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Antennen-Ärger und Ayurveda für Arme: Campingurlaub mit der Familie
Urlaubs-Serie
Camping – man liebt es oder man hasst es. Ich gehöre zur ersten Gruppe, bin aber froh, dass sich manches geändert hat. Moderne Technik gab es damals nicht: Eine Erinnerung an eine andere Zeit.
„Nein“, „Immer noch nicht“, „Ja jetzt! Nein, jetzt nicht mehr“, „Jetzt, ja!“ „Och Papa!“ Während meine Schwester und ich im Vorzelt saßen, stiefelte mein Vater draußen herum. Zentimeter für Zentimeter rückte er die knallgelbe, einen Meter hohe Antenne Stück für Stück nach links – und dann wieder zurück.
Wir starrten derweil auf das graue Rauschen auf dem maximal 30 Quadratzentimeter großen Bildschirm des Röhrenfernsehers – und immer, wenn ein Bild auch noch so kurz auftauchte, riefen wir raus.
Eine Tortur, die heute undenkbar wäre, damals aber einfach dazu gehörte. Wie oft wir im Endeffekt auf dem Campingplatz Fernsehen schauten, weiß ich gar nicht mehr. Nicht häufig jedenfalls.
Die Zeit, die beim Einstellen der Antenne drauf ging und die überstrapazierten Nerven waren es jedenfalls nicht wert. Jedenfalls ganz sicher nicht für die Partei, die sich am Abend das Programm nicht aussuchen durfte: Deutschland sucht den Superstar versus Traumschiff – oder so ähnlich. Mein Vater zog jedenfalls meist den Kürzeren. Und doch stand er jedes Mal wieder da. Immer auf der Suche nach Empfang und stolz wie Oskar auf seine topmoderne Antenne.
Gemeinschaft auf dem Campingplatz statt Strandurlaub in Miami
Auf dem Campingplatz sind Dinge, die man zu Hause nie oder eher ungern tun würde, eben normal. Ja sie machen sogar Spaß. Der Abwasch und der Gang zum Toilettenhäuschen, wenn man nachts mal musste, vielleicht ausgenommen. Aber auch das machte es irgendwie zu einem Abenteuer. Urlaub in Florida, wie ihn eine Freundin aus der Grundschule erlebte, den kannte ich damals nicht.

Auf Bildern sieht Camping immer sehr idyllisch aus. Ist es aber nicht immer. © obs
Stattdessen standen Campingplätze an Ostsee oder Mosel und Besuche bei den Großeltern Polen auf dem Programm. Und jedes Mal war es wunderschön.
Was am Campen so schön ist, lässt sich schwer in Worte fassen. Man muss die Atmosphäre dort einfach erleben. Ich denke das Wort „Gemeinschaft“ trifft es ganz gut. Man kennt die Nachbarn und als Kinder hatte meine Schwester und ich im Nu neue „Freunde“.
Daran mussten meine Eltern sich aber auch erstmal gewöhnen. Auf unserer ersten Tour mit dem eigenen Wohnwagen – vorher musste ein Drei(!)-Personenzelt ausreichen – war ich binnen weniger Minuten verschollen. Meine Schwester, Mama und Papa waren schwer damit beschäftigt, das Vorzelt aufzubauen etc.
Und ich? Ich bin spontan mit dem Nachbarsjungen zu einem Strandspaziergang aufgebrochen. Dass ich vermisst wurde, habe ich tatsächlich vor ein paar Tagen erst erfahren, als ich meine Mutter nach Campingplatz-Erinnerungen fragte.
Achtsamkeit und Erholung gab es inklusive
Ich wollte eigentlich erfahren, was für Pannen uns so passiert sind. Und hätte es davon welche gegeben, wäre diese Geschichte sicherlich unterhaltsamer. Aber statt Pannen gab es lediglich merkwürdige Rituale. So haben wir nach jeder Ankunft Pasta einer bekannten Marke gegessen, die drei Portionen enthalten soll. Gefühlt sind es aber maximal zwei Portionen und wir waren vier Leute. Aber Tradition war eben Tradition. Und auf dem Campingplatz schmeckt das Essen sowieso irgendwie anders.
Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass alles dreimal so lange dauert. Aber das ist okay, nein es ist sogar gut! Man freut sich umso mehr auf die Mahlzeit. Geduldig saßen wir damals beim Zelten vor dem Mini-Campingkocher und später am Mini-Herd im Wohnwagen. Alle halfen mit. Und mit dem Handy die Wartezeit verkürzen? Das war damals noch undenkbar.
Kein Handy, ein wenig berauschendes Fernsehbild und Gespräche mit den Campern von nebenan. Heute würde man dazu sagen, dass man beim Camping Achtsamkeit und Gelassenheit üben kann, was ja sehr gesund sein soll. Wenn man nicht gerade die Antenne richten muss also eine Art Ayurveda für Arme quasi. Damals war das aber einfach der ganz normale Urlaub. Und dafür bin ich dankbar.
Campen fahre ich übrigens immer noch gerne. Aber die Antenne, die noch in Papas Keller schlummert, die bleibt zu Hause.