Neu sind sie nicht und dennoch fand sich kürzlich wiederholt ein Kritiker der Zusatzbeschilderung an der Hauptstraße: Schilder, die dortige Gehwege für den Radverkehr freigeben, haben den Zusatz „Schritttempo“. Ein Hinweis, der nach Meinung des pensionierten Polizeibeamten Ernst-Dieter Standop aus Kamen nicht umsetzbar sei.
Standops aktuelle Beobachtung beschreibt einen Umstand, der bereits bei der Einführung im Jahr 2022 für entsprechende Reaktionen sorgte. Wenn der Kamener jetzt sagt, dass solche Zusatzzeichen im Rahmen der Straßenverkehrsordnung nicht rechtsverbindlich sind, dann deckt sich das mit einer früheren Aussage aus dem Straßenverkehrsamt in Unna. Schon vor drei Jahren hielt Michael Arnold für die Behörde fest: „Wenn die Gemeinde das so machen will, kann sie das tun. StVO-konform ist es allerdings nicht.“
„Schritttempo“ für mehr Rücksichtnahme
Das Rathaus begründete den Zusatz seinerzeit mit der gewünschten Rücksichtnahme, die Radfahrer gegenüber dem Fußverkehr nehmen sollten. Auch wenn ein farblich abgesetzter Bereich auf den Gehwegen entlang der Hauptstraße einen Radweg oder eine -spur suggerieren mag: Es bleibt ein Gehweg, den Radfahrer nach StVO als „Gast“ benutzen dürfen, wenn sie dabei den Fußverkehr nicht gefährden.
Leserin Elke Lutz aus Holzwickede schreibt dieser Redaktion: „Niemand fordert im Ernst, dass Radfahrer Schrittgeschwindigkeit fahren, aber aus Rücksicht auf Fußgänger (...) sollten sie nicht über den Radstreifen (Gehweg, Anm. d. Red.) rasen.“ Zumal sie auch regelmäßig die Unsitte beobachte, dass Radfahrer auf dem Gehweg entgegen der Fahrtrichtung unterwegs seien. „Als Fußgänger fühle ich mich immer mehr in die Defensive gedrängt.“

Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung unterwegs
Eine Beobachtung, die Karsten Obrikat teilt: Er pendelt unter der Woche täglich mit dem Rad rund 32 Kilometer von der eigenen Haustür in Iserlohn-Rheinen zur Arbeit in Dortmund-Asseln und zurück und fährt dabei durch Holzwickede. Dürfen Radfahrer einen Gehweg nutzen, dann stets in angegebener Fahrtrichtung. Eine Regel, die laut des Vielfahrers Obrikat oft missachtet wird und ordnungswidrig ist.
Der Iserlohner setzt seit mehr als zehn Jahren auf das Rad für den Arbeitsweg, nutzte dabei zunächst reine Muskelkraft und lässt sich mittlerweile von einem E-Motor unterstützen. Er versteht das „Schritttempo“ als Hinweis, langsam zu fahren – wie von der Gemeinde gewünscht. „Solche Zusatzzeichen stehen manchmal auch zur Erinnerung an Zufahrten zu verkehrsberuhigten Zonen“, so Obrikat.

Wie langsam ist jetzt aber die Schrittgeschwindigkeit? Darüber hat sich auch der Iserlohner schon seine Gedanken gemacht. „In der Fahrschule Ende der 80er-Jahre habe ich gelernt, dass die Tachonadel gerade einmal zucken darf.“
Eine gültige Definition ist das allerdings nicht. Die würde man am ehesten von einem Gerichtsurteil erwarten, aber der Radpendler verweist auf eine Expertenwebseite zur Straßenverkehrsordnung, die alleine für NRW mehr als ein halbes Dutzend auflistet, in denen Gerichte „Schrittgeschwindigkeit“ unterschiedlich definieren.
Die Spannweite reicht von „4 bis 7 km/h“ bis zu „deutlich unter 20 km/h“. Wo „deutlich“ zu verorten ist, wäre das nächste Beispiel für einen gewissen Ermessensspielraum. Klar dürfte sein, dass kein Radfahrer auf dem Gehweg zu akrobatischen Balanceakten im Zeitlupentempo gezwungen werden soll. Wer allerdings mit dem Pedelec bei voller Motorunterstützung konstant seine 25 km/h fahren will, darf und sollte dafür die Fahrbahn nutzen.
Zumal seit knapp drei Jahren auf Haupt- und Nordstraße im Sinne des Lärmschutzes sowie durch Schulen und Kindergärten weitgehend höchstens Tempo 30 erlaubt ist. Hier müssen dann tatsächlich Autofahrer und Co. auf die Radfahrer als schwächere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen.