
Florbela Dos Santos leidet an Post-Covid und verbringt deshalb viel Zeit zu Hause. Auf ihrem Balkon hat sich die Unnaerin eine kleine Oase eingerichtet. © Claudia Pott
„Du siehst gar nicht krank aus“ – Post-Covid und der Kampf gegen Vorurteile
Coronavirus
Die Unnaerin Florbela Dos Santos hat eine Post-Covid-Gruppe gegründet. Schnell war klar: Allen geht es ähnlich und alle bekommen Ähnliches zu hören. Dabei zeigen Zahlen, wie lange Betroffene leiden.
„Alle haben durch die Bank weg gesagt, dass sie viele blöde Nachfragen bekommen: Bist du wirklich krank oder hast du nur keine Lust auf die Arbeit? Du siehst gar nicht krank aus.“ Florbela Dos Santos aus Unna leidet an Post-Covid und hört solche Sätze immer wieder, auch ihr Arbeitgeber scheint ihre Krankheit nicht anzuerkennen.
Nun hat Dos Santos Gleichgesinnte gefunden, mit denen sie sich austauschen kann. „Allen geht es ähnlich“ berichtet die Unnaerin, die die neue Selbsthilfegruppe leitet. Nach einem öffentlichen Aufruf hätten sich sieben Menschen aus dem Kreis Unna gemeldet, die ebenfalls an Long- oder Post-Covid leiden.
Am vergangenen Dienstag traf sich die Gruppe zum ersten Mal, das nächste Treffen ist bereits geplant und soll am 30. August um 11 Uhr im Gesundheitshaus stattfinden. Wie Dos Santos erzählt, habe man sich erst einmal beschnuppert und die persönlichen Geschichten geteilt.
Die Gruppe sei bunt gemischt. Männer und Frauen im Alter zwischen 40 bis kurz vor der Rente seien dabei, so die Schirmherrin der Gruppe. Es gebe auch noch Kapazitäten für weitere Teilnehmer, die Gleichgesinnte suchen (Anmeldung über den Kreis Unna, selbsthilfe@kreis-unna.de.)
Gesundheitsexperten werden zu den Treffen eingeladen
Bei den nächsten Treffen sollen auch nach und nach Experten wie Physio- oder Ergotherapeuten eingeladen werden, die Tipps zum Umgang mit der Erkrankung geben können. Doch schon der Austausch untereinander tut den Betroffenen gut, wie Dos Santos selbst merkt. Hier wird sie ernst genommen. „Die Stimmung war recht gut, wir sind alle dankbar, dass es diese Gruppe jetzt gibt.“
Die Probleme, die Menschen, die an dieser Krankheit leiden, haben, reichen von körperlichen bis hin zu psychischen Leiden. Denn nicht selten wird die Erkrankung vom persönlichen Umfeld, aber auch vom Arbeitgeber nicht ernstgenommen, wie Dos Santos schildert.

Florbela Dos Santos hat mit Unterstützung des Kreises Unna eine Gruppe für Long- und Post-Covid-Betroffene gegründet. © Claudia Pott
Die Unnaerin fällt nun schon lange aus, erhält aber Mahnungen von ihrer Arbeitsstelle. „Es ist eben nicht der sichtbare Gips“, sagt Dos Santos, die darum kämpft, dass die Erkrankung als solche von mehr Menschen akzeptiert und ernstgenommen wird.
Wie lange werden Post-Covid-Erkrankte krankgeschrieben?
Sie ist sicher, dass viele Menschen, die an der Erkrankung leiden, Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen, weil sie so lange ausfallen. Zahlen, die das belegen könnten, liegen aber nicht vor: Wie die Arbeitsagentur auf Anfrage der Redaktion erklärt, werden Gesundheitsdaten bei der Erfassung einer Arbeitslosigkeit nicht gespeichert. Es würden darüber hinaus keine Rückmeldungen aus der Arbeitsvermittlung vorliegen, die die These untermauern, „es scheint sich also eher um Einzelfälle als um ein Massenphänomen zu handeln“, so die Vermutung der Pressestelle.
Die Frage, wie lange die Menschen nach einer Coronainfektion im Kreis Unna auf der Arbeitsstelle ausfallen, lässt sich indes schon ansatzweise beantworten – und zwar mit Hilfe der Krankenkassen, denen die Krankschreibungen der Arbeitnehmer vorliegen – und die ab der siebten Woche Krankengeld zahlen. Also dann, wenn die Erkrankten wirklich lange ausfallen.
Die Krankenkasse Knappschaft hat für den Kreis Unna ab 2021 bislang 111 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (105 Versicherte) für Post-Covid-Patienten ausgestellt, hiervon haben 24 Versicherte in 25 Fällen Krankengeld bekommen, fielen also länger aus.
Die Barmer teilt auf Anfrage mit, dass in NRW im vergangenen Jahr und im ersten Quartal dieses Jahres rund 1.100 Versicherte mit der Diagnose Post-Covid/Long Covid Krankengeld erhalten. „Bei 42 Prozent dauerte der Krankengeldbezug höchstens 30 Tage. 58 Prozent waren nach höchstens 60 Tagen Krankengeldbezug wieder arbeitsfähig. 18 Prozent hatten eine Krankengeldbezugsdauer von mehr als einem halben Jahr und vier Prozent von mehr als einem Jahr“, so die Krankenkasse.
Covid-Patienten fallen im Durchschnitt länger auf der Arbeit aus
Bei einer Langzeitauswertung des Wissenschaftlichen Institutes der AOK im vergangenen Jahr kam derweil heraus, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten, während eines Zeitraums von neun Monaten seit ihrer Klinikaufnahme im Durchschnitt mehr als zwei Monate an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben.

Die neue Selbsthilfegruppe mit Menschen, die an Long- und Post-Covid leiden, trifft sich im Gesundheitshaus Unna. Das nächste Treffen wird am 30. August um 11 Uhr stattfinden. (Anmeldung über den Kreis Unna, selbsthilfe@kreis-unna.de.) © Archiv
„Die etwa 2600 AOK-versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in die Langzeit-Auswertung einbezogen wurden, hatten innerhalb der betrachteten neun Monate seit der Krankenhausbehandlung wegen Covid-19 durchschnittlich 61,4 krankheitsbedingte Fehltage – und damit viermal so viele wie der Durchschnitt der Erwerbstätigen mit 15 Fehltagen“, heißt es in dem Bericht der AOK.
Die Ergebnisse zeigten, dass eine schwere Covid-19-Erkrankung auch mittel- und längerfristige Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten haben kann und dass diese Beschäftigten auch im weiteren zeitlichen Verlauf noch überdurchschnittlich lange an ihrem Arbeitsplatz fehlen.
„Nach unseren Auswertungen fehlen DAK-Versicherte mit der Diagnose Long-Covid durchschnittlich 199 Tage, das bezieht sich auf das Jahr 2021“, heißt es von der DAK. Im Jahr 2021 habe die DAK-Gesundheit unter ihren Versicherten in NRW im ganzen Jahr insgesamt 254 Neufälle mit Long-Covid-Bezug gezählt, bis einschließlich der 28. KW waren es 168 Neufälle. „2022 im selben Zeitraum 538 Neufälle. Demnach haben sich in den ersten sechs Monaten 2022 gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 die neuen Krankschreibungsfälle wegen Post-Covid-19 mehr als verdreifacht.“
Die Diagnose erfolgt anhand der Symptome
Das sind nur ein paar Daten und einigen Krankenkassen liegen hierzu noch keine konkreten Zahlen vor. Repräsentativ sind sie also freilich nicht. Und doch reichen die vorliegenden Antworten aus, um festzuhalten, dass eine Infektion mit dem Coronavirus in nicht wenigen Fällen nicht mit einer Erkältung oder einem gebrochenen Arm vergleichbar ist. Und, wie die Zahlen der DAK zeigen, nehmen die Fälle noch zu.
Es ist eine Krankheit für sich, die stärker und schwächer ausfallen kann – die aber bei Medizinern und Krankenkassen als „normale“ Krankheit betrachtet wird, wie die Antworten der Krankenkassen deutlich machen.
Die Bescheinigung einer AU oder von Krankengeld sei nicht komplizierter als bei anderen Krankheiten auch, geht daraus hervor. Für Ärzte ist es nur nicht immer so einfach, die Krankheit zu diagnostizieren: „Mediziner haben derzeit nur die Möglichkeit, Long-Covid anhand der Symptomatik zu diagnostizieren. Ein spezielles Testverfahren, zum Beispiel mit Patientenblut, gibt es nicht“, erklärt die IKK. Prinzipiell reiche auch bei dieser Erkrankung eine Krankschreibung durch den Arzt aus, erklärt die Krankenkasse.
Wie behandelt wird, entscheide der Arzt, der auch die Krankschreibung vornimmt und Therapien anordnen kann. Kurz gesagt: Post- und Long-Covid wird wie andere Krankheiten auch behandelt – auch wenn über sie noch viel geforscht und gelernt werden muss. Definitiv gehört zur Krankheit aber dazu, dass manche Betroffene mehrere Monate ausfallen – so wie zum Beispiel Florbela Dos Santos aus Unna, die eins ganz sicher nicht ist: allein.