Wie Anastasija Hering und ihr Vater ihre Verwandten aus dem Krieg holten

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Wie Anastasija Hering und ihr Vater ihre Verwandten aus dem Krieg holten

dzKrieg in der Ukraine

Als die ersten Bomben auf die Ukraine fallen, zögern viele mit Verwandten im Kriegsgebiet nicht lange. Sie setzen sich ins Auto und holen ihre Liebsten ab, so auch Anastasija Hering und ihr Vater.

Unna

, 10.03.2022, 04:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Odessa war unter den ersten Städten in der Ukraine, in der das Kriegsgeschehen am direkten Leib für die Zivilbevölkerung spürbar wurde. In der Großstadt am Schwarzen Meer leben viele Verwandte von Anastasija Hering, unter anderem ihre Tante, ihr Onkel und ihre Cousinen. Gemeinsam mit ihren Eltern aus Unna fasst sie schnell den Entschluss, die Tante und die Kinder müssen da raus.

Anastasija Hering berichtet: „Wir standen schon in der Zeit, in der sich der Krieg mehr und mehr angebahnt hat, in ganz engem Kontakt, haben immer geschrieben und telefoniert.“ Dann fielen die ersten Bomben, schlugen die ersten Raketen auch in Wohnhäuser ein. „Mein Onkel ist dann als Freiwilliger zu den Truppen für die Landesverteidigung gegangen. Der ist einfach zu einer zentralen Sammelstelle - wo genau durfte er nicht sagen - dort hat er sich registriert und am nächsten Tag hat er seine Uniform und eine Waffe bekommen, das ging ganz schnell.“

Ihre Tante habe auch da bleiben wollen, etwas tun, nicht einfach abhauen. Sie betreibt ein Geschäft in Odessa, ihre Töchter gehen dort zur Schule. „Wir konnten sie dann aber doch überreden, dass sie versucht, noch mit dem Zug rauszukommen, das war schon knapp und sie hatte Glück und ist noch in einen der letzten Züge gekommen, die von dort noch Richtung Polen gefahren sind.“

Drei Tage im völlig überfüllten Zug unterwegs

Gemeinsam mit ihrem Vater Evgenij Maier setzt sich Anastasija Hering ins Auto und fährt los. Ganz einfach war es nicht, diese Tour nach Polen zu planen, der Zug, in dem ihre Tante und ihre Cousinen sind, ist drei Tage unterwegs. In ihrem Wagon mehr als 200 Personen, fast ausschließlich Frauen und Kinder. „Die Frauen haben versucht, ihre Kinder so gut es geht hinzusetzen oder die kleineren auch hinzulegen. Die Mütter haben fast die ganze Zeit im Stehen verbracht.“

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Der Bahnhof in Odessa sei total überlaufen gewesen, sehr eindrücklich sind die Erfahrungen, die ihre Tante schildert. Viele der Menschen hätten eigentlich in der Stadt bleiben wollen, seien nur wegen ihrer Kinder geflohen, um sie nicht alleine wegzuschicken. Ausreisen dürfen zu dem Zeitpunkt ohnehin nur Frauen, sowie männliche Jugendliche und Alte. Viele Frauen aber, Frauen ohne Kinder, die gestern noch in der Bäckerei gearbeitet haben, hätten sich nicht am Bahnhof in die Schlange gestellt, sondern in die Schlange vor dem Registrierungsbüro für die Landesverteidigung.

Ein Bild, als die Welt noch in Ordnung war. Wann sie wieder in ihre Heimat Odessa zurück können, sie wissen es nicht.

Ein Bild, als die Welt noch in Ordnung war. Wann sie wieder in ihre Heimat Odessa zurück können, sie wissen es nicht. © privat

Nach der langen Zugfahrt steht die Bahn, in der sich Anastasija Herings Tante und ihre Cousinen befindet, noch einmal 18 Stunden an der polnischen Grenze. Als sie endlich den Zug verlassen können, haben sie Glück. Sie schaffen es in einen Anschlusszug nach Breslau, dort können Anastasija Hering und ihre Vater ihre Verwandten aus der Ukraine endlich in die Arme schließen und mit nach Hause nehmen, wo die drei jetzt bei Evgenj Maier in Unna wohnen.

Sorgen um die Verwandten in der Heimat

Drei Sorgen weniger, aber viele Sorgen bleiben. Der Onkel, die Schwester der Tante, die Großmutter sind noch in der Ukraine. „Es ist mittlerweile fast unmöglich geworden zu fliehen. Bahnen fahren nicht mehr. Immer wieder gibt es Explosionen und die Angst ist groß, dass auch Zivilfahrzeuge beschossen werden. Da bleiben die Menschen lieber in ihren Kellern“, berichtet Anastasija Hering.

Und als bliebe ihnen nichts erspart. Irgendwo haben sie sich mit dem Corona-Virus angesteckt. Das bedeutet Quarantäne und noch einmal mehr Belastung für die ohnehin schon gebeutelten Flüchtlinge. Außerdem verzögert sich dadurch das Behördenprozedere, denn als Corona-Positive dürfen sie nicht zu den Ämtern.

Was genau zu tun ist, wenn jemand Freunde oder Verwandte aus der Ukraine bei sich direkt aufnimmt, haben wir in einem separaten Text zusammengetragen.

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