
© Alexander Heine
Albinismus: Über das ganz normale Leben von Lydia (32) aus Schwerte
Erbkrankheit
Ihre helle Haut und fast weißen Haare sind typisch für Albinismus, die Sehbehinderung schränkt Lydia Heit (32) ungleich mehr ein. Wie sie dennoch den Weg in ein normales Leben gemeistert hat.
Lydia Heit (32) ist selbstbewusst und souverän, irgendwie spritzig. Sie war nicht immer so charakterstark. Heute aber spricht sie ganz offen über das, was man ihr nicht gleich ansieht – was ihr die Kindheit aber ungleich schwerer gemacht hat als anderen in ihrem Alter. Sie sei der Schneemann oder der Tod, waren Hänseleien von anderen Kindern, denen sie sich auf dem Schulhof ausgesetzt sah. Und selbst im Erwachsenenalter hat ihr mal ein völlig Fremder auf offener Straße zugerufen: „Ekelhaft, geh mal ins Sonnenstudio!“
Albinismus: Eine seltene Erbkrankheit
Die 32-Jährige aus Schwerte wurde mit einer seltenen Erbkrankheit geboren, die die Bildung des Pigments Melanin stört. Ihre helle Haut und die fast weißen Haare sind charakteristische Merkmale von Albinismus, gleichzeitig ist ihre Sehkraft mit rund 30 Prozent sehr schwach.
Die Sehbehinderung ist denn auch mit den größten Einschränkungen verbunden: Im Supermarkt Zutatenlisten oder beim Bäcker Angebotsschilder überfliegen – nicht möglich für die junge Frau, die deshalb beispielsweise auch keinen Führerschein machen kann. Die Brille, die sie trägt, gleicht eine Hornhautverkrümmung aus, aber nicht ihre Sehbehinderung – verleitet andere aber oft zu der Annahme, sie könne ganz normal sehen. Sie kann es nicht.
Schule, Ausbildung, Studium: Alles ganz normal
Trotzdem ist das allermeiste im Leben von Lydia Heit ganz normal. Sie hat eine Grundschule, dann eine Gesamtschule besucht. Nach dem Abitur erst ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, dann eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten – und schließlich noch ein Studium an der Technischen Universität (TU) Dortmund, ehe sie sich erneut in den Freiwilligendienst begab. Heit lebte ein Jahr in Südafrika, um Kinder mit Behinderungen in Townships zu unterstützen.

„Let‘s do something wild“ steht auf dem T-Shirt, das Lydia Heit vor der Kulisse Kapstadts in Südafrika trägt: Von der Sonne geht bei Albinismus besonders große Gefahr aus, die Schwerterin schützte sich mit Mütze und Schal vor der für sie besonders gefährlichen UV-Strahlung. © privat
Heute arbeitet die Rehabilitationspädagogin als Peer-Beraterin bei der EUTB: Eine staatlich finanzierte Beratungsstelle für alle Belange und Fragen rund ums Thema Behinderung im Kreis Unna. „Peer“ steht für die Methodik der Beratung: Menschen mit Behinderung beraten andere Menschen mit Behinderung.
Heit hat damit das zu ihrem Beruf gemacht, was ihr selbst insbesondere in ihrer Studienzeit eine wichtige Brücke war: Dort gibt es mit der „DoBuS“ eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um Behinderung und Studium. „Das war ein wichtiger Pfeiler, der mir vieles leichter gemacht hat“, sagt Heit. Sie selbst sei verunsichert und zweifelnd gewesen, ob sie das Studium überhaupt werde schaffen können. „Da war jemand, der verstehen konnte, warum dieses oder jenes für mich schwieriger ist, als für andere. Jemand, der mir Orientierung und Impulse geben konnte, jemand zum Reden.“
Eltern kämpften um einen Platz im Regelschulsystem
Den Grundstein aber haben die Eltern von Lydia Heit gelegt. Nämlich als sie für einen Platz im Regelschulsystem kämpften. Der Inklusionsgedanke war damals freilich nicht so weit wie heute, auch Lydia Heit sollte ursprünglich eine Sehbehindertenschule besuchen und hat das zwischenzeitlich sogar auch ausprobiert. „Für mich hat sich das total falsch angefühlt“, erinnert sich die heute 32-Jährige. Aber auch in der Regelschule war es für sie nicht immer einfach: „Das fühlte sich an wie: ‚Ich bin anders und will das gar nicht sein‘“, erinnert sich Heit.

In der Schule zählte noch ein Okular zu den Hilfsmitteln, heute vereinfacht Technik Lydia Heit (32) das Arbeiten: Hier ein Bildschirmlesegerät, das wie eine Lupe funktioniert. © Alexander Heine
Das ist denn auch der Wunsch, den sie mit dem Inklusionsgedanken verbindet: „Wenn anders sein normal wäre“, dann sei Inklusion erfolgreich und am Ziel. Mit ihrer eigenen Erfahrung hilft sie anderen Menschen mit Behinderungen als EUTB-Beraterin dabei, das Leben normaler und damit leichter zu machen.