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Prinzip Home Office: So klappt Unnaer Lokalpolitik aus Griechenland
Politik
Zwischen Christoph Tetzner und dem Ratssaal in Unna liegen meist mehr als drei Flugstunden. Wie funktioniert Politik auf Distanz? In der Pandemie recht gut, erklärt seine Fraktionspartnerin.
Man sollte annehmen, dass Christoph Tetzner seiner Ratsfraktion fehlt, wenn er sich gerade in Griechenland aufhält. Tatsächlich aber falle die Abwesenheit des Mitstreiters kaum ins Gewicht, erklärt die „Linke plus“-Fraktionschefin Petra Weber. Man habe Wege gefunden, die Distanz zu überbrücken.
Während die Staatsanwaltschaft prüft, ob Christoph Tetzner überhaupt noch die Voraussetzungen für ein Ratsmandat in Unna erfüllt, zeigt Petra Weber auf, in welcher Form Tetzner dieses Mandat trotz Abwesenheit ausfüllt. Die Pandemie leistete der kleinen Fraktion dabei in gewisser Weise auch Hilfe.
Zwar waren es am Anfang gerade die coronabedingten Reisbeschränkungen, mit denen Tetzner die Probleme einer Rückkehr nach Unna erklärte, doch im Gegenzug sorgte Corona eben auch dafür, dass die Gesellschaft Strategien fand, ohne persönliches Zusammentreffen von Menschen zu funktionieren.
Die „Linke plus“ machte eine Art Fraktionsarbeit aus dem Home Office. Dabei war es dann völlig unerheblich, wo genau die Mitglieder mit ihren PCs, Tablets oder Smartphones saßen. Und schlechtes Internet gibt es ja auch in Teilen Unnas.

Petra Weber bildet zusammen mit Christoph Tetzner die Ratsfraktion „Linke plus“. Die Abstimmung mit ihrem Fraktionspartner funktioniere recht gut auch über die Distanz, erklärt sie. © Die Linke
„Wir haben Fraktionssitzungen per Videokonferenz gemacht, praktisch täglich telefoniert“, blickt Petra Weber auf die Fraktionsarbeit der zurückliegenden Monate zurück. Zunächst seien sie, Tetzner und die sachkundigen Bürger ausschließlich im virtuellen Raum zusammengekommen.
Später, als Corona dies zuließ, habe es auch Mischformen gegeben, also Begegnungen in Präsenz mit einem aus Griechenland zugeschalteten Tetzner.
Was die inhaltliche Dimension ihrer Politik betrifft, sei die räumliche Ferne Tetzners ohne Auswirkungen geblieben, bekräftigt Petra Weber. „Er war immer beteiligt. Wir haben Anträge miteinander abgestimmt und zuletzt zum Beispiel auch den Text für das Abstimmungsheft zum Bürgerentscheid.“
Was Tetzner über die Distanz nicht habe leisten können, war das Mitwirken an den Sitzungen der politischen Gremien. Denn für sie sind virtuelle oder semi-virtuelle Runden noch nicht vorgesehen. So fehlten der „Linke plus“-Fraktion ein markanter Wortführer – und bei Abstimmungen eine Stimme.
Eine Stimme mehr bringt „Linke plus“ auch keine Durchsetzungskraft
Dass auch letzteres für die Fraktion durchaus zu verschmerzen sei, mag vielleicht überraschen. Doch Petra Webers Erklärungen dafür wirken schlüssig: Zu Beginn der Pandemie hatte der Rat seine Befugnisse an den kleineren Haupt- und Finanzausschuss delegiert, damit Sitzungen in kleinerer Runde stattfinden können. Und im HFA habe die „Linke plus“-Fraktion ohnehin nur einen Sitz. Darüber hinaus muss Weber einräumen, dass es für die politische Entscheidungsfindung in Unna eher unerheblich ist, ob ihre Fraktion nur eine oder beide Stimmen aufbieten kann.
Das habe etwas mit den Mehrheitsverhältnissen im Rat seit der Kommunalwahl 2020 zu tun. Völlige Fraktionsdisziplin vorausgesetzt entstehen einfache Mehrheiten im Rat der Stadt nur dann, wenn sich zwei der drei großen Fraktionen von CDU, SPD und Grünen einig sind.
Die Allianz aus einer großen mit WfU, FLU, FDP und Linke plus hingegen reicht rechnerisch nicht aus. „Früher hat es Situationen gegeben, in denen wir das Zünglein an der Waage seien konnten“, sagt Petra Weber. „Das ist zurzeit nicht mehr der Fall.“
Es steckt viel Tetzner in den Äußerungen von „Linke plus“
Und so liege die Chance der Linken wie auch die der anderen Kleinfraktionen darin, inhaltlich zu überzeugen – im Idealfall die größeren Fraktionen, zumindest aber die Öffentlichkeit. Dies allerdings gelinge auch über längere Distanzen. Wenn die „Linke plus“-Fraktion in Unna einen Antrag stellt, eine Stellungnahme veröffentlicht oder Petra Weber in Rats- oder Ausschusssitzungen das Wort ergreift, seien Beratungen in der Fraktion vorausgegangen. Und so steckt in Unnas Lokalpolitik oft auch ein Gedankengang aus Griechenland.
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
