Carabinieri retten uns am Monte Baldo: Mein Urlaub am Gardasee

© Grafik: Leonie Sauerland

Carabinieri retten uns am Monte Baldo: Mein Urlaub am Gardasee

dzUrlaubs-Serie

In einer Serie erinnern wir uns an unsere schönsten, schrecklichsten oder chaotischsten Urlaube mit der Familie – als Kinder oder als Eltern. Diesmal: ein Abenteuer mit den Carabinieri am Gardasee.

von Kevin Kohues

Kreis Unna

, 27.07.2022, 16:35 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wir schreiben das Jahr 1994. Helmut Kohl ist Bundeskanzler, aus dem Autoradio dudelt der Sommerhit „United“ von Prince Ital Joe und Marky Mark, und Deutschlands Fußballer scheiden bei der WM in den USA überraschend gegen Bulgarien aus. Ich sah das Spiel wie weite Teile der WM auf Fernsehern in Restaurants am Gardasee – wohin es meine Familie in der ersten Hälfte der Neunziger immer wieder zog. Dass wir mit Onkel, Tante und Cousin und weiteren Freunden verreisten, machte uns zu einer Art Großfamilie.

Ich war damals zwölf Jahre alt und liebte diese Urlaube mit meiner drei Jahre jüngeren Schwester und meinem fast gleichaltrigen Cousin, mit Pizza und Pasta, dem See und den Bergen. Mit dem über 2000 Meter hohen Monte Baldo verbinde ich eine Erinnerung, die sich besonders eingeprägt hat. Der Berg ist ein beliebtes Touristenziel, da seine Spitze über eine Seilbahn mit dem malerischen Dörfchen Malcesine am See verbunden ist.

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Den Monte Baldo zu erklimmen, wird so quasi zum Kinderspiel, und die Aussicht über den See ist wunderschön. Doch wir wollten raus aus der Komfortzone. Wir schmunzelten über die Schweizer vor uns in der Schlange vor der Seilbahn-Kasse, die „zweemal Monte Baldo und zruck“ kauften. Ein Rückfahrticket brauchten wir schließlich nicht, wir wollten den Abstieg zum See zu Fuß bewältigen. Spätestens zur nächsten Fußballübertragung im Ristorante würden wir zurück sein, si claro.

Zwei Probleme: Es war sehr heiß – und wir kannten den Weg nicht

Doch im Laufe des Nachmittags kippte die Stimmung. Ein Problem: Es war sehr heiß, und wir hatten nicht allzu viel zu trinken dabei. Ein weiteres Problem: Der Weg war eher mäßig gut ausgeschildert, und unser Kartenmaterial passte nicht zu der vorhandenen Beschilderung. Regelmäßig und zunehmend genervt standen wir an einer Weggabelung und rätselten, wo es wohl langging. Kurzum: Der stundenlange Abstieg unter sengender Sonne brachte uns an unsere körperlichen Grenzen.

Mit Einbruch der Dämmerung erreichten wir zwar das Tal, doch die Erschöpfung war so groß, dass die Väter sich entschlossen, den Weg zum Parkplatz allein zurückzulegen, um die Autos zu holen. Mütter und Kinder wollten derweil an einer Wanderbank in einer Wegbiegung rasten und warten. So weit, so gut.

Doch als die Väter eine gute Stunde später am Treffpunkt eintrafen, waren die Frauen und Kinder verschwunden. Den Jüngeren sei gesagt: Mobiltelefone gab es nicht. Die einen waren am Treffpunkt, die anderen aber in der Zwischenzeit weitergegangen, weil ein Ristorante in der Nähe eine willkommene Stärkung versprach. „Von der Terrasse aus haben wir die Straße im Blick – und sehen, wenn Papa und die anderen mit den Autos kommen“, hatte meine Mutter gesagt. Sie hatte fast immer Recht, doch in diesem Fall leider nicht.

Die Restaurant-Besitzerin brachte uns Kissen und Decken

Stunde um Stunde verging, ohne dass wir ein bekanntes Auto sahen, es wurde spät und später. So spät, dass uns die fürsorgliche Besitzerin des Restaurants irgendwann Kissen und Decken brachte – und wir uns auf eine Nacht im Freien einrichteten.

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Die Väter hatten unterdessen, zunehmend verzweifelt nach stundenlanger erfolgloser Suche, eine Station der Carabinieri aufgesucht und uns als vermisst gemeldet. Irgendwann in der Nacht bog die Militärpolizei mit Blaulicht auf den Hof unseres Restaurants ein – wir waren gerettet.

Kostenloser Höllenritt im Fiat Uno nach Hause

Wobei, nein, noch nicht ganz. Wir mussten noch die Heimfahrt zum Ferienhaus überleben. Ich weiß es noch wie gestern, wie wir uns zu dritt auf die Rückbank eines Fiat Uno quetschten, dessen Fahrer anschließend mit Vollgas durch die schmalen Gässchen der Dörfer preschte. Als es zwischendurch knallte, entfuhr ihm ein kurzes „ops“ (italienisch für „Hoppla“) – der Seitenspiegel hatte eine Mauer „geküsst“... Trotz gewisser Ängste waren wir den freundlichen Polizisten natürlich sehr dankbar – schließlich hatten sie uns nicht nur gerettet, sondern auch ein kostenloses Taxi nach Hause spendiert.

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