Tafel Fröndenberg
Tafel-Chef Potthoff übt erneut Kritik an Abgeordneten – Hüppe kontert
Die Lage bei der Fröndenberger Tafel treiben Kurt Potthoff Sorgenfalten auf die Stirn. Er nimmt die Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe und Michael Sacher ins Visier – von denen gibt es Widerspruch.
„Es ist eigentlich unfassbar, was wir hier leisten“, sagt Kurt Potthoff. Er ist Vorsitzender der Tafel Fröndenberg. Die Anzahl der Bedürftigen, die sein Verein versorgt, hat sich verzehnfacht. Hilfe aus der Politik gebe es trotzdem keine. Das und die Angst vor der Schließung verleiten Potthoff zu deutlichen Worten – die nicht ohne Reaktion bleiben.
Rund 40 Bedürftige habe die Tafel versorgt, als sie sich 2020 von der Tafel Unna losgelöst hatte. Bald durchbricht sie die Marke von 400 bedürftigen Personen pro Woche.
„Die Verzehnfachung kommt im Grunde durch den Krieg in der Ukraine“, sagt Potthoff. In der Tat sind es vor allem osteuropäische Sprachfetzen, die man am Freitag während der Essensausgabe aufschnappt.
Großer Andrang bei der Tafel Fröndenberg
Schon eine halbe Stunde, bevor die ehrenamtlichen Helfer die Ausgabe eröffnen, drängen sich die Kunden, wie die Bedürftigen bei der Tafel heißen, eng um den Eingang. Gleich gibt Potthoff die Wartemarken aus.
Über 40 sind es am Ende der Ausgabe. Die vergleichsweise niedrige Zahl darf aber nicht hinwegtäuschen über die eigentliche Anzahl der Menschen, die die Tafel versorgt. Auf dem Tafel-Ausweis, für den laut Tafel-Dachverband ein Wohngeldbescheid ausreicht, sind auch die Familienangehörigen vermerkt. Das bedeutet: Ein einzelner Kunde darf auch Lebensmittel für seine Familie mitnehmen.
Die Wartemarken für die Lebensmittel-Ausgabe sind hart umkämpft. Viele Bedürftige kommen deutlich vor Beginn der Ausgabe. © Timo Janisch
Viele ältere Kunden kämen schon gar nicht mehr. Die Menschen-Masse vor der Tür, die lange Wartezeit – das schrecke ab. „Wir haben im Moment noch keinen Ansatz, wie wir die wieder erreichen“, sagt Potthoff.
Hinzu kommt „ein gewisser Scham, sich zu outen, dass man Tafel-Kunde ist“, sagt Barbara Stein-Rossberg von der Fröndenberger Tafel. Und in der Tat: Als Potthoff für Fotos posiert, ziehen einige Bedürftige sofort die Kapuze über. Als Tafel-Gänger erkannt werden möchte niemand.
Die beiden Tafel-Ehrenamtler sind allerdings weit davon entfernt, die ukrainischen Flüchtlinge als Problem zu bezeichnen. Die sind als Sozialhilfe-Empfänger als Bedürftige anerkannt. Rund 100 Stück versorgen sie pro Ausgabe.
Stein-Rossberg nickt. Auch untereinander berichteten sich die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchteten von der Tafel als Versorgungshilfe. Das führte aber auch dazu, dass die Fröndenberger schon bedürftige Flüchtlinge aus Menden oder Werl abweisen musste.
Tafel Fröndenberg: Kurt Potthoff befürchtet „Teufelskreis“
„Aber auch die Zahl unserer Stammkunden wächst und wächst“, sagt Kurt Potthoff. Energiepreise und die allgemeine Inflation – es sind die gängigen Schlagworte, die auch der Tafel zusetzen. „Was in Deutschland läuft, spiegelt sich hier wieder“, so Potthoff. 30 bis 50 Bedürftige aus dem „eigenen Klientel“ versorge seine Einrichtung pro Ausgabe – ansteigend mit dem Monatsverlauf.
Die Tafel Fröndenberg befindet sich dabei in einer besonders verzwickten Lage: Aufgrund der steigenden Kosten erwartet sie einen weiter anhaltenden Anstieg der Bedürftigen – während aus gleichem Grund die Spendenmasse abnehmen dürfte.
Einen „Teufelskreis“ nennt Potthoff das. Der überwiegende Anteil der Spenden gehe durch Privatpersonen ein, auch Supermärkte und kirchliche Einrichtungen helfen. Anforderungen gibt es keine. „Es geht eigentlich alles“, sagt Potthoff – auch spontan zur Essenausgabe mit einer Spende vorbeikommen.
Auch 50 Minuten nach Ausgabe der ersten Warte-Marke herrscht vor der Tafel Fröndenberg ein reger Betrieb. © Timo Janisch
Viel Gemüse, etwas Obst, Brotlaibe und einige wenige Milchprodukte liegen in den grünen Kisten in der Ablage. „Wenn wir durch sind, ist das weg“, sagt Potthoff.
Die Sorge davor, dass es noch viel schlimmer wird als aktuell, ist bei den Tafel-Ehrenamtlern groß. Potthoff fürchtet bedürftige Menschen, deren Einkommen aber zu hoch ist, um einen Tafel-Ausweis zu erhalten. Doch nicht nur das.
Die Frage nach dem vorstellbaren Worst-Case beantwortet er ungefiltert. „Dass wir schließen müssen“, sagt Potthoff. Seine Kunden berichten ihm, dass sie Angst vor Hunger und Kälte hätten. „Unsere Kunden sind sowas von verängstigt. Sie wissen eigentlich gar nicht, wie sie den Monat überstehen sollen“, sagt der Vorsitzende. Rossberg-Stein befürchtet, „dass wir keine Waren haben und unheimlich viele Leute vor der Tür stehen, die Bedarf haben“.
Hilfe müsse von der Politik kommen, so Potthoff, selbst SPD-Mitglied und Ratsherr – allerdings in der SWFG-Fraktion. Doch die Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Unna I, zu dem Fröndenberg zählt, ließen die Tafel im Regen stehen – so sagt es der Tafel-Chef.
Kurt Potthoff kritisiert Hubert Hüppe und Michael Sacher
Bereits Mitte September hatte Potthoff sich im Gespräch mit dieser Redaktion an die drei Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD), Hubert Hüppe (CDU) und Michael Sacher (Bündnis 90/Die Grünen) gewendet. Doch eine positive Reaktion habe es nur von Kaczmarek gegen. Der hatte Potthoff angerufen und Bereitschaft zu einem Ortstermin signalisiert.
Von Hüppe und Sacher habe es zwar ein Gesprächsangebot gegeben – aber nur, wenn Potthoff nach Berlin reise, so der Tafel-Vorsitzende. Das erzürnt diesen. „Die haben es nicht einmal nötig, mal selber zu gucken. Und ich werde einen Deibel tun, einen Weg zu suchen, zu denen zu kommen. Die haben gefälligst hier aufzukreuzen. Dazu sind sie gewählt.“
Deutliche Worte, denen Hubert Hüppe ebenso deutlich widerspricht. Der Bundestagsabgeordnete sagte auf Anfrage dieser Redaktion, dass Kurt Potthoff nie Kontakt mit ihm aufgenommen habe.
Der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe widerspricht Kurt Potthoff. © Stefan Milk
Hüppe verweist auf seine Aussage in der vorherigen Berichterstattung dieser Redaktion: „Als Bundestagsabgeordneter für die Menschen im Kreis Unna bin ich auf allen Kanälen auch für Einzelpersonen ansprechbar. Dieses Angebot gilt natürlich auch für die Tafel in Fröndenberg.“ Der Politiker erklärt: „Natürlich galt mein Angebot für den Besuch in Fröndenberg und nicht in Berlin.“
Hubert Hüppe: „Niemand aus meinem Wahlkreis muss nach Berlin kommen“
Hüppe ist es ein Anliegen, zu betonen: „Niemand aus meinem Wahlkreis muss nach Berlin kommen, um mit mir zu reden.“ In der Vergangenheit habe er sogar schon die Fröndenberger Tafel besucht, so der 65-Jährige. Das sei zwar schon länger her, allerdings seien in der Corona-Zeit kaum Besuche von Einrichtungen möglich gewesen. Zuletzt seien zudem vier der vergangenen fünf Wochen Sitzungswochen in Berlin gewesen.
Wie Hüppe sagt, sei sein Einfluss zugunsten der Tafel eher gering. „Die Probleme, die die Tafeln haben, haben alle“, sagt das Mitglied des Bundestages. Dort versuche er, die Situation aus der Opposition heraus zu verbessern. Hüppe betont: „Einen Zuschuss, um Lebensmittel einzukaufen, werde ich nicht unterstützen.“
Immerhin: Nun besteht ein direkter Kontakt zwischen Hüppe und Potthoff. Der Politiker habe den Tafel-Vorsitzenden angerufen. Ein Ortstermin sei für den 15. November geplant.
Der Bundestagsabgeordnete Michael Sacher (Bündnis 90/Die Grünen) wollte sich nicht öffentlich zu den Aussagen von Kurt Potthoff äußert. Stattdessen wolle er das persönliche Gespräch zu Potthoff suchen, hieß es es aus Sachers Wahlkreisbüro.
Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.
Jetzt kostenfrei registrieren
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie HA+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie HA+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.