
Edeltraud Zuhl-Tomberg rettete einer Seniorin das Leben. Obwohl sie die Frau nicht kannte, fuhr sie zu ihrer Wohnung. © privat
Bochum: Boutique-Chefin Edeltraud Zuhl-Tomberg (63) rettet Seniorin (82) das Leben
Lebensretterin
Tagelang hatte sich ihre Freundin (82) nicht gemeldet. Deswegen bat eine 85-Jährige Edeltraud Zuhl-Tomberg um Hilfe. Obwohl diese die Frau gar nicht kannte, half sie. Keine Sekunde zu früh.
Als Edeltraud Zuhl-Tomberg am Montag (30. Mai) um 13 Uhr die Türen ihrer Boutique „Edel“ in Altenbochum öffnet, ist es für sie ein ganz normaler Tag. Da wusste sie noch nicht, dass sie am Abend als Lebensretterin einer 82-jährigen Seniorin zu Bett gehen würde. Einer Frau, die sie bis dahin nicht einmal kannte.
In der Regel öffnet Zuhl-Tomberg um 14 Uhr die Türen ihrer Boutique. Doch an diesem Tag ist sie eine Stunde früher vor Ort. Bei einem Blick auf den Anrufbeantworter fällt ihr auf, dass sich eine Stammkundin (85) gemeldet hat.
Bereits seit Jahren shoppt die 85-Jährige in Zuhl-Tombergs Boutique. „Wir haben uns mittlerweile sogar angefreundet.“ Die Inhaberin hört den Anrufbeantworter ab. Die Kundin hat eine Nachricht hinterlassen. Eine Bekannte sei seit Tagen nicht zu erreichen, sie mache sich große Sorgen.
Frau kannte die Hausnummer ihrer Bekannten nicht
Zuhl-Tomberg will mehr wissen, ruft ihre Stammkundin zurück. Es stellt sich heraus, dass sich die Bekannte seit acht Tagen nicht gemeldet hat. „Im letzten Telefonat sagte sie, ihr gehe es schlecht.“ Die Seniorin fragt ihre Freundin, ob sie mal nachschauen könnte, was los ist. Doch es gibt ein Problem.
„Ich habe gefragt, wo die Bekannte wohnt. Sie sagte nur: Joachimstraße in der Innenstadt. Welche Hausnummer? Das wusste sie leider nicht.“ Glücklicherweise erzielt Zuhl-Tomberg schnell einen Treffer, als sie googelt. Im Telefonbuch steht die Adresse der Dame. „Und da ich noch eine halbe Stunde Zeit bis zur Ladenöffnung hatte, fuhr ich hin.“
Vor Ort angekommen, klingelt die 63-Jährige. Doch niemand öffnet die Tür. Schließlich macht ein Nachbar auf. Zusammen gehen sie zur Wohnungstür der Frau. Beim Blick auf die Fenster sehen sie, dass die Jalousie halb geschlossen ist. Sie schellen erneut, doch niemand öffnet. Zuhl-Tomberg ruft den Namen der Seniorin. Nichts. Dann: „Ein leises Wimmern. Ein Winseln. Es war ein leiser Hilferuf.“
Ohne zu zögern, rufen der Nachbar und die 63-Jährige Polizei, Feuerwehr und Rettungswagen. Doch gerettet ist die Frau damit noch nicht. Es wartet das nächste Problem. Denn die Tür ist von innen verriegelt.
Über den Balkon des Nachbarn gelangen die Rettungskräfte schließlich in die Wohnung der Dame. Und das keine Sekunde zu früh. Die Rettungskräfte finden die Frau dort liegend vor. „Der Gestank war fürchterlich. Tagelang muss sie dort gelegen haben. Sie muss wohl ohnmächtig geworden sein“, so die Retterin.
Die Rettungskräfte bringen die 82-Jährige in ein nahe gelegenes Krankenhaus. Der Zustand der Frau hat sich mittlerweile stabilisiert, weiß Zuhl-Tomberg. Am Freitag soll es in die Reha gehen. „Sie ist gerettet.“
Ist Edeltraud Zuhl-Tomberg eine Heldin?
Dank Edeltraud Zuhl-Tomberg. „Ohne mich“, und das sagt sie ganz bescheiden, „wäre die Frau heute nicht mehr am Leben“. Bis auf ihre Kundin habe die 82-Jährige keine Freunde, keine Familie mehr gehabt, habe sie danach erfahren. Niemanden, der sich um sie sorgte.
Ist sie eine Heldin? Geht es nach ihr, ist sie das nicht. „Ich bin einfach ein Mensch, der geholfen hat“, sagt Edeltraud Zuhl-Tomberg. Warum sie geholfen habe, obwohl sie die Frau nicht kannte? „Die Kundin ist noch ziemlich klar im Kopf. Als sie erzählte, wie lange sich die Bekannte nicht gemeldet habe, gingen die Alarmglocken an. Ich hatte eine Stimme in mir, die sagte, dass etwas nicht stimmt.“ Da musste sie einfach helfen.
Edeltraud Zuhl-Tomberg will zwar nicht als Heldin gesehen werden. Dafür möchte sie, dass die Menschen aus ihrer Geschichte lernen. „Menschen sollen sich über ihre Nachbarn Gedanken machen, über ihre Familie und Freunde. Sie sollen sich gegenseitig helfen, unterstützen und aneinander denken.“ Damit eine Heldengeschichte wie die ihre erst gar nicht nötig wird.
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