ja kein Fehler, das will ich keinem vorwerfen, aber dass man mal darauf achtet, was passt hier noch besonders gut rein in die Innenstadt. Da würde ich mir wünschen, dass man mehr miteinander spricht.

Höhere Parkgebühren sind „ein Zwiespalt“

Unna hat zum Jahreswechsel die Parkgebühren erhöht. Wirkt sich so eine Parkerhöhung immer auf die Kundenfrequenz aus?

Das ist ein Zwiespalt. Man möchte den Parkraum bewirtschaften, damit der nicht von morgens bis abends besetzt wird. Auf der anderen Seite will man Menschen in die Innenstadt locken. Das geht nur dadurch, dass man eine gute Erreichbarkeit sichert. Jetzt ist es hier so, dass man die oberirdischen Parkplätze etwas teurer gemacht hat als die Parkhausparkplätze. Und insofern scheint mir das ein guter Mix zu sein.

Die Parkhäuser sind aus meiner Erkenntnis heraus vielleicht einmal oder zweimal im Jahr ausgebucht. Ansonsten findet man dort immer einen Parkplatz.

Erhöhte Gewerbesteuer trifft Einzelhändler

Ab 2025 soll auch die Gewerbesteuer steigen. Ist das ein fatales Zeichen für Einzelhändler, die sich in Unna niederlassen wollen?

Ein schönes Zeichen ist das eindeutig nicht. Ich kann verstehen, dass eine Stadt nach Möglichkeiten sucht, Einnahmen zu erhöhen. Auf der anderen Seite muss man sehen: Mit der Gewerbesteuer werden nicht nur Gewinne besteuert. Gerade im Einzelhandel ist es so, dass Mieten, Pachten und Leasingraten betroffen sind. Und die erhöhen nun mal selten den Gewinn, ganz im Gegenteil.

Insofern wäre es sinnvoll, noch mal darüber nachzudenken, ob das tatsächlich eine passende Maßnahme ist. Anders als Industrie und andere Großbetriebe kann der Handel nicht mal eben sagen: „Ich gehe mal eben ins Ausland.“

Das heißt, die Erhöhung würde den Einzelhandel hart treffen?

Ja, in einer Situation, in der es dem Handel insgesamt nicht so gut geht. Nach der Corona-Zeit hatten wir gehofft, jetzt geht es besser, dann hatten wir leider die ganzen Krisen, die uns immer noch einholen: Ukraine-Krieg, Israel, Inflation, Energiekosten.

Die Kunden halten ihr Geld zusammen, was man niemandem vorwerfen kann. Und wenn die Steuern erhöht werden, ist das etwas, was vielleicht den einen oder anderen überfordert. Nicht jeder geht in die Insolvenz. Es gibt Unternehmen, die einfach nur still und heimlich vom Markt verschwinden. Das wollen wir nicht. Das sehe ich hier in Unna nicht, aber die Situation ist da. Unser Bundesverband prognostiziert, dass in diesem Jahr insgesamt 5.000 Geschäfte den Markt verlassen.

Und jeder Leerstand mehr würde der Attraktivität einer Stadt schaden?

Sicher, auch da bleibe ich dabei. Es gehört aber zu einer attraktiven Stadt dazu, dass sich etwas entwickelt.

Neben dem O2-Shop auf dem Marktplatz in Unna steht ein Geschäft leer. In den Schaufenstern wird geworben.
Auf dem Marktplatz in Unna gibt es bereits ein leerstehendes Ladenlokal, in dem geworben wird. © Tobias Hinne-Schneider

Was können Lösungen sein?

Sogenannte Pop-up-Stores oder dass andere eben kostenlos dort die Schaufenster betreiben können. Oder auch das, was die Stadt jetzt verkündet hat, dass man eben einen Innenstadtfonds nutzen kann, um dort Start-up-Unternehmen und Existenzgründer unterzubringen.

300.000 Euro aus einem Landesprogramm

Sie haben es angesprochen. Unna hat 300.000 Euro aus dem Landesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“ bekommen. Das Geld soll zur Anmietung von Leerstand eingesetzt werden. Ist es das, was die Stadt tun kann?

Das ist ein gewichtiger Hebel. Es ist gut, dass das Land dieses Programm aufgelegt hat und ich finde es bemerkenswert und gut, dass die Stadt sich engagiert. Mit all den Problemen, die damit verbunden sein können. Diejenigen, die jetzt schon ein Ladenlokal haben, die werden sagen: „Warum wird der gesponsert und ich nicht?“ Aber es geht um zwei Jahre und es geht eben darum, eine Anschubfinanzierung zu haben, dass man einen Leerstand beseitigt und dass man Start-up-Unternehmen den Schubs gibt, jetzt endlich loszulegen.

Das vollständige Gespräch können Sie sich auf hellwegeranzeiger.de im Video anschauen.