Planungen wiegeln den Unnaer Osten auf Größtes Streitprojekt erst einmal vom Tisch

Biogas auf Eis, Wohngebiete mit Fragezeichen, Schule braucht Zeit
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Ortsvorsteher Werner Clodt hatte mit seiner Einladung wohl einen Nerv getroffen. Tatsächlich liegen an mehrere Stellen Nerven blank in Lünern. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Saal des Gemeindehauses die Besucher am Dienstagabend (12.11.) nicht fassen konnte. Einige mussten im Flur stehen, so hoch war der Bedarf an Informationen.

Biogasanlage vom Tisch

Die wichtigste, so kommentierten zumindest einige Beobachter nachher, betraf eine neue Biogasanlage, die bereits für viel Gesprächsstoff im Unnaer Osten gesorgt und die Gerüchteküche angeheizt hatte. Die Botschaft des Abends: Die Idee einer Biogasanlage für Lünern ist vom Tisch. Die Projektentwicklung sei gestoppt, erklärten Jürgen Schäpermeier, Geschäftsführer der Stadtwerke Unna und Landwirt Henrik Plaas-Beisemann.

Wie berichtet haben die Stadtwerke und ein Zusammenschluss von rund 40 Landwirten aus der Region gemeinsam die Initiative ergriffen. Die Stadtwerke müssen klimaneutrale Energieerzeugung und Wärmeplanung vorantreiben. Die Landwirte wiederum müssen Mist und Gülle aus ihrer Tierhaltung nach verschiedensten gesetzlichen Vorgaben entsorgen und dafür absehbar ohnehin investieren. Eine moderne Biogasanlage könnte ein wesentlicher Teil der Lösung für beide Probleme sein.

Im Ludwig-Polscher-Haus in Unna-Lünern sitzen und stehen bei einer Bürgerversammlung am 12.11. viele Menschen.
Zahlreiche Menschen waren der Einladung ins Ludwig-Polscher-Haus gefolgt. © Thomas Raulf

Aktuell „nicht wirtschaftlich“

In einer ersten Machbarkeitsstudie sei ein Standort in Lünern beispielhaft geprüft worden, so Schäpermeier. Aber unter den aktuell geltenden Rahmenbedingungen sei dieses Projekt „nicht wirtschaftlich“. Alle bisherigen Planungen seien „für die Schublade“. Es geht um eine Investition im zweistelligen Millionenbereich. Das Risiko, dass sich diese nicht rentiert, will keiner der Initiatoren eingehen. Man müsse nun auch abwarten, in welche Richtung die Energiepolitik geht. Angesichts des Endes der aktuellen Bundesregierung und der anstehenden Neuwahlen hänge man „nun ganz in der Luft“, so Plaas-Beisemann.

Warum nicht nach Hemmerde?

Sorgen vor einem solchen Projekt drehen sich in Lünern unter anderem um das Thema Verkehr. Theoretisch müsste mit 40 Lkw, also 80 Fahrten am Tag gerechnet werden, um eine Anlage dieser Größenordnung mit dem Mist von Pferden und Rindern oder auch mit sonst kaum verwertbarem Grünschnitt zu befüllen. Die Initiatoren hatten sich vorgestellt, die B1 als bevorzugte Strecke für diesen Verkehr auszuweisen.

Doch abgesehen von der grundsätzlichen Frage stehe auch Lünern als möglicher Standort nicht fest. Für den Fall, dass das Projekt doch einmal wieder wirtschaftlich erscheint, sollen auch weitere Standorte geprüft werden, erklärte Stadtwerkechef Schäpermeier. Lünerns Ortsvorsteher Clodt, der sich schon früh gegen einen Standort in seinem Beritt ausgesprochen hatte, schlug beim Bürgerabend Hemmerde als Alternative vor.

Bedarf: 70 Wohneinheiten

Wo genau und wann werden in Lünern noch wie viele Häuser gebaut? Auch diese Frage treibt viele Menschen um, kann aber bisher allenfalls vage beantwortet werden. Ein größeres Bauvorhaben im Norden, zwischen Ruhekopf und Sportplatz, dessen Vorplanungen die Politik 2023 zunächst auf Eis gelegt hatte, hat nach wie vor Befürworter und Gegner im Dorf. Das war Äußerungen im Gemeindehaus zu entnehmen.

Es gebe Bedarf an Neubauten in ganz Unna, in Lünern im Umfang von rund 70 Wohneinheiten, erklärten Planungs- und Sozialfachleute der Stadtverwaltung, die für den Bürgerabend viel Personal inklusive des Verwaltungsvorstands um Bürgermeister Dirk Wigant zur Verfügung gestellt hatte.

Und neben der umstrittenen Fläche im Norden haben die Planer auch ein größeres Areal mit Wohnbaupotenzial nordwestlich des Bahnhofs im Auge, zudem zwei kleinere, bisherige Freiflächen im Ortskern. Alles Zukunftsmusik allerdings: Wo im ganzen Stadtgebiet mehr Wohnraum gebaut werden könnte, das erarbeitet die Stadt seit inzwischen zwei Jahren gemeinsam mit einem Planungsbüro. Ziel ist ein neues Baulandprogramm, das voraussichtlich Anfang 2025 vorgestellt werden soll.

Stadt bezuschusst Kita-Ausbau

Viel konkreter hingegen sind Planungen für die Lünerner Kinderbetreuungseinrichtungen – Schule und Kita, die wie in anderen Ortsteilen dringend erweitert werden müssen. Die Stadt Unna bezuschusst mit rund einer halben Million Euro eine Erweiterung des Awo-Kindergartens um 20 auf 80 Plätze. Hier werde derzeit noch die Förderfähigkeit geprüft, die Awo stehe im Kontakt mit dem LWL, der den Löwenanteil der 1,2-Millionen-Euro-Investition tragen müsse. Das erklärte Unnas Jugend- und Schuldezernent Dr. Nicolas Apitzsch.

An der Grundschule Lünern wurden im März 2024 Container aufgestellt, um Raumnot zu lindern. Planungen für eine Schulerweiterung laufen.
An der Grundschule Lünern wurden im März 2024 Container aufgestellt, um Raumnot zu lindern. Planungen für eine Schulerweiterung laufen. © Marcel Drawe

Schulplanung dauert Jahre

Die Grundschule hingegen verantwortet die Stadt Unna selbst. Sie braucht mehr Platz für die OGS und Raum für Lernen nach moderner Pädagogik. Die Erweiterungsplanung für Lünern ist vom Prinzip her vergleichbar mit dem gerade fertig gestellten Anbau an die Massener Schillerschule. Die Planungen für Lünern laufen. Die Stadt rechnet mit sechs bis sieben Jahren Umsetzungszeit und hat im März bereits Unterrichtscontainer aufstellen lassen, um Raumnot abzubauen. Auf die Frage einer Bürgerin, warum das Ausbauprojekt so lange braucht, verwies der Beigeordnete Sandro Wiggerich auf weitere Immobilien, die um-, aus- oder neugebaut werden müssen. Er nannte unter anderem die Katharinenschule (Umbau) und Grundschule Hemmerde (Neubau) sowie die Feuerwehr und Rettungswachen. Viele Bauaufgaben, die Personal im Rathaus beschäftigen – Wiggerich: „Das wird alles von den gleichen Leuten abgearbeitet.“

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