Lkw-Fahrer nach tödlichem Unfall „Rechtmäßig kann man kaum irgendwo stehen“

Lkw-Fahrer nach tödlichem Unfall: Man weiß kaum, wo man parken soll
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Seit 14 Nächten kann Stefan R. nicht mehr richtig schlafen. Ist auf Medikamente angewiesen, lebt mit einer belastenden Frage: „Was wäre gewesen, wenn ich nicht dort nicht geparkt hätte?“ Stefan R. ist der Fahrer des Lastwagens, in den am Sonntag vor zwei Wochen ein Kleinwagen raste.

Ob Stefan dort hätte parken dürfen oder nicht, fragt er sich auch. „Ich habe immer wieder Leute gefragt, die es wissen müssten, ich bekam nie ein Nein, nie ein Knöllchen, nie eine Verwarnung“, schildert er. Seit 4,5 Jahren parkte Stefan seinen Lastwagen an der Werner Straße auf der Stadtgrenze von Kamen und Bergkamen - bis zum Sonntag vor einer Woche. Da passierte der Unfall.

Weil der Fahrer, der mutmaßliche Unfallverursacher, starb, gebe es keine kriminalpolizeiliche Ermittlung zum Unfallhergang. Auf die Frage, warum der Wagen mit hohem Tempo auf dem Seitenstreifen fuhr und ohne zu bremsen oder auszuweichen in den Laster fuhr, wird es deshalb keine offizielle Antwort geben.

„Das belastet mich sehr“, sagt der Fahrer des Lastwagens. Zumal er auch nicht einmal wisse, wie es der Beifahrerin geht. Wegen des Datenschutzes. „Aber 1000 Leute im Internet wissen Bescheid und haben ihre Meinung“, ärgert sich Stefan R., denn: „Die Darstellung in den sozialen Medien ist unterirdisch.“

Ohne Medikamente geht es nicht

Für ihn brach in dieser Nacht eine Welt zusammen. Seit 20 Jahren fährt er Lkw und sagt über sich selbst: „Ich bin bestimmt kein Engel.“ Aber Anfang des Jahres wurde er in seinem Lastwagen überfallen, hatte die Ängste danach dank psychologischer Hilfe wieder im Griff. Die Kur schob er aber vor sich her: „Ich muss ja mein Leben finanzieren“, sagt er mit Blick auf den Einnahmenverlust in dieser Zeit.

Und dann kam der tödliche Unfall. „Ich bin wieder in ärztlicher Behandlung, ich schlucke Tabletten, ohne die es noch nicht geht“, schildert er. In einer Nacht habe er es ohne Medikamente versucht, aber es sei nicht gegangen. Und als die Tabletten dann nicht an gewohnter Stelle lagen, wurde er nachts laut. „Das ist auch für meine Familie gerade eine unglaublich schwere Zeit“, sagt der Lkw-Fahrer.

Doch gerade seine Familie sei sein Anker. „Die geht ganz klar vor allem“, sagt der 50-Jährige. Deshalb erstickte er seine Selbstmordgedanken auch sofort im Keim. Seine Ärztin riet ihm vom Gespräch mit unserer Redaktion ab, aber Lkw-Fahrer Stefan suchte von sich aus das Gespräch: „Ich will die Leute sensibilisieren! Ein Mann braucht durchschnittlich 20 Monate, bis er sich eingesteht, dass er Hilfe braucht. Das ist zu lange.“

Ein Verkehrszeichen signalisiert ein absolutes Halteverbot an der Bodelschwingh-Straße in Bergkamen - der Zufahrtstraße zu den Firmen im Logistikpark A2.
Der Logistikpark A2 ist aufgrund seines Zwecks ein Ziel unzähliger Lastwagenfahrer. Doch mit ihren Fahrzeugen dürfen sie dort außerhalb der Firmengelände nicht stehen. Um die Ruhepausen einzuhalten, müssen sich die Fahrer andere Parkmöglichkeiten suchen. Das ist nicht einfach. © Marcel Drawe

Strukturelles Problem muss gelöst werden

Er selbst kam erst zur Unglücksstelle, als ihn Bekannte anriefen, die seinen Lkw erkannt hatten. „So beschäftigt mich jetzt das Warum? Wenn ich direkt vor Ort gewesen wäre, wenn ich den Hergang gesehen hätte, dann könnte ich damit abschließen“, sagt er. Denn sein Lastwagen sei eigentlich nicht zu übersehen gewesen. Der habe Österreich-Tafeln, also eine viel strengere Beklebung als in Deutschland notwendig, und Umrissreflektoren. „Die Polizei nutzte ihn sogar mal als vorhandenes Hindernis im Rahmen einer Verkehrskontrolle, um den fließenden Verkehr auszubremsen“, weiß Stefan. „Die hätten doch was gesagt, wenn ich da nicht hätte stehen dürfen.“

Seine Hände in Unschuld waschen wolle er aber auch nicht, betont er. „Ich will auch nicht in Ermittlungen eingreifen. Aber ich will, dass das alles vernünftig dargestellt wird.“ Die Besserwisserei in den Internetforen ärgere ihn.

Der Lkw von Stefan R. hatte sogar vorne eine reflektierende Warntafel, um den Gegenverkehr darauf hinzuweisen, dass dort etwas steht.
Der Lkw von Stefan R. hatte sogar vorne eine reflektierende Warntafel, um den Gegenverkehr darauf hinzuweisen, dass dort etwas steht. © Michael Neumann

Denn der Tod eines anderen Menschen wird Stefan R. nun sein Leben lang begleiten. „Ich werde nie wieder da parken“, sagt der Lkw-Fahrer ohne Raum für Zweifel. Und steht damit vor einem nächsten Problem: Wo kann er es dann? „Die Leute beschweren sich immer, wenn wir irgendwo stehen. Sie verlangen aber, dass Ware immer vorhanden ist. Selbst im Logistikpark A2 oder im Gewerbegebiet am Schlagbaum gibt es Halteverbotsschilder oder Parkverbote für Fahrzeuge über 2,8 Tonnen.“ Das Problem zeige sich auch auf den Rastplätzen der Autobahn. „Viele Kollegen parken da unrechtmäßig. Aber wir haben oft gar keine andere Chance.“

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