Steuerschock immer extremer Unnaer Ökoparadies verschlingt jetzt mehrere Tausender im Jahr

Steuerschock immer extremer: Fast 6000 Euro für Ökozelle
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Wenn Michael Kauke über die große Grünfläche hinter seinem Haus an der Iserlohner Straße spricht, schwingen Begeisterung, Stolz und Liebe mit. Kauke – im Hauptberuf Organist und Chorleiter – zeigt knorrige Obstbäume, die sein Großvater wohl schon in den 1930er-Jahren gepflanzt hat, aber auch zarte Bäumchen, die er selbst durch Pfropfung veredelt hat. „Das sind alles alte westfälische Sorten“, erklärt er.

Zweige, die er aus Bäumen und Sträuchern geschnitten hat, schichtet er als Abschluss seiner Streuobstwiese auf, um Igeln und Hasen Unterschlupf zu geben. Dass er einen vom Wind angebrochenen Baum so stehen lässt, ist kein Zufall – ebenso wenig wie der Wildwuchs der Brombeerbüsche. „Darin fühlen sich die Vögel so wohl, das ist fantastisch.“

Fast 6000 Euro Grundsteuer B für unbebaubares Gartenland in Unna

Neuerdings allerdings mischt sich in die Begeisterung für die Ökozelle nahe der früheren Hellweg-Kaserne auch Bitterkeit. Denn auch die Streuobstwiese, die Kauke und seinen Geschwistern gehört, zählt zu den Grundstücken, die durch die Steuerreform in Unna anders veranschlagt werden: Für dieses Jahr verlangt die Stadt Unna für die rund 4500 Quadratmeter große Fläche exakt 5.772,90 Euro.

Michael Kauke steht auf seiner Streuobstwiese in Unna und hält einen Grundsteuerbescheid in die Kamera.
Gegen den Bescheid von der Stadt Unna will Kauke Klage vorgehen. Eine Forderung dieser Höhe sei für ihn nicht akzeptabel – aber auch nicht zu leisten, wie er einräumt. © Udo Hennes

Kauke hat kein Verständnis für dieser Forderung. Fast 500 Euro monatlich für ein Grundstück, auf dem nur Bäume stehen und Tiere sich wohlfühlen, das sei für ihn nicht akzeptabel und auch nicht zu leisten. Folglich legt sein Steuerberater nun Widerspruch ein wie zuvor schon gegen den Bescheid des Finanzamtes.

Die Einstufung des Grundstücks wirft tatsächlich Fragen auf. Früher wurde für sie die Grundsteuer A angesetzt, die für land- und forstwirtschaftliche Flächen verlangt wird. Vor einigen Jahren setzten sich Kauke und seine Geschwister dann an einen Tisch, um eine Parzellierung des Grundstücks vornehmen zu lassen. Mit der Vereinbarung wollten die Geschwister verhindern, dass es im Erbfall zu Unklarheiten und Streit kommen könnte. Die „Nebenwirkung“, dass für ihr Grundstück nun die Grundsteuer B angesetzt wurde, hinterfragten sie damals nicht, weil die Auswirkungen zu vernachlässigen waren.

Grundstückswert von fast einer Million Euro?

Nun allerdings wirkt sich für die Streuobstwiese von Michael Kauke und seinen Geschwistern die Formel aus, die schon an der Dorotheenstraße die Unmutsbekundungen der dortigen Gartenbesitzer ausgelöst hat: Weil das Finanzamt das Grundstück neu bewertet hat und die Stadt eine differenzierte Grundsteuer B mit verdoppeltem Hebesatz für „Nichtwohngrundstücke“ eingeführt hat, ist die Steuerbelastung des Grundstücks regelrecht explodiert.

Michael Kauke zeigt die Baugrenze zwischen seinem Wohngrundstück und der Streuobstwiese dahinter. Auch sein Haus ist mit ökologischem Bewusstsein entstanden – ausschließlich aus Holz und mit einer teuren Wärmepumpe als Heizung.
Michael Kauke zeigt die Baugrenze zwischen seinem Wohngrundstück und der Streuobstwiese dahinter. Auch sein Haus ist mit ökologischem Bewusstsein entstanden – ausschließlich aus Holz und mit einer teuren Wärmepumpe als Heizung. © Udo Hennes

Laut Finanzamt ist die Streuobstwiese hinter dem Haus von Michael Kauke nun 975.000 Euro wert. Dies hält selbst Kauke für fraglich. Zwar hält er sein grünes Juwel in gewisser Weise auch für unbezahlbar, aber am Immobilienmarkt gelten doch andere Gesetze.

Bis auf eine etwa 650 Quadratmeter große Freiläche im vorderen Grundstücksbereich befinde sich der überwiegende Teil der Grünanlage außerhalb der Baugrenzen. „Ich habe jetzt noch einmal bei der Stadt gefragt, ob mit der Neueinstufung vielleicht auch aus der Streuobstwiese Bauland geworden wäre. Die Antwort war: Nein, es ist Gartenland.“

Und so bewertet Kauke das vermeintliche Wertobjekt eher als unverkäuflich. Bleibt es bei der Steuerforderung, müsse er allein für die kommenden fünf Jahre mit Kosten in Höhe von 28.600 Euro rechnen, sagt er. Und: „Wer kauft denn auch etwas, das so nutzlos ist wie eine Streuobstwiese?“