
© Udo Hennes
Baurecht lässt Unternehmer samt Gewerbesteuer aus Fröndenberg flüchten
Wirtschaft
Der Unternehmer Pascal Madiwe wäre Fröndenberg gern treu geblieben, wollte seinen Betrieb sogar vergrößern. Barrieren des Baurechts haben ihn nun nach Menden vertrieben – mit ihm nicht wenig Gewerbesteuer.
Das hätte sich der 38-Jährige einfacher vorgestellt: Mit seinem Vertriebsbüro wollte Pascal Madiwe künftig präsenter sein und ein leer stehendes Ladenlokal in der Innenstadt anmieten. Doch dadurch wären hohe Kosten entstanden.
Das Geschäftslokal an der Karl-Wildschütz-Straße hat wie viele Altbauten eine Treppe zum Hauseingang. Nach dem Willen der Bauverwaltung des Kreises Unna hätte der Hauseigentümer den Zugang zunächst barrierefrei umgestalten, also zum Beispiel eine Rampe für Rollstuhlfahrer errichten müssen.
Barrierefreiheit muss gewährleistet werden
Grund: Richtete Pascal Madiwe die Räumlichkeiten, in denen zuletzt kurzzeitig eine Heilpraktikerschule untergebracht war, als B2B-Kundenbüro ein, handelte es sich nach dem Baurecht um eine sogenannte Nutzungsänderung.
Dafür ist eine Genehmigung erforderlich – diese wird aber nur erteilt, wenn die aktuell geltenden Bauvorschriften eingehalten werden. Schallschutz, Brandschutz oder Barrierefreiheit sind bei alten Gebäuden aber oft überholt.
Wie in diesem Fall die Treppen vor dem Hauseingang. Der Hauseigentümer habe nicht so viel Geld in den nötigen Umbau investieren wollen, zumal er bislang auch ohne Nutzungsänderung habe vermieten können, erzählt Pascal Madiwe.
Dem verhinderten Vermieter macht der Selbstständige, der Lagertechnik für Unternehmen konzipiert, auch überhaupt keinen Vorwurf. Verstehen kann Madiwe aber nicht, warum es überhaupt einer Nutzungsänderung bedürfen soll. Seines Wissens hätte sich zum Beispiel ein Fotostudio ohne Weiteres einmieten können.
Unternehmen wächst und soll sichtbarer werden
Hin und wieder empfängt Madiwe in seinem Vertriebsbüro, das bislang noch in seinem Privathaus auf der Hohenheide angesiedelt ist, Kunden, für deren Betriebshallen er zum Beispiel Regalsysteme plant.
Weil sein Unternehmen wächst, er zu den bisherigen drei Mitarbeitern demnächst weitere einstellen will, strebt er einen zentraleren Standort an, um in der Stadt sichtbarer zu sein, auch um sich besser mit dem übrigen Handel und Gewerbe vernetzen zu können.
Alternativ gebe es zwar auf der Alleestraße noch das ein oder andere freie Ladenlokal. Die wie er findet zum Teil wenig einladend wirkenden Immobilien sagten ihm allerdings als repräsentativer Standort nicht zu.
Hauseigentümer klagen über Nutzungsänderung
Pascal Madiwes Problem, dass von der Bauaufsicht beim Kreis geforderte Umbauten eine Neuvermietung von Ladenlokalen verhindern, ist kein Einzelfall. Hauseigentümer berichteten dieser Redaktion bereits in der Vergangenheit von erfolgreichen Mietergesprächen, die letztlich am Baurecht scheiterten. „Das Problem sind nicht die fehlenden Interessenten“, sagt eine Vermieterin.
Der Kreisverwaltung liegen Fragen unserer Redaktion zum Problem der Nutzungsänderung vor.
Pascal Madiwe, gebürtiger Mendener, hat in dieser Woche nun einen Mietvertrag in der Nachbarstadt unterschrieben. Fröndenberg gehe damit nicht nur ein kleines Unternehmen von der Fahne. Denn schließlich mache er einen hohen sechsstelligen Umsatz, verrät der zweifache Familienvater.
„Ich zahle viel Gewerbesteuer an die Stadt“, sagt er. Das hätte er auch weiterhin gern in Fröndenberg gemacht. „Meine Kinder gehen hier zur Schule und in den Sportverein, ich bin bei den Schützen“, erklärt Madiwe – das hätte für ihn einfach gut gepasst: wohnen, leben und arbeiten in der Wahlheimat.
Zuschussprogramme nicht für Vertriebsbüro
- Aus den Mietzuschussprogrammen von Stadt Fröndenberg und Land NRW hätte Pascal Madiwe keine Förderung erhalten. Der Unternehmer zeigt sich auch darüber enttäuscht.
- Madiwe hatte sich über zwei Förderungen informiert. Das Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020 (Land NRW) und das Mietzuschussprogramm der Stadt Fröndenberg.
- Eine „intensive Prüfung des Sachverhalts führte leider nicht zu einer Förderzusage“, lässt die Stadtverwaltung auf Nachfrage wissen. Das Vertriebsbüro passe unter keines der beiden Programme.
- Der Landesfonds fördere beispielsweise Start-ups im Einzelhandel oder in der Gastronomie, Showrooms des regionalen Online-Handels, Lieferservice und Verteilstationen, auch Dienstleister mit Publikumsverkehr, landwirtschaftlichen Direktverkauf oder Kinderbetreuung.
- Es gehe dabei um die Lebendigkeit und den Einkaufsgenuss und die hohe Verweildauer einer Innenstadt bzw. des „Konzentrationsbereiches“. Diese Förderziele würden durch ein Vertriebsbüro nicht erreicht.
- Das städtische Programm wiederum fördert Ansiedlungen aus den Branchen Einzelhandel, Handwerk und Dienstleistung. Die Versorgungsfunktion für die Bevölkerung sei damit angesprochen, nicht der geschäftliche Bereich, erläutert die Verwaltung.
- Pascal Madiwe findet, dass er immerhin einen Leerstand beseitigt hätte und es am Rande der Innenstadt, wie im östlichen Teil der Karl-Wildschütz-Straße, ohnehin Betriebe ohne wesentlichen Publikumsverkehr gebe.
Geboren 1972 in Schwerte. Leidenschaftlicher Ruhrtaler. Mag die bodenständigen Westfalen. Jurist mit vielen Interessen. Seit mehr als 25 Jahren begeistert an lokalen Themen.
