Philipp Reith und seine Ex-Partnerin Jessica Schröder haben keinen Kitaplatz für ihren vierjährigen Sohn mehr. Die Sozialpädagogische Initiative Unna (SPI) hat den Betreuungsvertrag mit den Eltern gekündigt – vorausgegangen war eine Auseinandersetzung beim Sommerfest der Kita Glückspilze.
Ärger wegen Windeln
Bei dem Fest am 6. September will Philipp Reith die Leiterin der Einrichtung damit konfrontiert haben, dass seinem Sohn weiter Windeln angezogen werden, obwohl dieser zu Hause „trocken“ sei. „Ich wurde sofort angeschrien“, sagt Philipp Reith. Er selbst will nicht ausfällig geworden sein. Die Leiterin soll ihm gesagt haben, dass sie nicht jedes Mal für eine Stunde Personal abstellen könne, um seinem Sohn „die Scheiße vom Arsch zu wischen“. Tatsächlich soll sich der Vierjährige mehrfach eingenässt haben, aber nur während er in der Kita war, so Jessica Schröder.
„Dann sollte ich gehen“, sagt Philipp Reith. Er habe es so aufgefasst, dass die Kita-Leiterin das Gespräch damit beendet habe. „Ich bin zurück zu meiner Ex-Frau und meinem Sohn gegangen“, sagt Reith. Die Familie blieb zunächst auf dem Fest, ehe Philipp Reith aufgefordert wurde, es endgültig zu verlassen.

Yvonne Gutzeit, eine der Geschäftsführerinnen der SPI, stellt das Geschehen auf dem Fest anders dar. „Auf dem Sommerfest der Kita Glückspilze kam es zu einer unerfreulichen Szene mit Beschimpfungen und Beleidigungen seitens des genannten Vaters gegenüber dem Kitapersonal“, heißt es in einer Erklärung auf Nachfrage unserer Redaktion.
Und weiter: „Nach mehrmaliger freundlicher Bitte um Unterlassung machte die Kitaleitung in Absprache mit dem Träger Gebrauch von ihrem Hausrecht, verwies den Vater vom Fest und erteilte anschließend ein Hausverbot.“ Fest steht: Im Nachgang wurde Philipp Reith von der Kita-Leiterin angezeigt. „Das Vorliegen einer Anzeige wegen Beleidigung können wir bestätigen. Der Vorgang wurde zwischenzeitlich an die Staatsanwaltschaft Dortmund abgegeben“, erklärt Polizeisprecherin Vera Howanietz.
Unstimmigkeiten über Monate
Der Streit auf dem Sommerfest der Kita, die erst im vergangenen Jahr an der Friedrich-Ebert-Straße eröffnet hatte, war offenbar der Höhepunkt von mehreren Unstimmigkeiten zwischen den Eltern und Pädagogen. Im Februar habe ihr Sohn angefangen, andere Kinder in der Kita zu beißen, sagt Jessica Schröder. Daraufhin sollte sie beim Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) und einem Logopäden vorstellig werden. Ein SPZ kümmert sich beispielsweise um Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen.
Termine beim Logopäden habe sie mit ihrem Sohn wahrgenommen, sagt Jessica Schröder. „Die Warteliste beim SPZ ist aber voll. Dort stehen wir jetzt drauf.“ Gleichzeitig sei ihr aber am Telefon gesagt worden, dass das Beißen eine „normale Phase“ sei und sich nach einigen Wochen legen werde. So sei es schlussendlich auch gewesen.

Yvonne Gutzeit von der SPI weist darauf hin, dass sie an die Schweigepflicht gebunden sei und bei einigen Fragen nicht ins Detail gehen könne. Nach Paragraf 47 des Sozialgesetzbuches VIII sei der Träger und die Kindertageseinrichtung aber in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, sollte es zu solch meldepflichtigen Ereignissen kommen. „Diesbezüglich befand sich der Träger im Austausch mit dem ortsansässigen Jugendamt und der Fachberatung des Paritätischen“, sagt Yvonne Gutzeit.
Um Kindern mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit zu geben, sich individuell in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln, bedürfe es manchmal eines Mehraufwands, der mit den personellen Ressourcen nicht gewährleistet werden könne. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und stetiger Austausch mit den Personensorgeberechtigten sind hier von höchster Priorität“, so Yvonne Gutzeit.
„I-Kraft“ für den Vierjährigen
Jessica Schröder und Philipp Reith sollten ihrem Sohn eine „I-Kraft“ zuteilen lassen. Ein solcher Integrationshelfer soll Kinder zum Beispiel bei der Interaktion mit Gleichaltrigen unterstützen oder auftretende Konflikte lösen.
Bei der Diagnostik werde aber „kein gutes Haar am Kind gelassen“, sagt Philipp Reith. Er entschied sich, einen entsprechenden Antrag nicht zu unterschreiben. „Zum Wohl des Kindes wurden den Erziehungsberechtigten weitere externe Beratungs- und Unterstützungsangebote unterbreitet“, sagt Yvonne Gutzeit.
Geteiltes Sorgerecht
Jessica Schröder sei vom Kita-Personal schließlich geraten worden, ihrem Ex-Partner das Sorgerecht, das sich beide teilen, einschränken zu lassen, um den Antrag alleine unterschreiben zu können. Zu diesem Vorwurf äußerte sich die SPI unserer Redaktion gegenüber nicht.
Für Philipp Reith sei das ein Schlag ins Gesicht gewesen. Er sei ohnehin zu Entwicklungsgesprächen nie eingeladen worden, sagt er. Yvonne Gutzeit widerspricht: Elterngespräche hätten regelmäßig stattgefunden, selbst nach dem Vorfall auf dem Fest habe es noch Telefonkontakt mit Reith gegeben.
Betreuungsvertrag gekündigt
Schlussendlich sei sie nach der Eskalation auf dem Sommerfest vor die Wahl gestellt worden, sagt Jessica Schröder. Entweder der Vertrag mit der Kita werde gekündigt oder das Kind werde beim SPZ vorgestellt – und erhalte die „I-Kraft“. Innerhalb einer Woche habe sie sich entscheiden sollen. „Das konnte ich nicht“, sagt sie. Und prompt habe sie die Kündigung zum 31. Januar 2025 erhalten.
„Eine Erziehungspartnerschaft setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten voraus. Nach dem genannten Vorfall und mehreren nachfolgenden persönlichen und telefonischen Gesprächen schien eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Familie nicht mehr möglich“, so Yvonne Gutzeit. Daher habe sich die SPI entschieden, den Betreuungsvertrag zu kündigen.
Jessica Schröder steht bereits mit dem Jugendamt in Kamen in Kontakt – nach der Trennung war sie aus Unna nach Heeren (Kamen) gezogen. Dort habe man ihr bislang nur Hoffnungen auf einen Platz im nächsten Kita-Jahr zum 1. August 2025 machen können. Jetzt weiß die Berufstätige nicht, wie sie Job und Kind bis dahin unter einen Hut bekommen soll.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 23. Oktober 2024.
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