Haus Heeren
Der Schlossherr ist tot: Ein Abschied von Henner von Plettenberg
Henner von Plettenberg ist sich für nichts zu schade. Der beliebte Schlossherr packt an, wo immer es geht. Er ackert nicht nur im Familienbetrieb, sondern auch fürs Dorf. Ein Nachruf.
Ins trübe Nass des Wassergrabens an Kamens bekanntem Wasserschloss gesprungen und vor den Mitarbeitern einen heillos im Abflussrohr verklemmten Karpfen befreit. Jobst-Henrich Freiherr von Plettenberg, Schlossherr auf Haus Heeren, ist sich für nichts zu fein. Ihn kennt man eigentlich nur als Henner.
Der Spitzname verrät schon, wie er ist – und vor allem: wie er nicht ist. Kein unnahbarer Adliger, nicht kapriziös, nicht überheblich. Sondern einer der wenigen Blaublütigen zum Anfassen, stets hilfsbereit, immer mit einem offenen Ohr für Probleme in seinem Dorf.
Aufgeschlossen, vorurteilsfrei, handfest und arbeitsam: Bis zu seinem 71. Lebensjahr steigt er morgens erst in die Latzhose und dann auf den Trecker, um von seinem traditionsreichen Adelssitz aus die Ernte von den benachbarten Feldern einzufahren.
Henner von Plettenberg, eloquenter Redenschreiber, verfasste zahlreiche Geschichten – und viele Satiren, die vor der Verleihung des Heerener Horns für viel Heiterkeit sorgten. © Stefan Milk
Schon mit 17 Jahren den elterlichen Hof übernommen
Die Landwirtschaft ist ihm über die Generationen der von Plettenbergs mitgegeben. Schon mit 17 Jahren muss er den Betrieb seiner Eltern übernehmen, ohne die Möglichkeit, das Abitur zu machen, geschweige denn ein Studium. Nach Abschluss der zwölften Klasse lässt er sich zum Landwirtschaftsmeister ausbilden – in Dänemark, England und schließlich in Soest. In Bamenohl bei Finnentrop wird er kurz darauf staatlich geprüfter Forstwirt. Er baut den Hof, auf dem es auch Viehzucht und Obst- und Gemüseanbau gibt, erfolgreich um zum Ackerbaubetrieb in Reinkultur. Familie und und Freunde wissen: Henner ist ein kerniger Freiluft-Typ, der seinen Beruf liebt.
Der Adelssitz an der Heerener Straße war für den beliebten Schlossherrn Heimat und Verpflichtung zugleich. © Stefan Milk
Kriegserfahrungen und tiefe Heimatverbundenheit
Kaum wie ein anderer ist er verwurzelt im Dorf, was nicht nur an der wechselvollen Geschichte der blaublütigen Familie liegt. Dem wohl als „heimwehkrankesten Menschen“ des Dorfs geltenden von Plettenberg sind Aufenthalte außerhalb des eigenen Sprengels nahezu ein Gräuel. Bei zehn Tagen Urlaub, so heißt es über ihn augenzwinkernd, stünde er nach sieben Tagen wieder auf der Matte. Und bei der Anfahrt zuvor zum Schloss über die Heerener Straße löse sich vor dem Torbogen die Anspannung mit den Worten: „Die Hütte steht noch.“ Tief verwurzelt sind die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, bei dem auch das Haus Heeren in Flammen stand, als der Dachstuhl abbrannte.
Jobst-Henrich Freiherr von Plettenberg veröffentlichte im Sommer 2017 ein Buch mit Erzählungen, das den Titel „Schlaflos“ trägt. © Stefan Milk
Feiner Humor kombiniert mit satirischem Scharfsinn
Plettenbergs feiner Humor ist durch die jahrelangen Laudationen beim Heerener Mahl belegt, die er mit satirischer Schärfe zwischen 1996 und 2006 im Lutherzentrum auf verdiente Persönlichkeiten hält – und dabei beachtliche Schallwellen des Gelächters erzeugen.
Grundlage sind seine Aufzeichnungen, die in seinem Arbeitszimmer entstehen. Dort schreibt der begnadete Erzähler viele weitere Geschichten, die er zur Veröffentlichung bringt. Im Sommer 2017 erscheint beispielsweise ein kleiner Geschichtenband unter dem Motto „Schlaflos“.
Humor würzt auch seinen Alltag im Schloss: Wenn er sonntags die Kochschürze anlegt, und das tut er jeden Sonntag, sagt er vor dem ersten Arbeitsschritt beim Griff zum Weinglas: „Zunächst nehme man ein großes Glas und gieße es in den Koch.“
Die vielen Momente des Engagements
Trotz vieler familiärer Momente gibt es ein Verschanzen auf dem herrschaftlichen Anwesen nicht. Plettenberg engagiert sich in der Kirchengemeinde, im Männerdienst, im Rotary Club Dortmund-Hörde, bei den Johannitern und in der von-Mellin‘schen-Stiftung, die für ein lebenswertes Leben benachteiligter Menschen sorgt. 20 Jahre wirkt der beliebte Heerener als Schöffe vor dem Jugendgericht Arnsberg, weil ihm wichtig ist, dass Jugendlichen Gerechtigkeit und nicht nur Strafe widerfährt. Geselligkeit findet er im Kegelclub Heerener Holz, der für ihn auch dörfliche Informationsbörse ist. Kinder lieben ihn für seine lustigen und phantasievollen Einfälle und Spiele, bei denen der betagte Freiherr auch mal auf dem Boden krabbelt.
Plettenberg ist nicht nur eloquenter Redenschreiber, sondern spielt virtuos Klavier, Orgel, Cembalo, Horn und Posaune. Ohne Klavierunterricht spielt er sich komplizierte Stücke von Bach nur nach Gehör. 2003 krönt er seine Lebensleistung mit der Sanierung der Orangerie, die er sich binnen zwei Jahren zum Alterssitz ausbaut – mit herrlichem Blick auf sein Anwesen.
Dort gestorben, wo er geboren wurde
Zurück zum Karpfen. Warum er das tat? Weil er nicht von anderen etwas erwarten wollte, was er nicht selbst bereit war zu tun. Jobst-Henrich Freiherr von Plettenberg ist am Donnerstag, 30. Juni, mit 89 Jahren auf dem Anwesen, auf dem er geboren wurde, gestorben.
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