Ist Christoph Tetzner ein politisch engagierter Unnaer oder eher ein Auswanderer mit Lebensmittelpunkt in Griechenland, der seine Aufwandsentschädigungen aus der Stadtkasse zu Unrecht empfängt? Das ist - zugespitzt - die Frage, um die es in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geht.

© privat

Gerechtigkeit, Geld und Stimmgewicht: Darum geht es im Fall Tetzner

dzPolitik

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Ratsherr Christoph Tetzner wirklich noch ein Unnaer ist. Die Frage ist keinesfalls nebensächlich, denn ihre Antwort zöge einige Konsequenzen nach sich. Ein Überblick.

Unna

, 18.03.2022, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Dass Ratsherr Christoph Tetzner viel Zeit in Griechenland verbringt, macht ihn verdächtig. Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt mit dem Verdacht der Wählertäuschung. Ob der Vorwurf begründet ist, ist offen. Sollte er es tatsächlich sein, drohen Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen.

Worum geht es in den Ermittlungen?

Kurz vor der Kommunalwahl 2020 verlor Christoph Tetzner seine Wohnung in der Innenstadt und somit die Meldeadresse in Unna. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Tetzner in Griechenland auf und die pandemiebedingten Reisebeschränkungen erschwerten eine Rückkehr in die Heimat. Eine befreundete Familie stellte Tetzner eine Wohnungsgeberbescheinigung aus, mit der Tetzner eine neue Meldeadresse in Unna bekam. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob Tetzner wirklich im Haus seiner Freunde wohnt oder dies nur vorgetäuscht hat. Dazu hat es im Februar sogar eine Hausdurchsuchung gegeben.

Jetzt lesen

Was wäre daran problematisch?

Von der Frage, ob Tetzner wirklich ein Unnaer ist oder seinen Lebensmittelpunkt in Griechenland hat, hängt seine Wählbarkeit ab. Wählen und gewählt werden darf laut Kommunalwahlgesetz NRW, wer „mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat“. Wer nach seiner Wahl fortzieht, muss ein bereits angetretenes Mandat abgeben. Sollte Tetzner kein Unnaer mehr sein, dürfte er auch kein Mitglied des Rates mehr sein.

Jetzt lesen

Darüber hinaus könnte der Fall eine strafrechtliche Dimension haben. In Paragraf 107b des Strafgesetzbuches heißt es: „Wer (...) sich als Bewerber für eine Wahl aufstellen läßt, obwohl er nicht wählbar ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“

Was droht Tetzner?

Ob Tetzners Meldeanschrift als Wohnsitz anerkannt wird oder nicht, ist die erste Frage, die es zu klären gilt, und zurzeit ist die Antwort nicht abzusehen. Sollte er aber tatsächlich kein Unnaer mehr sein, würde ihm unmittelbar das Ratsmandat aberkannt.

Damit würde er auch die Bezüge verlieren, die ihm zurzeit als Aufwandsentschädigung gezahlt werden. Aktuell erhält ein einfaches Ratsmitglied nach Vorgaben der NRW-Entschädigungsverordnung 420 Euro monatlich.

Jetzt lesen

Darüber hinaus dürfte eine Rückforderung der bereits gezahlten Aufwandsentschädigungen von der Stadtverwaltung zumindest geprüft werden.

Ob Tetzner auch strafrechtlich belangt wird und ihm das Strafmaß auf Paragraf 107b droht, hängt von einer weiteren Frage ab: Man müsste ihm Vorsatz nachweisen können.

Welche Auswirkungen hätte das politisch?

Nach einem Ausscheiden Tetzners aus dem Stadtrat würde sein Mandat neu vergeben. Da Tetzner über die Reserveliste von „Wir für Unna“ in den Rat gelangt war, würde auch der Nachrücker von dieser Liste kommen. Als erstes würde das Rathaus Wolfgang Ahlers fragen, ob er den Sitz im Rat annimmt.

Wolfgang Ahlers steht auf der Reserveliste von „Wir für Unna“ einen Platz hinter Christoph Tetzner. Er wäre somit der erste Nachrücker für den Fall, dass Tetzner das Ratsmandat aberkannt wird.

Wolfgang Ahlers steht auf der Reserveliste von „Wir für Unna“ einen Platz hinter Christoph Tetzner. Er wäre somit der erste Nachrücker für den Fall, dass Tetzner das Ratsmandat aberkannt wird. © Lutz Kampert

Damit würde im Rat eine Abweichung vom Wahlergebnis aufgehoben. Denn Tetzner hatte sich bereits kurz nach der Kommunalwahl 2020 mit seinen Mitstreiterinnen bei WfU überworfen, um dann mit Petra Weber von der Linken die Fraktion „Linke plus“ zu gründen. Löst nun Ahlers Christoph Tetzner ab, hätte die WfU-Fraktion erstmals die vom Wähler gewährte Fraktionsstärke von vier Stimmen.

Petra Weber ist unstrittig Ratsfrau der Partei „Die Linke“. Verliert Christoph Tetzner seinen Sitz im Rat, wäre auch die gemeinsame Fraktion „Linke plus“ Geschichte. Denn Tetzner war als Listen-Kandidat von Wir für Unna in den Rat gekommen, würde daher auch von einem WfU-Mitglied ersetzt.

Petra Weber ist unstrittig Ratsfrau der Partei „Die Linke“. Verliert Christoph Tetzner seinen Sitz im Rat, wäre auch die gemeinsame Fraktion „Linke plus“ Geschichte. Denn Tetzner war als Listen-Kandidat von Wir für Unna in den Rat gekommen, würde daher auch von einem WfU-Mitglied ersetzt. © Die Linke

„Linke plus“ würde den Fraktionsstatus und damit auch die Zuwendungen für die Geschäftsführung der Fraktion verlieren. Für die Stadtkasse hätte dies einen Spareffekt in Höhe von 12.800 Euro pro Jahr. Die Frage nach etwaigen Rückforderungen für die zurückliegenden Monate seit der Wahl dürfte eine ausgesprochen schwierige sein und in dieser Konstellation zum ersten Mal überhaupt gestellt werden.

Jetzt lesen

Welche Aussichten gibt es in dem Verfahren?

Der Ausgang von Strafverfahren lässt sich selten belastbar vorhersagen. Eher lässt sich der mögliche Ablauf skizzieren. Aktuell laufen noch Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Dabei muss nun auch Tetzner selbst Gehör gegeben werden. Wie er sich zu den Vorwürfen äußern wird, ist noch nicht bekannt. Nach Abschluss aller Ermittlungen muss sich die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie das Verfahren einstellt oder Anklage erhebt.

Eine Verfahrenseinstellung wird oft als „Freispruch light“ bezeichnet: Tetzners Unschuld wäre zwar nicht gesondert bewiesen, seine Schuld aber eben auch nicht. Rechtlich bliebe die Sache für ihn folgenlos. Ob sie ihn politisch beschädigt, ist Ansichtssache.

Bei einer Anklage würde sich ein Gericht mit dem Sachverhalt beschäftigen - wieder mit den Optionen Schuldspruch, Freispruch, Einstellung. Wie realistisch welche Szenarien sind, ist Kaffeesatzleserei.

Jetzt lesen

Schlagworte: