„Nicht auf dem Schirm gehabt“ Unnas Politik reagiert auf Ärger über die „Gartensteuer“

„Nicht auf dem Schirm gehabt“: Politik reagiert auf die „Gartensteuer“
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An der Dorotheenstraße hat sich die Grundsteuerlast privater Kleingärten teils verzigfacht. Und in Unna-Süd soll Michael Kauke mit seinen Geschwistern fast 6000 Euro jährlich zahlen für eine unbebaubare Streuobstwiese. Auch aus Mühlhausen-Uelzen liegt uns die Beschreibung eines Falles vor, in dem ein eher ökologisch gestalteter Garten wie ein Baugrundstück besteuert wird.

Während Betroffene Sturm laufen und Klagen androhen, war es im politischen Raum ruhig in den Tagen nach Versand der Grundsteuerbescheide. Unsere Redaktion hakt nun nach und stößt in den Fraktionen auf eine Mischung aus Betroffenheit und Ratlosigkeit.

Fraktionen erkennen das Problem, aber noch keine Lösung

Mehrere Fraktionen wollen den Sonderfall „Gartenland“ nun noch einmal in ihren Sitzungen behandeln. Hoffnungen, im Sinne der Bürger noch etwas bewegen zu können, sind aber begrenzt. „Wir befürchten, dass wir in einer Situation sind, in der sich derlei Ausreißer nicht vermeiden lassen“, erklärt Claudia Keuchel als Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen. Und sie ergänzt: „Das ist etwas, was wir bedauern. Der eigentliche Fehler aber liegt bei der Finanzverwaltung.“

Michael Kauke erhält bewusst den ökologischen Wert der Streuobswiese hinter seinem Wohnhaus an der Iserlohner Straße. Baum- und Strauchschnitt etwa schichtet er zu Reisighecken für Igel und andere Tiere auf. Bewohnen oder bewirtschaften kann er die Fläche nicht. Trotzdem verlangt die Stadt Unna nun rund 5700 Euro Grundsteuer von Kauke und seinen Geschwistern.
Michael Kauke erhält bewusst den ökologischen Wert der Streuobswiese hinter seinem Wohnhaus an der Iserlohner Straße. Baum- und Strauchschnitt etwa schichtet er zu Reisighecken für Igel und andere Tiere auf. Bewohnen oder bewirtschaften kann er die Fläche nicht. Trotzdem verlangt die Stadt Unna nun rund 5700 Euro Grundsteuer von Kauke und seinen Geschwistern. © Udo Hennes

Tatsächlich steckt in den Bescheiden, die den Grundbesitzern in Unna nun zugegangen sind, ein vorausgegangener Bescheid des Finanzamtes mit drin. Die Grundsteuer setzt sich aus zwei Faktoren zusammen, nämlich aus dem Messbetrag des Finanzamtes und dem Hebesatz der Kommune. Zwar hat Unna seinen Faktor für die „Grundsteuer B Nichtwohngrundstücke“ mit dem Ratsbeschluss im Dezember verdoppelt, in vielen Fällen aber tatsächlich immer noch den kleineren Anteil an der Steuerentwicklung. Für einen Garten in Königsborn ist ein Anstieg der Grundsteuerbelastung auf das 83-Fache belegt. Ohne den Verdoppler der Stadt wäre es aber immer noch ein Anstieg aufs fast 42-Fache.

SPD kritisiert die Übernahme des „Scholz-Modells“

Politiker in Unna zeigen Verständnis für die Verärgerung der Bürger – und für die Beschäftigten im Rathaus, die den Unmut dieser Tage abbekommen dürften. „Für uns in der Lokalpolitik sage ich selbstkritisch, dass vielleicht niemand im Rat an die Gartenlandgrundstücke gedacht hat, als wir den differenzierten Hebesatz eingeführt haben“, räumt SPD-Fraktionschef Sebastian Laaser ein. „Aber das Hauptproblem ist, dass wir als Kommune in dieser Angelegenheit abhängig vom Land sind. Weil NRW platt das Steuermodell der Bundesregierung übernommen hat, steigen die Messwerte auf eine nicht immer nachvollziehbare Weise. Andere Bundesländer haben eigene Lösungen gefunden und kommen damit zu gerechteren Ergebnissen.“

Politik bittet Bürger um Verzeihung

Auch CDU-Fraktionschef Rudolf Fröhlich räumt ein, von den Auswirkungen der neuen Steuerfestsetzung für Gartenlandgrundstücke überrascht zu sein. „Diese Entwicklung hatte vermutlich keiner auf dem Schirm“, sagt er. „Und sie hat auch niemand so gewollt.“ Die CDU werde das Problem nun in ihrer Fraktionssitzung behandeln.

Ähnliches kündigt die FDP an. „Wir für Unna“ hatte das Thema bereits auf der Agenda – und hat nun Fragen an die Verwaltung, deren „Aufklärung wohl doch nicht ganz optimal“ gewesen sei, wie Fraktionschefin Ingrid Kroll nun erklärt.

Klaus Göldner von der Freien Liste richtet die Bitte um Entschuldigung an die betroffenen Gartenfreunde. „Als ich dafür gestimmt hatte, war mir nicht klar, was die Auswirkung wäre. Mir tut die Sache leid und ich finde, dass sie korrigiert werden muss.“ Vorschläge dafür erwartet Göldner nun vom Kämmerer.