© Udo Hennes
Respekt und Hilfe für Drogenabhängige haben in Unna ein Gesicht. Anabela Dias de Oliveira hat das Bundesverdienstkreuz bekommen. Die Feier war bewegend, weil klar wurde, wofür diese Frau kämpft.
Im Rahmen einer kleinen Feier auf Haus Opherdicke hat eine Frau aus Unna den höchsten Orden dieses Landes bekommen. Anabela Dias de Oliveira ist seit diesem Dienstag (3. Mai) Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Sie steht dafür, den Blick auf Menschen am Rand der Gesellschaft zu richten und ihnen respekt- und sinnvoll zu helfen. Ihr Antrieb seit vielen Jahrzehnten: Sie kann Unrecht nicht ertragen.
Anabela Dias de Oliveira kam 1972 aus Portugal nach Deutschland, als sie zwölf war. Ihr Vater hatte zwei Jahre zuvor eine Stelle als Facharbeiter in Werdohl angenommen. Sie sei erst das zweite ausländische Kind damals an der Hauptschule gewesen, erinnerte sich Anabela Dias nun. Von der Schulgemeinde sei sie gut aufgenommen worden, letztlich erhielt sie in Deutschland eine Chance, die sie nutzte, sodass ihr auch ihr Studium ermöglicht wurde. „Vom Gastarbeiterkind zur Trägerin des Bundesverdienstkreuzes - damit bist du ein unglaubliches Vorbild“, sagte Ksenija Sakelsek vom Unnaer Integrationsrat, eine der Laudatorinnen in Opherdicke.
Der Weg zu dieser „höchsten Auszeichnung für Verdienste um das Allgemeinwohl“, wie Landrat Mario Löhr betonte, begann im Grunde in Werdohl. Mitte der 1970er-Jahre habe diese kleine Stadt eine unfassbar große Drogenszene gehabt, erinnerte sich die Ordensträgerin. Sie erlebte, wie der überwiegende Teil der Gesellschaft diesen Abhängigen begegnete, von denen einige ihre Mitschüler waren. Es sei eine „anlasslose, aggressive Verachtung im Umgang mit Drogenabhängigen“ spürbar gewesen, sagte Dias sichtlich bewegt.
Der große Mangel an Respekt gegenüber diesen Menschen habe im Widerspruch gestanden zu der Offenheit, die ihr begegnet war. Wenn so mit Menschen umgegangen wird, empöre sie das bis heute. „Diskriminierung ist Unrecht.“
Ein Meilenstein in der Unterstützung von Menschen, die Drogen schwer krank gemacht haben: 2014 wurde die Dauerwohneinrichtung bei Hemmerde eröffnet. © Udo Hennes
Der unermüdliche Kampf gegen dieses Unrecht sollte zu ihrer Lebensaufgabe werden. Dias ist überzeugt, dass die Kriminalisierung drogensüchtiger Menschen diese mehr schädigt als die Substanzen, von denen sie abhängig sind. Für diese Personen sollte es neue Arten von Hilfe geben und dies sollte in der Mitte der Gesellschaft geschehen. Aus ehrenamtlicher Arbeit in der Drogenberatung wurde ihr Beruf - und weit mehr als das. Ihr „herausragendes Engagement bei der Wiedereingliederung von zum Teil schwer drogenabhängigen Menschen in die Gesellschaft“ sei für sie „Berufung und Lebensinhalt“, so Landrat Löhr.
Dias ist Gründungsmitglied der Aidshilfe Märkischer Kreis und des Bundesverbands für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik „Akzept“. Sie arbeitete in der Anonymen Drogenberatung Unna (ADU) und baute die Drogenwohngemeinschaft „KESH“ in Hamm mit auf.
Beim Projekt Lüsa erhalten Drogenabhängige verschiedene Unterstützungsangebote. Das Bild zeigt Anabela Dias de Oliveira und Dirk Hübner in der Tagesstruktureinrichtung. © Marcel Drawe
In Unna und weit darüber hinaus wird Anabela Dias de Oliveira vor allem mit Lüsa verbunden. Mit großem Engagement und auch gegen Widerstände baute sie das Landesmodellprojekt „Langzeit Übergangs- und Stützungsangebot für chronisch mehrfachgeschädigte Drogenabhängige“ auf, dessen Chefin sie bis heute ist. Abhängige erhalten seit inzwischen 25 Jahren in Unna einen Wohn- und Lebensraum sowie vielfältige Unterstützungsangebote. Aus Lüsa ging vor acht Jahren auch die einzigartige Dauerwohneinrichtung (Dawo) im Unnaer Osten hervor. Unnas Vizebürgermeister Michael Sacher lobte Dias’ Einsatz für Menschen, „die in der Gesellschaft eher als Problem wahrgenommen und behandelt werden“. Sie habe diese mitunter schwierige Gruppe zu einem „selbstverständlichen Teil des Gemeinwesens in Unna“ gemacht, so Löhr.
Darüber hinaus kämpft die Unnaerin an weiteren Fronten dafür, dass die Gesellschaft besser wird: unter anderem als Mitglied des Integrationsrates, sachkundige Bürgerin in Ausschüssen des Stadtrats, Ehrenamtliche in der Kirchengemeinde und in verschiedenen anderen Initiativen, darunter auch der Runde Tisch gegen Gewalt und Rassismus.
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.