
Florbela Dos Santos mit ihrem Kater Murphy. Die Unnaerin leidet an Post-Covid und möchte eine Selbsthilfegruppe für Betroffene in Unna gründen. Interessierte können sich beim Kreis Unna melden: Tel. (02303) 27 28 29; E-Mail selbsthilfe@kreis-unna.de. © Claudia Pott
Leben mit Post-Covid: „Ich war müde und dachte, es liegt an der Arbeit.“
Florbela Dos Santos (49)
Fast ein Jahr liegt die Coronainfektion von Florbela Dos Santos zurück, doch sie leidet noch darunter. Die Unnaerin spricht offen über die belastende Krankheit – die manche nicht einmal ernst nehmen.
„An guten Tagen gehe ich eine halbe Stunde in die Stadt, dann brauche ich eine Pause, bevor ich wieder zurückgehe. Danach ist der Tag für mich erledigt. Doch das sehen viele Menschen nicht. Sie sehen nicht, dass ich von 100 Prozent auf 10 Prozent zurückgefallen bin“, sagt die Unnaerin Florbela Dos Santos.
Dos Santos hat vor der Erkrankung nur 10 Minuten zu Fuß in die Innenstadt gebraucht. Doch die Zeiten sind erst einmal vorbei, denn Dos Santos leidet an Post-Covid – also der Stufe nach Long-Covid. Wer länger als zwölf Wochen mit den Folgen einer Coronainfektion zu kämpfen hat, habe nicht mehr Long- sondern Post-Covid, erklärt die 49-Jährige.
Dass sie sich infiziert hat, ist nun beinahe ein Jahr her. Ende August 2021 habe sie morgens noch einen negativen Coronatest gemacht und sei dann zur Arbeit gefahren. „Mir ging es dann plötzlich sehr schlecht, ich musste mich übergeben und mein Kreislauf ging hoch und runter“, erzählt Dos Santos.
Die Unnaerin sei dann in ein Krankenhaus gebracht worden, wo der Coronatest positiv war. „Man hat mir Blut abgenommen, um die Variante zu bestimmen. Es war Delta.“ Das sei noch immer die gefährlichste Mutation.
Am Abend habe sie wieder nach Hause gedurft, denn sie habe selbstständig atmen können. Zwei Wochen später sei sie dann wieder arbeiten gegangen. Der Test sei negativ gewesen und die Herzmuskelentzündung nicht so dramatisch. „Wegen Krankheitsausfällen habe ich dann rund 14 Stunden am Tag gearbeitet. Ich war müde und dachte, es liegt an der Arbeit.“
„Schon der Weg ins Bad war eine Odyssee“
Doch so war es nicht: Als sie Anfang Dezember wieder beinahe umkippte, wurde sie krankgeschrieben. „Ich dachte für zwei Wochen, aber nach 14 Tagen wurde es erst richtig schlimm“, schildert Dos Santos. Ihre Beine seien schwach gewesen, der Kreislauf habe verrückt gespielt. „Schon der Weg ins Bad war eine Odyssee. Danach musste ich mich erstmal hinlegen. Meine Kraft war weg.“
Es wurde nicht besser und im März kam Dos Santos in eine Reha. Zum Erschöpfungszustand kamen Depressionen hinzu – aber nicht nur wegen der Erkrankung. Ihr Arbeitgeber habe ihr angeraten zu kündigen und „die Position freizugeben“. Hinzu kam, dass manche Freunde und Bekannte sie nicht ernst genommen hätten – sie würde ja gar nicht krank aussehen.

Florbela Dos Santos hat früher viele Überstunden gemacht und als alleinerziehende Mutter zusätzlich den Haushalt erledigt. Corona entschleunigt ihr Leben – das hat für sie auch gute Seiten. © Claudia Pott
„Es ist eben kein gebrochenes Bein oder ein gebrochener Arm“, sagt Dos Santos. Wer sie an einem guten Morgen erlebe, sehe nicht, dass sie am Nachmittag erschöpft ist. Die alleinerziehende Mutter hat vor über einem Jahr neben ihrem Fulltime-Job den Haushalt geschmissen, ging einkaufen und kochte für ihren Sohn. „Jetzt geht an einem Tag entweder einkaufen oder kochen. Nicht beides“, schildert sie.
Ein schwacher Kreislauf, kognitive Beeinträchtigungen und nicht enden wollende Erschöpfung. „Ich bin zwar braun, weil ich viel auf dem Balkon sitze, aber ich habe trotzdem nicht viel vom Leben, das ist keine Lebensqualität“, sagt sie in Richtung jener, die behaupten, dass sie nicht ernsthaft krank sei. Und Corona-Leugnern feuert sie entgegen, dass diese froh darüber sein sollten, dass sie sich bislang nicht infiziert bzw. keine Folgeschäden davon getragen haben.
„Ich will nicht das Opfer dieser Krankheit sein“
Dos Santos hat ihr Selbstbewusstsein nicht verloren und dunkle Momente mittlerweile hinter sich gelassen. „Ich will nicht das Opfer dieser Krankheit sein und ich will auch kein Mitleid, denn das hilft mir nicht. Ich möchte die Krankheit besiegen“, sagt sie. Und das mit positiven Gefühlen statt emotionalem Druck, der nur noch mehr belastet.
Dos Santos wurde geraten, in Corona eine Chance zu sehen – und die 49-Jährige hat tatsächlich eine ganze Reihe von positiven Dingen gefunden, die ihr das vergangene Jahr gebracht hat. Sie genieße jetzt die kleinen Freuden des Lebens und lerne, wie wichtig sie sind. „Ich habe auf diesem Balkon in den vergangenen Jahren nie gesessen, weil ich nur gearbeitet habe. Jetzt genieße ich hier die Sonnenstrahlen, die für mich früher immer selbstverständlich da waren.“
Wertschätzung für ein Leben, in dem sie vor Corona nur funktioniert hat. Diese Wertschätzung ist das Gute, das Dos Santos hochzieht und sie durchhalten lässt, wenn es mal schlechtere Tage gibt, Abmahnungen vom Arbeitgeber hereinflattern oder sie sich fragt, wie sie die steigenden Kosten mit dem Krankengeld decken soll.
Selbsthilfegruppe für Menschen mit Long- und Post-Covid in Unna
Obwohl geschwächt, ist Dos Santos noch immer eine starke Frau, die weiter an Stärke gewinnen möchte, um Post-Covid zu besiegen. Am liebsten würde sie diesen Kampf mit Gleichgesinnten bestreiten, denen es geht wie ihr.
Da es in Unna noch keine Selbsthilfegruppe gibt, will Dos Santos mit Unterstützung der Kreis Unna eine Gruppe gründen, in der Betroffene geschützt über ihre Erfahrungen sprechen und sich gegenseitig Tipps geben können. Auch Experten wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Co. sollen zu Wort kommen, die Kontakte bestehen laut Dos Santos bereits.
Die 49-Jährige betont, dass es keine Gruppe werden soll, in der gejammert wird, sondern Treffen, bei denen jeder im geschützten Raum offen reden kann und sich wahr- und ernstgenommen fühlt. Dos Santos wäre die Schirmherrin der Selbsthilfegruppe, die Organisation würde der Kreis Unna übernehmen. Interessierte melden sich bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (Margret Voß): Tel. (02303) 27-28 29; E-Mail selbsthilfe@kreis-unna.de.