Es waren nur 35 Meter, über die der Transport gehen sollte. Aber es sind auch 450 Tonnen, die dabei zu schultern und zentimetergenau abzusetzen waren. Nachbarn kletterten auf ihre Dächer, um die Aktion mitverfolgen zu können. Am Bauzaun reihten sich Hobbyfotografen und -filmer mit ihrem Gerät auf. Eine Leistung wie diese erlebt auch die Kreisstadt Unna selten.
Der Auftrag, den eine Kranfirma mit Sitz in Bocholt erledigen sollte: Eine nahezu fertige Eisenbahnbrücke anliefern, vom Ort der Fertigung bis zu dem des Einsatzes.
Dass dazwischen nur die Weite eines Steinwurfes liegt, hatte in Unna schon interessierte Fragen aufgeworfen. Außenstehenden erschloss sich nicht, warum die Deutsche Bahn eine neue Brücke scheinbar neben der Schienenstrecke bauen ließ. Und Bauarbeiter machten sich einen Spaß daraus, Fragenden erst einmal augenzwinkernd zu erklären, dort entstehe ein Wendehammer für die Eisenbahn.
Das „Vorbauen“ sollte die Zeit der Streckensperrung minimieren
Der tatsächliche Grund für die Vorgehensweise war ein anderer und im Grunde leicht nachvollziehbarer: Die Zeit, in der der Schienenverkehr doch ruhen muss, sollte möglichst kurz gehalten werden. Also entstand die neue Brücke, die den Schienenverkehr künftig über die Mühlenstraße führt, erst einmal auf einer Freifläche wenige Schritte neben dem Bahndamm, um später am Stück eingesetzt zu werden.

An diesem Montag war es so weit. Nachdem die Oberleitungen der Bahn demontiert, die alte Brücke abgerissen und Teile des Bahndamms geöffnet worden waren, sollte die neue Brücke auf ihr Fundament gesetzt werden. Dies besorgte ein sogenannter Tausendfüßler.

Das Spezialgerät, im Fachdeutsch ein „selbstfahrendes und elektronisch gesteuertes Schwerlast-Transportmodul“, ist eine Art ferngesteuertes Auto – allerdings mit 24 Achsen und einer Traglast von maximal 700 Tonnen. Ausgelastet waren diese mit der Brücke, die den Autoverkehr wie ihre Vorgängerin nur einspurig aufnehmen muss, nicht ganz.
Wie man eine ganze Brücke Huckepack nimmt
Der Apparat nimmt seine Last im Grunde Huckepack: Mit einem Tragegestell, das an die Höhe der Brücke angepasst war, fuhr das Fahrzeug erst in die Brücke hinein, um sie dann „aus den Beinen heraus“ anzuheben. Gegenüber der tiefsten Stellung kann der Tausendfüßler seinen Rücken um 35 Zentimeter in die Höhe bringen. Das ist nicht viel, wenn es gilt, ein Bauteil wie dieses über ein leichtes Gefälle durch eine Baustelle zu fahren.

Und so mussten die Arbeiter der Brückenbaufirma zwischenzeitlich noch mit Hand und Kranwagen kleinere Hindernisse aus dem Weg räumen, an denen die Brücke sonst doch nicht ganz vorbeigekommen wäre. Am Ende setzte der Tausendfüßler seine Last ab. Keine zwei Stunden hat sein Einsatz gedauert.
Der größere Brückenschlag steht noch bevor
Für die Brückenbauarbeiten an der Mühlenstraße war die Aktion ein Meilenstein. Abgeschlossen sind sie damit noch nicht: Vier Seitenflügel der Brücke, die ebenfalls neben der Bahnlinie vorgefertigt worden sind, müssen noch mit zwei Kränen eingehoben werden. Danach wird der Bahndamm wieder aufgeschüttet, ein neues Gleisbett gelegt, die Gleisanlage und Oberleitung wiederhergestellt und eine neue Schallschutzwand gebaut.
Am 17. Dezember gegen 14 Uhr sollen erstmals wieder Züge auf der Strecke rollen. Zuvor ist wenige Fahrmeter weiter westlich ein anderes spektakuläres Manöver vonnöten: Auch die Brücke über die Autobahn wird nach Vorproduktion daneben aus fertigen Teilen eingesetzt.
Ein Video vom Einschub der Brücke sehen Sie auf www.hellwegeranzeiger.de.
