
Ein „dekadentes Parkdeck“, auf dem man Fahrzeuge stapeln könnte: Die Grünen kritisieren eine autozentrierte Planung in und an der „Neuen Mühle“. © Privat
Für Unnas Grüne ist die Neue Mühle das Grauen
Politik
Die Neue Mühle ist im Betrieb und der Blick darauf, was auf dem Grundstück der alten Mühle Bremme entstanden ist, steht jedermann offen. Unnas Bündnisgrüne haben dies genutzt. Sie konnten kaum hinsehen.
Grüne Politiker stehen selten in der ersten Reihe, wenn ein neues Einkaufszentrum eröffnet wird – Konsum und Flächenversiegelung sind gleich zwei Dinge, die mit den Grundpositionen der Partei nicht immer einfach in Einklang zu bringen sind. Dass bei der Feierstunde zur Eröffnung der „Neuen Mühle“ in Unna auch grüne Köpfe zu Gast waren, lässt sich allerdings erklären: Sie wollten die erste Gelegenheit nutzen, das neue Objekt unter die Lupe zu nehmen. Und offenkundig missfiel ihnen, was sie sahen.
Nun veröffentlichen die Bündnisgrünen einen Text als Nachlese zum Start des neuen Einkaufszentrums. Überschrift: „Wie aus der Zeit gefallen“. Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauwerk, geschrieben mit schneidender Schärfe. Dabei setzen die Grünen ihre Schnitte nicht nur bei Themen wie Stadtökologie und Verkehr an. Auch Städtebau und Wirtschaft behandeln sie.
„Im klimatisierten Betonbau wird der Rückschritt gefeiert“, heißt es in dem Text, der ohne Autorenkennung als Stellungnahme der Ratsfraktion erscheint. Und weiter: „Der Bremmeklotz (im Volksmund schon als ‚Monster Bremme‘ geschmäht) wird unfertig eröffnet und offenbart mehr als nur ästhetische Mängel. (...) Mitten in der Klimakrise wird ein Einkaufszentrum eröffnet mit dem Unna nun ‚wirtschaftlich richtig durchstarten soll‘. Durchstarten werden hier aber vor allem die Klimaanlagen, die riesige Räume künstlich herunterkühlen, wo früher einmal mehr als 200 meist voll erwachsene Bäume für ein gutes Stadtklima gesorgt haben.“
Radfahrer und Fußgänger eher unerwünscht
Kritisch betrachten die Grünen etwa die Verkehrsanbindung. Sie sei auf den Autofahrer abgestellt. Fußgänger- und Radverkehr werde ignoriert oder über weite Distanzen umgeleitet. Wenig praxisgerecht sei etwa, dass die schon in der Bauart kritisierten Fahrradständer so platziert sind, dass sie Radfahrer buchstäblich im Regen stehen lassen. Rätselhaft seien die Fahrradständer auf den Parkdecks, die nur über eine Fahrt über die steile Auffahrt des Kraftverkehres zu erreichen seien.

Fahrradständer vom Typ „Felgentod“, erreichbar über einen alpinen Anstieg, an dem laut Beschilderung auch niemand absteigen und schieben darf - in diesem Zusammenhang stellen sich Unnas Bündnisgrüne die Frage, was das eigentlich soll. © Privat
Das Parkhaus selbst nennen die Grünen „dekadent und für Lkw geeignet“. Sie fragen: „Warum braucht ein Parkhaus mitten in der Stadt Deckenhöhen von deutlich mehr als vier Metern? Hier könnten Autos doppelt gestapelt werden - ein Platz- und Energieverbrauch, der nicht nur absurd, sondern auch ineffizient und klimaschädlich ist. Damit ist sogar die zulässige Maximalhöhe des Baus so ausgeschöpft, dass Photovoltaik keinen Platz mehr findet“.
Unschöner Kontrast zur Mühlenvilla
Als ein „Trauerspiel“ bezeichnen die Bündnisgrünen den Blick auf das Ensemble aus Neuer Mühle und dem früheren Wohngebäude der damaligen Mühleneigner. „Eine eingemauerte Jugendstilvilla fristet ihr Dasein nun im Schatten. Die ehemals anmutig wirkende denkmalgeschützte Villa steht eingeengt zwischen riesigen Betonwänden und wird selbst bei Sonnenschein verschattet. Sie hat neben dem angrenzenden Riesenbetonschiff ihre historische Würde verloren.“

Neben dem angrenzenden Riesenbetonschiff fristet die eingemauerte Jugendstilvilla ein Schattendasein. © Privat
Wirtschaftlich sehen die Bündnisgrünen das Potenzial der Ansiedlung skeptisch: „Andere Städte in der Umgebung haben es schon vorgemacht, entweder stirbt die Innenstadt oder aber die neuen Einkaufsklötze leeren sich nach anfänglicher Euphorie zu Geisterhallen. Unna wird hier keine Ausnahme sein.“
Auch große Bauwerke gehen „grüner“
Als Fazit erklären die Grünen: „Heute wäre bundesweit wohl ein solch klimafeindlicher Großbau nicht mehr mehrheitsfähig. Im Gegenteil, an vielen Orten wird versucht, Städte wieder zu beatmen. Keine 100 Kilometer vom Ten-Brinke-Stammsitz findet in Almere (NL) die internationale Gartenausstellung ‚Growing Green Cities‘ statt. Dort werden klimapositive Großbauten mit Grünfassaden, Dachgärten und anderen Hoffnungsbeispielen gezeigt. Zukunftsfreudige und -freundliche Investor*innen, Verwaltungen und Politik können sich hier Anregungen holen. Hoffen wir, dass derartige Fehlplanungen künftig endgültig der Vergangenheit angehören!“
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
