„Ein Glücksfall“: So hat das Projekt Kobra Hassadou Barry (34) geholfen

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„Ein Glücksfall“: So hat das Projekt Kobra Hassadou Barry (34) geholfen

dzHilfe im Alltag

„Kooperative Bearbeitung regionaler Armut“ oder kurz Kobra, das ist der Name eines Projektes, das Menschen ganz unbürokratisch helfen will. Wir haben mit einer Frau gesprochen, die von diesem Programm begeistert ist.

Unna

, 05.02.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Als Hassadou Barry vor knapp zehn Jahren aus Westafrika nach Deutschland gekommen ist, hätte sie schon die Unterstützung gut brauchen können, die ihr in den vergangenen Monaten zuteil geworden ist. Kobra heißt das Programm, das Menschen in ihrer Situation helfen soll. Und genau das passiert auch: Hilfe, und zwar ganz direkt und völlig unkompliziert.

„Ich bin von einer Bekannten darauf aufmerksam gemacht worden, dass es diese Möglichkeit gibt“, berichtet die 34-jährige Mutter von vier Jungs. Die Bekannte habe dann auch den Termin für sie ausgemacht. „Das war gut, ich hätte sonst immer wieder andere um Hilfe gebeten. Bei Anträgen und Formularen habe ich immer Probleme“, berichtet sie. „Der Auslöser, dass ich dann bei InVia gesessen habe, war, dass einer meiner Söhne Nachhilfe gebraucht hat.“ Damit die Kosten für diese Nachhilfestunden übernommen werden, müssen für das Jobcenter einige Formulare ausgefüllt werden. Dabei hilft Kobra.

Eine der Mitarbeiterinnen in diesem Programm heißt Shari Lausch, sie ist seit dem Sommer des vergangenen Jahres dabei und kann, genau wie ihre Kollegin Tanja Lange, in solchen Fällen ganz unbürokratisch eingreifen. „Das Tolle ist, dass wir, sobald sich jemand bei uns meldet, innerhalb von einer Woche einen Termin anbieten können, sodass wir ganz schnell helfen können.“

Unterstützung über die klassischen Hilfen hinaus

Aber wer braucht denn die Kobra? Und was steckt dahinter? Die Kobra, also die „Kooperative Bearbeitung regionaler Armut“, ist grundsätzlich für alle Menschen da, die Hilfe brauchen. Und das in den Quartieren der Unnaer Gartenvorstadt, in Lünen-Brambauer oder auf der Lüner Höhe in Kamen. Der Gedanke dahinter ist, dass sich Armut oft versteckt. Die klassischen Hilfen des Sozialstaates, ob Sozialamt, Jugendamt, Schulen oder Jobcenter, erreichen die Familien, Alleinstehende und auch Alleinerziehende nicht umfassend. Abhilfe will Kobra schaffen, das Projekt wird finanziert vom Bund und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

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„Das war ein richtiger Glücksfall, dass meine Bekannte von dem Projekt wusste“, sagt Hassadou Barry. Dass diese dann auch direkt einen Termin gemacht hat, ist auch ein stückweit der Hintergedanke dieses Projektes: Auch ein bisschen auf Anschubhilfe zu setzen. „Wir brauchen genau diese Bekannten oder Nachbarn, die uns die Menschen vorstellen, die vielleicht Hilfe brauchen können“, sagt auch Holger Schelte, Prokurist und Projektverantwortlicher bei der Werkstatt im Kreis Unna.

Shari Lausch (l.) und Tanja Lange von InVia sowie Holger Schelte von der Werkstatt im Kreis Unna haben sich mit Hassadou Barry am Stadtteilzentrum Süd in Unna getroffen. Es ist einer der Stützpunkte des Projekts „Kobra“.

Shari Lausch (l.) und Tanja Lange von InVia sowie Holger Schelte von der Werkstatt im Kreis Unna haben sich mit Hassadou Barry am Stadtteilzentrum Süd in Unna getroffen. Es ist einer der Stützpunkte des Projekts „Kobra“. © Schmidt

Es fließen rund 1,6 Millionen Euro seit 2020 für die „Kooperative Bearbeitung regionaler Armut“ (KoBrA) für das Vorhaben, bei dem unter der Federführung der Werkstatt im Kreis Unna maßgeschneiderte und individuelle Hilfen für die - und vor allem zusammen mit den Betroffenen (Hilfebedürftigen) gesucht werden.

Kein Schulabschluss, kein Beruf, kein Job, Durchwursteln ohne ausreichendes Einkommen und ohne soziale Einbindung: Selbst die zuständigen Ämter scheitern oft am Zugang zur wachsenden Gruppe armer Menschen. „Bisher waren alle Bemühungen, die die betroffenen Menschen zum Gegenstand fürsorglicher Ideen und Unterstützung machen, weder erfolgreich noch dauerhaft wirksam“, stellt Schelte fest.

Betroffene sollen Wege aus der Armut selber mitgestalten

Das Modellprojekt will die Praxis, dass sich die Betroffenen selbst um Auswege, um Anträge, Formulare und Hilfen kümmern müssen, umdrehen. An vertrauten Orten wie „in Kitas, in lokalen Treffpunkten, in Schulen oder in Beschäftigungsförderangeboten“ sollen speziell geschulte Beratungskräfte diese Menschen mit hohem Beratungs- und Hilfebedarf auffinden und ansprechen. Die Berater arbeiten dabei eng mit den lokalen Hilfestellen zusammen. Ziel ist es, mit den von Armut betroffenen Menschen eine Perspektive zu finden, die genau auf ihre Situation zugeschnitten ist. Durchaus selbstkritisch sagen die Projektbeteiligten: Es muss uns besser gelingen, die von Armut betroffenen Menschen aktiv an der Planung und Gestaltung ihrer Lebenssituation und auch an den für sie erforderlichen Hilfen zu beteiligen. Sie sollen den Weg aus der Armut selbst mitgestalten.

Dazu braucht es auch eine abgestimmte und rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit mit genau diesem Selbstverständnis: „Jede Lebenssituation Betroffener unterscheidet sich von der anderer. Biografie, Lebensgeschichte und Lebensumstände passen nicht in eine Konfektion, Hilfeleistungen von der Stange sind nicht zielführend, Wirkungen verpuffen nach kurzer Zeit“, erläutert Holger Schelte. Tina Geißen, Vorstand des IN VIA Unna e. V., der als Träger am Standort Unna aktiv ist, ergänzt: „Unser Ziel ist es, dass Betroffene zu Beteiligten werden. Das ist ein innovativer Arbeitsansatz, aber auch eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe. Basis dafür ist eine respektvolle Haltung und ein ziel- und zielgruppenspezifisches Beratungsverständnis und Beratungshandeln der Akteure.“