Der Hunger nach dem Lebensmittel Kunst war riesengroß
Mit Video: KunstOrtUnna
Der „KunstOrtUnna“ lockte drei Tage lang an 23 oft außergewöhnliche Orte. Dass Kunst ein Lebensmittel für Geist und Seele ist, bewies eine riesige Resonanz, die die Galerien und Ateliers erlebten.

Ein Abrisshaus als Kunstort: Nicole Noä und Friedrike Mühlbauer (l. und 2.v.l.) mussten erfinderisch sein, um in Corona-Zeiten einen geeigneten Ausstellungsraum zu finden. Die Organisatorinnen Lina Frubrich (3.v.l.) und Franka Burde konnten ein positives Fazit unter KunstOrtUnna 2021 ziehen. © Marcus Land
Schlangen bildeten sich zeitweise vor den einzelnen Kunstorten, die von Freitag bis Sonntag ihre Türen wieder für Besucher öffnen durften – wer 3G umgehen wollte, verlegte seine Ausstellung gleich ganz ins Freie.
Begonnen hatten das Organisationsteam um Lina Frubrich 2017 mit einem einzigen Ateliertag. Die Idee, die Akteure der lebendigen Kunstszene in der Kreisstadt untereinander zu vernetzen, ging auf Anhieb auf.
Daher wollten die Künstler und Galeristen, die Ateliers, Museen und Manufakturen die dritte Auflage von KunstOrtUnna auch nicht missen – auch wenn die Pandemie die ein oder andere hohe Hürde, etwa beim Einlass, setzte.
„Die persönlichen Gespräche haben sehr gefehlt“, sagt Lina Frubrich, die von ihrem Wohnort Leipzig aus das Kunst-Event erneut, diesmal gemeinsam mit Franka Burde, auf die Beine stellte.
Künstler riefen sich in Erinnerung
Man habe an den drei Tagen förmlich erspüren können, wie sich die Betrachter viel intensiver als vor der Pandemie mit den ausgestellten Objekten auseinandersetzten, Fragen nach Material, Motiv und Werkprozess stellten.
Kunst als eine Art lebenswichtiges Nahrungsmittel also, das eineinhalb Jahre entbehrt werden musste. „Die Besucher sind froh, dass sie Kunst sehen und erleben können“, bringt es Künstlerin Franka Burde auf den Punkt.

Die Fleckenbroschen von Goldschmiedin Birgit Okulla sind einfach wie genial. Mit einem Magneten lassen sich die Schmuckstücke über einen echten Fleck platzieren und machen so ein Ups! zu einen Wow! © Schmidt
Auf der anderen Seite war Corona auch für die Schaffenden eine harte Prüfung, denn Ruhm allein ernährt den Künstler nicht. Online aber ist Kontakt zur Kunst nur schwer vermittelbar. Also erfand man sich ein Stück weit neu.
Bereits in den vergangenen Monaten hatten manche Kreative öffentliche Orte als Ausstellungsraum gesucht, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Auch der Kunstrundgang 2021 stand unter dieser Herausforderung.

An der Klosterstraße 69 wurde ein Haus zum Gesamtkunstwerk. Nicole Noä zeigt hier Besucherin Nadja Koerdt, wie sie sich das Zimmer von Schriftstellerin Hilde Domin vorgestellt hat. © Schmidt
Und so gab es neue, außergewöhnliche, aber coronakonforme Ausstellungsräume beim KunstOrtUnna, etwa ein Wohnhaus in der Klosterstraße, das dem Abriss geweiht ist, aber für Friederike Mühlbauer und Nicole Noä noch als Galerie dienen durfte.
Das ganze Haus wurde förmlich zum Kunstobjekt. Nicole Noä hat sich mit dem Werk und dem Leben der Schriftstellerin Hilde Domin befasst und ihr ein Zimmer in dem Haus eingerichtet.

Ein Bett und eine Schreibmaschine, mehr braucht eine Schriftstellerin eigentlich nicht. © Schmidt
„Ich habe mich ganz besonders mit einem Gedicht von Hilde Domin beschäftigt, das auch hier an der Wand steht. Dazu habe ich versucht den Eindruck zu vermitteln, als sei sie hier zu Hause gewesen, also sozusagen gerade aufgestanden“, erklärte Noä Besucherin Nadja Koerdt, die nicht nur von der Idee Kunstorte, sondern auch von der Umsetzung im Haus als Gesamtkunstwerk überzeugt ist.

Wolfgang Patzkowsky führte in die Geschichte des bedeutenden Buhre-Hauses ein und freute sich, die Astra-Ausstellung dort weiter zeigen zu können. © Schmidt
Am Buhre Haus wartete Wolfgang Patzkowsky stilecht im Astra-Shirt und erklärte nicht nur, warum das Haus in Unna so eine bedeutende Geschichte hat, sondern auch mit ganz viel Tiefenkenntnis der Materie, was es mit der Astra-Ausstellung auf sich hat. „Wir haben - dank Corona muss man sagen - das Glück, dass wir die Astra-Ausstellung, die eigentlich schon vorbei sein sollte, auch noch jetzt zeigen können“, erklärt Patzkowsky.
„Reset“ als Leitmotiv für alle Kunstorte
„Reset“, also Neustart, war nicht ohne Grund das Leitmotiv der Kunstorte. Es ist an der Zeit, dass Kulturschaffende und Kulturinteressierte einen Neustart nach Corona machen und sich wieder näherkommen. Besser und unmittelbarer als an diesem Wochenende könnte man es sich nicht vorstellen.