Minderheiten mit einseitigem Blickwinkel bekämen in der Berichterstattung zu breiten Raum, beklagt Bürgermeister Dirk Wigant. Unna müsse aufpassen, dass die Stadt nicht schlechtgeredet wird.

Minderheiten mit einseitigem Blickwinkel bekämen in der Berichterstattung zu breiten Raum, beklagt Bürgermeister Dirk Wigant. Unna müsse aufpassen, dass die Stadt nicht schlechtgeredet wird. © Udo Hennes

Dirk Wigants „Minderheitenmeinung“ löst breites Befremden aus

dzPolitik

Schaden Kontroversen einer Stadt? Oder sind Debatten Austausch und Geburtsstunde guter Ideen? Ein Satz von Bürgermeister Dirk Wigant bei der Eröffnung der Mühle Bremme stößt nun auf Unverständnis.

Unna

, 10.07.2022, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Auftritt von Bürgermeister Dirk Wigant bei der Eröffnungsfeier der Neuen Mühle scheint das Publikum in einem Punkt überrascht zu haben. Neben Glückwünschen für die Investoren, Lob für das gelungene Projekt und Zuversicht bezüglich seiner zukünftigen Entwicklung hatte Wigant in seine vom Blatt gelesene Rede auch eine Kritik aufgenommen: an Stimmen, die sich kritisch mit der Entwicklung der Mühle Bremme auseinandergesetzt haben, aber auch an den Medien, die diesen Stimmen Gehör verschafft haben.

Wörtlich sprach er davon, dass „in der Berichterstattung Minderheiten mit einseitigem Blickwinkel breiter Raum eingeräumt wird“. Unnaer müssen nun aufpassen, dass man die Stadt nicht schlechtredet und künftige Investoren verschreckt. Wen genau Wigant damit gemeint hat, das ist aus dem Redetext selbst gar nicht ersichtlich. Umso deutlicher waren im Nachgang Irritationen über diese Äußerungen. In einem Leserbrief etwa erklärte der Verfasser, er habe „in den letzten zwei Jahren kaum jemanden gesprochen, der dieses Einkaufszentrum vorbehaltlos befürwortet“.

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Wigant selbst war für die Redaktion am Freitag nicht zu erreichen. Ersatzweise fragten wir bei Stimmen, die sich in den zurückliegenden Wochen in unserer Zeitung kritisch mit der Entwicklung der Mühle Bremme auseinander gesetzt hatten - und hörten Befremden angesichts Wigants Äußerungen.

Kritiker als Minderheit abtun - das spricht für sich

Zum Beispiel bei Günther Klumpp. Das ADFC-Mitglied, das in seinem Beruf als PR-Fachmann unter anderem die Radstationen in der Region betreut, hatte sich kritisch über die veralteten Fahrradständer und die Anbindung des Einkaufszentrums ans Radwegenetz geäußert.

Günther Klumpp kann die Haltung des Bürgermeisters nicht nachvollziehen. Gerade bei Dingen, die Unna prägen, müssten Diskussionen erlaubt sein. Und wenn Wigant konstruktive Hinweise als Minderheitenmeinung bezeichne, spreche das nicht für ihn.

Günther Klumpp kann die Haltung des Bürgermeisters nicht nachvollziehen. Gerade bei Dingen, die Unna prägen, müssten Diskussionen erlaubt sein. Und wenn Wigant konstruktive Hinweise als Minderheitenmeinung bezeichne, spreche das nicht für ihn. © Henryk Brock

„Ich kann das nicht nachvollziehen“, sagt Klumpp nun. „Gerade bei städtebaulich so prägenden Dingen muss eine Diskussion erlaubt sein. Und gerade bei solchen Investitionen in Millionenhöhe müssen auch für den Schutz schwacher Verkehrsteilnehmer aktuelle Standards drin sein. Wenn der Bürgermeister nun sagt, dass jemand, der darauf hinweist, Teil einer Minderheit sei, dann spricht das für sich. Aber es spricht nicht dafür, dass ihm die Verkehrswende wirklich wichtig ist.“

Nicht nur die Mühle Bremme, sondern Unnas Planungspolitik im weiteren Sinne hatte Dirk Kimpel vor einigen Tagen im Blick, als er kritisierte, dass Unna beim Bauen zu wenig Platz für Bäume bereitstelle. Kimpel äußerte seinen Meinungsbeitrag als Privatmann und Einzelperson, fühlt sich aber keineswegs allein mit dieser Haltung. Der Bürgermeister bewege sich vielleicht auf ziemlich dünnes Eis.

Wigant „nimmt die Bürger nicht ernst und nicht wahr, was hier los ist“

Immerhin zwei Unnaer, Klaus-Peter Rüsing und Antje Bansi, schrieben vor kurzem einen offenen Brief an die Mieter der Neuen Mühle, in dem sie darum baten, dass sich die Nutzer der Immobilie bei ihrem Vermieter für mehr Grün einsetzen sollten. Als Teil einer Minderheit sehen auch die beiden sich nicht. „Es ist ja eher umgekehrt: Der Bürgermeister scheint mir mit seinen Meinungen sehr isoliert zu sein“, kommentiert Rüsing nun Wigants Worte.

Und er fügt an: „Es existieren heute sehr viele gute Ideen in der Bürgerschaft, wie man die Stadt attraktiver, grüner und klimafreundlicher gestalten könnte. Aber dazu müsste man zuhören und Ideen aufnehmen können“, so Rüsing im Gespräch mit unserer Redaktion. Wigant zeige Gemeinsamkeiten mit dem zuvor letzten Unnaer CDU-Bürgermeister, der nach nur einer Amtszeit wieder abgewählt worden war. „Er nimmt seine Bürger nicht ernst, und er nimmt auch nicht wahr, was eigentlich los ist in der Stadt. Wenn er zum Beispiel sagt, dass Unna eine fahrradfreundliche Stadt sei, dann schätzt er die Sache falsch ein.“

„Wir Radfahrer sind eine Minderheit!“

Einer, der sich immer wieder kritisch zur Verkehrslage rund um die Mühle Bremme geäußert hat, ist Helmut Papenberg, Ortsgruppensprecher des ADFC. In einem Punkt gibt es dem Bürgermeister sogar recht: „Klar sind wir Radfahrer eine Minderheit“, sagt er mit erkennbarer Ironie in der Stimme. Trotzdem halte er die Kritik an der Mühle Bremme für berechtigt. „Uns als Minderheit der Radfahrer geht es gar nicht darum, unsere Stadt schlecht zu reden, sondern noch schöner, lebenswerter und liebenswerter zu machen“, ergänzt er dann ernsthaft. „Dazu machen wir viele Verbesserungsvorschläge. Aber da muss man sich manchmal auch dazu äußern dürfen, wenn Chancen zur Stadtverbesserung vertan werden. Die Stadt sollte die Genehmigung von Baumaßnahmen grundsätzlich an Fahrradfreundlichkeit koppeln.“

Claudia Keuchel: „Einfach unglücklich formuliert“

Die vielleicht größte Gruppe unter den Kritikern der Mühle Bremme sind Unnas Bündnisgrüne. Sie hatten zuletzt etwa die Rodung von 200 Bäumen auf dem Grundstück ohne Ersatz vor Ort beklagt und das Bauwerk in einer eigenen Veröffentlichung im Namen der Ratsfraktion kritisch kommentiert. Doch kann man die Grünen noch als Minderheit bezeichnen? Fraktionschefin Claudia Keuchel lehnt dies ab.

Mit ihrem Einsatz für Klimaschutz und Verkehrswende seien die Grünen sicherlich keine Vertreter einer Minderheit, ist sich Fraktionschefin Claudia Keuchel sicher. Die Äußerungen Wigants seien vermutlich mit guter Absicht, aber doch unglücklich formuliert worden.

Mit ihrem Einsatz für Klimaschutz und Verkehrswende seien die Grünen sicherlich keine Vertreter einer Minderheit, ist sich Fraktionschefin Claudia Keuchel sicher. Die Äußerungen Wigants seien vermutlich mit guter Absicht, aber doch unglücklich formuliert worden. © Privat

„Ich weiß nicht, wen der Bürgermeister damit adressiert hat“, sagt sie. „Aber wir als Grüne fühlen uns mit dem Anliegen, für Klimaschutz und Verkehrswende einzutreten, nicht als Vertreter einer Minderheit“, sagt sie - was dann zugleich auch den anderen hier erwähnten Kritikern den Minderheitenstatus nehmen würde. Zugute halten wolle sie dem Bürgermeister nun, dass er sich einfach vor seine Stadt stellen wollte. „Das muss er ja auch. Es war vielleicht einfach unglücklich formuliert, weil er damit Bürger trifft, die sich für etwas engagieren“, so die Ratspolitikerin. Und in der Sache sei an den Hinweisen der Bürger vieles dran, was die Grünen unterstützen: „In der Vergangenheit hat Unna damit geglänzt, Investoren den roten Teppich auszurollen. Die konnten dann sehr maßgeblich unsere Stadtentwicklung bestimmen. Das geht inzwischen auch anders, und das muss auch anders werden.“

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