
© Marcel Drawe
Arbeiten auf dem Ponyhof: Alltag für eine Autistin in Fröndenberg
Inklusion
Auf dem Hof „Ratz Rabatz“ gehen täglich Menschen mit einer Behinderung ein und aus. Sie nehmen am therapeutischen Reiten teil. So wie Lara Bergmann früher. Heute begleitet sie die Therapien.
Mit Tieren arbeiten: Das war schon immer Lara Bergmanns Traum. Deshalb wollte sie gerne im Zoo oder mit Pferden arbeiten. Ganz normale Mädchenwünsche, könnte man sagen. Doch dass Lara Bergmann ihren Traum verwirklichen konnte, war keine Selbstverständlichkeit. Die junge Frau ist Autistin. Und hat auf dem Hof „Ratz Rabatz“ in Ostbüren, der Reittherapien und Reitunterricht anbietet, den Einstieg auf den Ersten Arbeitsmarkt geschafft.
Heute kümmert sie sich um die Pferde des Hofes: Auf die Weide bringen, das Pferd für den Unterricht oder die Therapiestunde putzen, satteln und bei der Therapie selbst unterstützen. Das alles erledigt Lara Bergmann selbstständig.
Spontane Anweisungen sind keine Seltenheit auf dem Hof
Obwohl der Reiterhof eigentlich so gar nicht das ist, was die 22-Jährige als Autistin bräuchte, berichtet Jeanette Lategahn, Geschäftsführerin des Hofes Ratz Rabatz. „Für eine Autistin ist das hier der völlig falsche Beruf.“ Statt geregelter Abläuft regiert hier regelmäßig die Spontaneität. Ist Lara Bergmann also gerade dabei, ein Pferd für die Reittherapie vorzubereiten, könne es schon mal sein, dass es spontan doch ein anderes Pferd werden soll. Doch das habe sich eingespielt, erklärt Jeanette Lategahn. Sie hat Lara Bergmann vor zweieinhalb Jahren eingestellt.

Selbstständig satteln: Auch diese Aufgaben übernimmt Lara Bergmann. Sie bereitet die Pferde für die Therapie vor, bei der sie Jeannette Lategahn auch unterstützt. © Marcel Drawe
Über das Projekt „NeuEinstellung“ hatte die 22-Jährige zunächst ein Praktikum auf dem Hof absolviert, den sie durch ihre Teilnahme am therapeutischen Reiten schon kannte. Das Projekt unterstützt Menschen mit Behinderung dabei, sich in das Berufs- und Arbeitsleben zu integrieren. Bevorzugt auf dem Ersten Arbeitsmarkt.
Wie das funktioniert, haben sich Hubert Hüppe, ehemaliger Bundesbehindertenbeauftragter, und Hermann Gröhe, ehemaliger Bundesgesundheitsminister und jetziger stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, kürzlich vor Ort erklären lassen.
Traumberuf nach einem Praktikum gefunden
Das Projekt „NeuEinstellung“ wird über die Bildung und Lernen gGmbH angeboten, die eine Tochter der Awo Ruhr-Lippe-Ems ist. Sechs Mitarbeiter betreuen die Kunden des Projekts. Einer von ihnen ist Uwe Lopens, der eng mit Lara Bergmann zusammenarbeitete. „Frau Bergmann war ein besonderer Einzelfall“, erklärt er.
In der Regel bräuchten die Kunden mehrere Praktika, um den richtigen beruflichen Weg für sich zu finden. Bei der 22-Jährigen blieb es aber bei Praktikumsstelle Nummer eins. „Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht.“ Zwölf Monate werden den Betreuern und den Kunden eingeräumt, um sich beruflich zu orientieren und am Ende einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstelle zu finden.
Nicht jeder Arbeitgeber ist dem Projekt gegenüber aufgeschlossen
Doch dieser Schritt ist gar nicht so leicht, erklärt Lopens. Die Agentur für Arbeit fördert die Beschäftigung der Kunden von „NeuEinstellung“. In welcher Höhe, das muss jeder Arbeitgeber selbst erfragen. Da sei die Hürde ziemlich hoch, kritisiert Lopens im Gespräch mit Hüppe und Gröhe. Für zwei Jahre würden häufig 50 bis 70 Prozent der Lohnkosten übernommen.

Über das Projekt haben sich kürzlich in Ostbüren Hermann Gröhe (seitlich, von rechts) und Hubert Hüppe informiert. Mit dabei waren Vertreter der Awo, der CDU sowie des Projekts „NeuEinstellung“: Karin Schäfer (Kreisvorsitzende der Awo im Kreis Unna), Olaf Lauschner (Stadtverbandsvorsitzender der CDU), Rainer Goepfert (Geschäftsführer der Awo Ruhr-Lippe-Ems) und Daniel Tünsmeyer (Einrichtungsleiter von „NeuEinstellung“). Am Pferd stehen Jeanette Lategahn, Geschäftsführerin des Hofes „Ratz Rabatz“ und Lara Bergmann. © Marcel Drawe
Nach dieser Zeit komme der Integrationsfachdienst des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe ins Spiel: „Wir schreiben eine Stellungnahme, dass es sich um eine Alternative zur Werkstatt handelt“, erklärt Lopens. Dieser kann die Tätigkeit für die nächsten drei Jahre fördern und ist ab sofort Ansprechpartner für Kunden und Arbeitgeber. Die Arbeit der Mitarbeiter von „NeuEinstellung“ ist damit beendet.
Hubert Hüppe kritisierte bei seinem Besuch in Fröndenberg noch eine andere Hürde. So ist im Paragraf 66 des Berufsbildungsgesetzes vorgesehen, dass eine Zusatzqualifikation nötig ist, um Menschen mit Behinderung auszubilden. Diese umfasst 320 Stunden. „Das ist eine Vorschrift, die ich schon lange bekämpfe“, sagte Hüppe. Für das Projekt „NeuEinstellung“ könne man in dieser Hinsicht unterstützen, erklärte Einrichtungsleiter Daniel Tünsmeyer. Sowohl er selbst als auch Lopens hätten diese Zusatzqualifikation und können den Ausbildungsteil für die Betriebe übernehmen.