„Nicht einfach Sündenböcke präsentieren“ WG Kamen zur Leerstands-Diskussion

WG zur Leerstands-Diskussion: „Nicht einfach Sündenböcke präsentieren“
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Etwa 50 leerstehende Ladenlokale allein in der Innenstadt, viele davon nicht nutzbar, weil in schlechtem Zustand oder gar sanierungsbedürftig. In die Debatte, wie die Politik und öffentliche Hand in Kamen mit dem Phänomen, mit dem in NRW viele Städte zu kämpfen haben, umgehen sollen, schaltet sich die Wählergemeinschaft (WG) Kamen ein.

Es sei „leider wieder ein Paradebeispiel dafür, wie man mit moralischen Zeigefingern von eigenen Versäumnissen ablenkt“, so WG-Vorsitzende Tanja Brückel in Richtung der SPD. SPD-Fraktionsvorsitzender Daniel Heidler hatte zuvor geäußert, dass es vielleicht möglich sei, den Druck auf Eigentümer zu erhöhen, die sich nicht um ihre Gebäude kümmern.

Die WG, früher Freie Wähler, ist trotz Zugehörigkeit des Kamener Stadtrats mit zwei Sitzen keine Partei, sondern ein Verein – und beschreibt sich als „eine Gruppe kommunalpolitisch interessierter und engagierter Kamener“. Die CDU hatte in der Debatte zuvor vermehrte Anstrengungen gefordert, um mit Kamens Immobilienbesitzern in Austausch zu kommen.

Ein Ladenlokal in Kamen, in dem einmal die Gitarrenschule Potschinski war, steht leer. Aufnahme des Gebäudes von Außen.
Wo spielt in Kamens Innenstadt die Musik? In der früheren Gitarrenschule Potschinski nicht mehr. Auch in vielen anderen Ladenlokalen ist es eher still. Um die Leerstände in der City ist eine lebhafte Diskussion entstanden. © Stefan Milk

Impulse durch ein Programm des Landes NRW

Die Stadt Kamen, so Brückel, habe „über Jahre die Chancen zur aktiven Gestaltung ihrer Innenstadt nur halbherzig genutzt“. Statt ein Förderprogramm des Landes klug für echte Impulse zu verwenden, sei unter anderem in Immobilien investiert worden, die die Stadt jetzt selbst anmietet. „Eine kreative Stadtraumentwicklung? Fehlanzeige“, heißt es.

Durch das befristete Förderprogramm „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ wurde unter anderem die Ansiedlung der Gehwerkstatt an der Weststraße ermöglicht. Der Friseurladen „Burlesque & Cabarret“ an der Weststraße 20 wurde ebenso gefördert, allerdings gab der Betreiber kurz darauf aus persönlichen Gründen auf. Einen weiteren Leerstand beseitigte die Stadtverwaltung selbst: In dem Ladenlokal an der Weststraße 79, das der Textilanbieter „Ernstings Family“ aufgab, eröffnete sie den Treffpunkt „Treffbar“.

Das ehemalige Modehaus Kämpgen in Kamen. Es steht schon lange leer. Davor schiebt jemand sein Fahrrad entlang.
Einer der größeren Leerstände der Innenstadt ist das ehemalige Modehaus Kämpgen. (Archivbild) © Stefan Milk (Archiv)

„Nicht einfach Sündenböcke präsentieren“

Für die WG hätte das Förderprogramm besser genutzt werden können; für „temporäre Gestaltungsmaßnahmen im öffentlichen Raum, Stadtmobiliar wie Sitzgelegenheiten, Pflanzkübel, Beleuchtung und Spiel- und Aufenthaltsflächen, um die Innenstadt attraktiver zu machen“, so Brückel in der schriftlichen Stellungnahme.

Es gebe Leerstände und Eigentümer, die sich nicht bewegten. „Aber wer die Innenstadt wirklich weiterbringen will, muss ehrlich analysieren – und nicht einfache Sündenböcke präsentieren.“ Die SPD hatte angeregt, „einmal zu schauen, welche rechtlichen Möglichkeiten eine Stadt hat, wenn Immobilienbesitzer sich partout nicht um ihre Immobilien kümmern.“

Das Thema Leerstand bewegt die örtliche Politik bereits seit vielen Jahren. Als größter Erfolg dieser Anstrengungen gilt die Wiederbelebung des früheren Karstadt-Standortes, an dem der frühere SPD-Bürgermeister Hermann Hupe über die sogenannte Bingener Runde, die sich bundesweit der Reaktivierung früherer Hertie-Standorte einsetzte, maßgeblich beteiligt war. Das Haus war 2009 geschlossen worden und stand jahrelang leer. Nach Abriss wurde 2015 dort das Einkaufszentrum Kamen Quadrat eröffnet.