Voreilig oder sogar vorbei am Willen der Bürger: Beim Thema Lebensmitteleinzelhandel sehen sich Bündnis 90/Die Grünen Kritik der politischen Mitbewerber ausgesetzt – die Stadtverwaltung um Bürgermeister Dirk Wigant allerdings auch.
Regenrückhaltung statt Supermarkt
Claudia Keuchel, Fraktionssprecherin der Grünen, hatte sich gegen eine weitere Einzelhandelsansiedlung in Massen ausgesprochen. Die Fläche an der Massener Bahnhofstraße, die dafür im Gespräch ist, solle besser für Regenrückhaltung genutzt werden, also zur Anpassung an Folgen des Klimawandels.
Prüfen, nicht direkt ablehnen
Er sei überrascht, entgegnet der FLU-Fraktionsvorsitzende Klaus Göldner, denn bisher liege kein Antrag eines potenziellen Investors etwa zur Einleitung eines Bebauungsplans für die Fläche vor. „Sollte ein solcher Antrag eingereicht werden, wird die FLU-Fraktion sorgfältig und ergebnisoffen zwischen den Interessen eines Investors, dem dokumentierten Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Unna-Massen zur Verbesserung der Einzelhandelssituation sowie den berechtigten Forderungen zur Verbesserung des Hochwasser- und Starkregenschutzes der betroffenen Bürgerinnen und Bürger abwägen“, schreibt Göldner.
SPD-Fraktionschef Sebastian Laaser ist der gleichen Auffassung. „Ein Antrag müsste erst einmal vernünftig geprüft werden. Wie man dahin kommt, das sofort zu negieren, erschließt sich mir nicht.“

Willen der Bürger nicht übergehen
„Der sogenannte Beteiligungsbürgermeister hatte für das Thema eine 30.000 Euro teure Umfrage machen lassen“, sagt Laaser. Er erinnert an eine professionell aufgezogene Meinungserhebung von 2021, die pro Neuansiedlung ausgegangen war. Er habe den Eindruck, so Laaser, die Stadt habe dann „das Thema nicht mit Nachdruck verfolgt“.
Dass die Bürger befragt wurden und ihr Wille dann nicht umgesetzt wurde, trage sicher zur Politikverdrossenheit bei, meint der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus-Dieter Bahn. Insbesondere auch für die Menschen in Massen-Nord wäre dieses Einzelhandelszentrum an der Bahnhofstraße wichtig. Viele aus dem Viertel führen zum Einkaufen nach Wickede oder Husen. „Das ist einfacher zu erreichen“, sagt Bahn. Also fließe nicht nur Kaufkraft aus Unna ab. Es würden auch mehr und weitere Wege mit dem Auto zurückgelegt. Dieses Argument müsse gerade den Grünen eigentlich einleuchten, so Bahn.
Ortsteil vital halten
Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Rudolf Fröhlich kritisiert die Bündnisgrünen, mit denen seine Fraktion einst eine politische Projektgemeinschaft gebildet hatte. Es sei „problematisch“, so Fröhlich, „wenn man den Willen des Bürgers vom Tisch fegt“. Er sei „nicht d‘accord mit dieser einseitigen Ausrichtung“.
Fröhlich appelliert, man müsse „strategisch denken“. Es müsse diskutiert werden, „wie wir einen Ortsteil vital erhalten“. Die Politik sollte dafür sorgen, dass Menschen auch langfristig im Stadtteil leben wollen. Und Massen brauche eben eine Verbesserung beim Einzelhandel.
CDU will Planung beschleunigen
Die von den Grünen aktuell aufgeworfene Sorge um den Hochwasserschutz in Massen greift die CDU-Fraktion nun ihrerseits auf, um eine Beschleunigung von Planungen anzustoßen. „Das Thema gehört in den Ausschuss für die Stadtbetriebe“, so Fröhlich. Planungen für Regenrückhaltebecken zum Schutz des Stadtteils Massen seien nicht von heute auf morgen umsetzbar. „Die Planung muss jetzt höchste Priorität bei den Stadtbetrieben bekommen“, so Fröhlich. Einen entsprechenden Antrag habe er bereits im Bürgermeisterbüro eingereicht.
Investoren hätten Hochwasserschutz geplant
Der Schutz vor Starkregenfolgen bringt FDP-Fraktionschef Bahn auch gedanklich zurück zum Höffner-Projekt. Bekanntlich hatte der Möbelhändler Höffner für seinen Logistik- beziehungsweise Servicestandort in Obermassen letztlich kein Baurecht bekommen, und Bündnis 90/Die Grünen waren die stärksten Gegner des Unternehmens gewesen. „Höffner hätte ein großes Auffangbecken für Niederschlag gebaut“, sagt Bahn. „Das hätte für Massen Entlastung gebracht.“ Auch für das Einzelhandelsprojekt an der Massener Bahnhofstraße, das bisher nicht zustande gekommen ist, wäre „alles in trockenen Tüchern gewesen“, sagt SPD-Ratsherr Michael Tietze. Der damalige Investor habe am Konzept für die Regenrückhaltung nachgebessert.
„Luft nach oben“
„Auch wir wünschen uns eine verbesserte Kommunikation der Stadtverwaltung in Bezug auf geplante Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser- und Starkregenfolgen“, so FLU-Chef Klaus Göldner in einer Stellungnahme. Kritik der Grünen-Fraktion an Bürgermeister Dirk Wigant und dem Verwaltungsvorstand schließe sich seine Fraktion an. Sie habe sich stets für das Konzept der Schwammstadt eingesetzt. Die Umsetzung dieses Konzepts durch die Stadt Unna schreite nur zögerlich voran, so Göldner. „Bei Starkregenvorsorge ist noch Luft nach oben“, bestätigt der SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Laaser. Mit dem Förderprojekt „KRIS“ geht die Stadt Unna dieses Thema an. Allerdings sei dieses auf einen Teil von Königsborn begrenzt, so Laaser.
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