Früher Hinweis auf die „Gartensteuer“ Betroffener lässt Stadt Unna nicht aus Verantwortung

Auf die Gartensteuer ist die Stadt durchaus hingewiesen worden
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Die Grundsteuerreform und ihre Umsetzung durch die Stadt zeigen in Unna unerwünschte Nebenfolgen. Besitzer von Gartengrundstücken, aber auch Bewohner von Wohnungen, die in Geschäftsgebäuden untergebracht sind, werden mit dem verdoppelten Hebesatz veranlagt, den die Stadt hauptsächlich für Gewerbegrundstücke ausweisen wollte. Denn auch diese Liegenschaften werden als „Nichtwohngrundstücke“ eingestuft und bei der Grundsteuer mit Gewerbegrundstücken gleichgestellt.

Politiker haben danach zum Teil ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass der differenzierte Hebesatz mitunter gerade diejenigen trifft, die er schützen sollte. Einige von ihnen erklären dabei, sich von der Stadtverwaltung nicht ausreichend informiert gefühlt zu haben. Dass das Problem die Stadt überraschend treffe, will ein Gartenbesitzer aus Königsborn allerdings nicht gelten lassen, wie er nun anmerkt.

Hinweis auf die Fehlbewertung schon vor Ratsbeschluss

Er selbst nämlich habe die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, als er mit seiner Frau im November des vergangenen Jahres eine Informationsveranstaltung der Verwaltung in der Stadthalle besucht hat, erklärt Jörg Scholz, einer der verärgerten Gartenfreunde von der Dorotheenstraße.

Die öffentlich einsehbare Bodenrichtwerte-Datenbank für NRW weist für die Kleingärten an der Dorotheenstraße den Wert eines Baugrundstückes aus.
Die öffentlich einsehbare Bodenrichtwerte-Datenbank für NRW weist für die Kleingärten an der Dorotheenstraße den Wert eines Baugrundstückes aus – aus Sicht der Gartenfreunde dort ein klarer Fehler, der die Berechnungen des Finanzamtes beeinflusst, zunächst aber in Unna passiert sein müsse. © Boris.NRW.DE

Scholz hatte sich für die Versammlung vorbereitet, indem er aus der online einsehbaren Datenbank der Bodenrichtwerte den für seine Gartenfläche herausgesucht hatte. Schon vor der Sitzung, damit aber auch vor dem Ratsbeschluss über die neuen Hebesätze und vor den Gebührenbescheiden der Stadt war ihm etwas aufgefallen.

Bis 2021 hatte das Bodenrichtwerteinformationssystem (Boris) für die Gartenflächen an der Dorotheenstraße überhaupt keine Wertaussage getroffen und die Grundstücke der Nutzungskategorie „Sonstige“ zugeordnet. Seit 2022 aber stuft „Boris“ sie als Bauland ein. Mit einem Bodenrichtwert von zuletzt 195 Euro pro Quadratmeter werden sie als fast so teuer eingestuft wie die Wohngrundstücke im Umfeld und vom Finanzamt mit entsprechenden Messwertzahlen belegt. Zusätzlich aber veranlagt die Stadt sie nun als „Nichtwohngrundstück“ mit dem verdoppelten Hebesatz. Für einen der Gärten dort steigt die Steuerlast nun auf das 83-Fache.

Bürger fühlte sich mit Hinweis nicht gehört

Dass die unbebaubaren und nicht erschlossenen Grünflächen mit den Bodenrichtwerten eines Wohngrundstücks völlig überbewertet seien, will Jörg Scholz schon auf der öffentlichen Informationsveranstaltung in der Stadthalle vorgetragen haben – allerdings ohne auf ein offenes Ohr gestoßen zu sein, wie er ausführt. „Meine Wortmeldung mit der Frage zu den Gartengrundstücken lief damals ins Leere. Dies dürfte auch dokumentiert sein, da die Veranstaltung auch für Interessierte ins Netz übertragen wurde“, erklärt Scholz nun. „Es kam das übliche Totschlagargument der Verwaltung: Zuständigkeit Finanzamt, Bescheide Grundsteuerwertbetrag und Grundsteuermessbetrag, damit abgehakt. Das ereignete sich deutlich vor dem Ratsbeschluss über die Grundsteuer. Nichts von Gartengrundstücken gehört zu haben, kann man seit dem nicht gelten lassen.“

Auf der Streuobstwiese, die Michael Kauke an der Iserlohnerstraße als Ökozelle pflegt, gilt sogar ein Bodenrichtwert von 290 Euro pro Quadratmeter. Dabei lägen die Grundstücksparzellen außerhalb der Baugrenzen, betont der Miteigentümer.
Auf der Streuobstwiese, die Michael Kauke an der Iserlohnerstraße als Ökozelle pflegt, gilt sogar ein Bodenrichtwert von 290 Euro pro Quadratmeter. Dabei lägen die Grundstücksparzellen außerhalb der Baugrenzen, betont der Miteigentümer. © Udo Hennes

Scholz sieht auch über den lokalen Hebesatz hinaus Fehler in der Grundsteuerfestsetzung, die zwar in den Bescheiden des Finanzamtes verbrieft sind, aber dennoch auf das Wirken der Stadt Unna zurückzuführen seien. „Woher bezieht denn das Finanzamt die Daten für die Bodenrichtwertberechnung“, fragt Scholz nun rhetorisch. Es sei offenkundig, dass die Stadt dem Finanzamt falsche Daten geliefert habe. Denn der Bodenrichtwert sollte sich an tatsächlichen Verkaufspreisen für Grundstücke orientieren. Gärten, die in der jüngeren Vergangenheit ihren Eigentümer gewechselt haben, ließen jedoch eher einen Bodenwert um etwa 36 Quadratmeter annehmen, nicht 195. Scholz fordert nun Stadt und Finanzamt auf, in einen Austausch miteinander zu treten und die Fehler zu beseitigen.

Stadt verweist bei Fragen zum Bodenrichtwert an den Kreis

Was genau dazu geführt hat, dass Gartenflächen an der Dorotheenstraße seit 2022 mit dem Bodenrichtwert eines Baugrundstückes eingestuft werden, lässt sich noch nicht ermitteln. Die Stadt Unna, bei der noch bis zum vergangenen Jahr ein eigener Gutachterausschuss angesiedelt war, verweist auf eine Anfrage unserer Redaktion nun an die Kreisverwaltung: „Seit dem 1. Januar 2025 übernimmt der Kreis Unna die Aufgaben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Kreisstadt Unna. Diese Frage ist dementsprechend an die Pressestelle der Kreisverwaltung zu richten.“ Der Kreis indes steht nun vor dem Problem, eine Entscheidung aus einer Vergangenheit erklären zu müssen, in der er noch keine Zuständigkeit dafür besaß.