
© Grafik Klose
Von Seeigeln, Moskitos und nackten Tatsachen: Mein Urlaub in Kroatien
Urlaubs-Serie
In einer Serie erinnern wir uns an unsere schönsten, schrecklichsten oder chaotischsten Urlaube mit der Familie – als Kinder oder als Eltern. Viel Spaß auf meiner Zeitreise in die Achtziger.
Der erste „richtige“ Urlaub meines Lebens ist knapp 40 Jahre her. Im Sommer 1982 ging es nach Kroatien. Viele Erinnerungen sind für immer hängengeblieben. Bis auf diese eine Sache...
Die Autofahrt: Gefährliche Kombi im Kombi
Damals war ich fünf Jahre alt, mein Bruder Michael zweieinhalb. Geplant war ein Urlaub mit der Großfamilie – Onkel und Tante, Cousin und Cousine. Papa und Mama packten ihren natogrünen VW-Passat (Papa ist Soldat) bis obenhin voll.
In Kolonne fuhren wir in Richtung Süden. Ohne iPhone – nicht mal ein Kassettenrekorder war an Bord. Eine Klimaanlage leider auch nicht. Papa kurbelte halt die Fenster runter.

Das tägliche Ritual am Strandparkplatz: Alles muss raus! © Thal
Ich war neidisch, weil mein kleiner Bruder in diesem hohen Kindersitz saß. Auf meinen Schoß war ein dummes Plastik-Tischchen geschnallt. Darauf habe ich dann stundenlang Bilder gemalt. Mein Bruder guckte stolz aus dem Fenster. Hätte er lieber bleibenlassen sollen. Irgendwo auf der Brennerautobahn zwischen Österreich und Italien kotzte er meiner Mutter in den Nacken.
Michael hatte kurz zuvor ein Mohnbrötchen gefuttert, und die Sitze meiner Eltern hatten Bezüge aus Schaffell. Eine gefährliche Kombi. Das Bild, wie Mama an einer Raststätte Mohnkrümel aus dem Fell pflückt, war grandios.
Abnabelung von Käpt‘n Iglo
Vier Wochen wohnten wir in einer Ferienwohnung im Dörfchen Dajla an der Adria. Fast jeden Tag wurde gegrillt. Doch zwischendurch besuchten wir Novigrad und gingen im Hafen in ein Fischrestaurant.
Mein Onkel hatte Seezunge bestellt, einen echten Fisch. Mit Kopf und Schwanz, mit Kruste und Gräten, mit Knoblauch und Zitrone. Er duftete köstlich. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt nur Fischstäbchen von Käpt’n Iglo.
Onkel Wilfried musste wohl oder übel teilen. Noch heute erinnert mich der Fisch-Geruch in Mittelmeer-Restaurants an diesen ersten Fisch in Novigrad. Und Fischstäbchen kommen mir nicht mehr auf den Tisch.
Felsspalten-Hopping in roten Sandalen
Der Strand von Dajla war abenteuerlich. Man musste eine Böschung hinunter. Gar nicht so einfach mit Liegestühlen und einem Schlauchboot. Unten waren Steinplatten, von Rissen durchzogen und mit steil abfallender Kante zum Wasser.

"Los, Kinder, geht schön spielen": Das funktionierte nicht am Strand von Dajla. © Thal
Dass meine Mutter keinen Koller bekam, wundert mich. Sie konnte uns praktisch nicht aus den Augen lassen. Wegen der Steine und der Seeigel trugen wir alle knallrote Badesandalen aus Gummi – die Dinger gibt es heute noch.
Mama passte gut auf uns auf. Fast immer. Irgendwann rutschte ich rückwärts in eine der Wasserspalten. Über mir sah ich durch das Wasser die Sonne, kleine Fische flitzten an meinem Kopf vorbei. Dann zog Papa mich raus.
Überleben in der Wildnis
Papa wusste halt, wie man am Strand überlebt. Als gestandener Feldwebel brachte er uns bei, wie man Nahrung findet. Er zerteilte Seeigel und schlürfte sie aus. Wir wären lieber verhungert.
Tante Petra hätte es in der Wildnis nicht lange geschafft. Sie trug als einzige keine Sandalen. „Ich bin abgehärtet“, sagte sie. Und trat in einen Seeigel. Wir Kinder sammelten die Stacheln ein, die Mama aus ihrer Ferse zog. Diesen Seeigel wollte Papa dann nicht essen.

Mit Papa in der Adria: Ich war fünf und hatte diesen praktischen Kurzhaarschnitt. © Thal
Apropos Stacheln: Ich weiß noch, wie ich nachts von einem komischen Jucken aufwachte und gigantische Moskitos auf meiner Hand entdeckte. Ich schrie lauter als nach meinem Felsspalten-Rutscher. Dagegen wusste selbst Papa kein Mittel: Der Arm war so dick, dass eine Ärztin kommen musste.
Mama – wo sind eigentlich die Urlaubsbilder?
Viel zu schnell war mein erster Urlaub vorbei. Von der Rückfahrt weiß ich nur, dass die Fellsitze abmontiert waren. Und mein Bruder Brötchen ohne Körner bekam.
Was ich bis heute verdrängt habe, ist erst beim Schreiben dieses Artikels wieder hochgekommen. Mich hatte gewundert, dass es nur so wenig Fotos gibt.
„Mensch“, sagt meine Mutter, „das war ein FKK-Strand. Wir waren dort alle den ganzen Tag nackt.“
Ach ja, richtig...
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
