Unnas Rathaus und der eingekaufte Sachverstand Die stille Macht der Gutachter

Eingekaufter Sachverstand: Die stille Macht der Gutachter
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Die Rolle des Oppositionsführers kennt Rudolf Fröhlich aus der Vergangenheit, doch ausfüllen muss er sie seit der letzten Wahl 2020 nicht. Umso größer war die Aufmerksamkeit, die er mit seiner Kritik am Höffner-Gutachten auf sich zog: Dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stadtrat den Sinn der Arbeit zumindest teilweise infragestellte, ließ aufmerken.

Für 75.000 Euro hatte das Aachener Büro „Reicher Haase Assoziierte“ – der Name ist von den Gründern der Gesellschaft abgeleitet – einen städtebaulichen Rahmenplan aufgestellt, der sich mit einer möglichen Wirtschaftsentwicklung im Umfeld der Provinzialstraße beschäftigt. Den größte Teil der Kosten für die formal von der WFG vergebene Arbeit, nämlich 60.000 Euro, trägt die Stadt Unna.

Fröhlichs Problem dabei: Gedanken haben sich die Experten nicht nur über ein mögliches Gewerbegebiet der Wirtschaftsförderungsgesellschaft gemacht, sondern auch über das Nachbargrundstück, das die Krieger-Gruppe für ihre Möbelkette Höffner gekauft hat. „Ich habe von Anfang an meine Verwunderung zum Ausdruck gebracht, dass hier ein Grundstück überplant wird, auf das die Stadt gar keinen Zugriff hat“, erklärte Fröhlich vor drei Wochen gegenüber unserer Redaktion.

Über Gründe für dieses Gutachten mochte Fröhlich nicht spekulieren. In der „richtigen“ Opposition des Stadtrates sprach man mitunter deutlicher: Die Arbeit sei wohl ein Auftragsgutachten, das von vorne herein nur den Nachweis bringen sollte, dass Höffner verhindert werden müsse, hieß es mitunter. Dies zu beweisen, dürfte den Kritikern allerdings schwer fallen. Denn dass die Experten eine Höffner-Ansiedlung an der Provinzialstraße nur als drittbeste Flächennutzung einstuften – noch nach der momentanen als Rübenacker – mag allenfalls ein Indiz sein.

Dieses Grundstück hat die bei Berlin ansässige Krieger-Gruppe gekauft, um dort einen Service-Standort für ihre Möbelkette Höffner bauen zu können. Doch ein hauptsächlich von der Stadt bezahltes Fachbüro kommt zu der Einschätzung, dass die Fläche selbst als Acker besser genutzt würde.
Dieses Grundstück hat die bei Berlin ansässige Krieger-Gruppe gekauft, um dort einen Service-Standort für ihre Möbelkette Höffner bauen zu können. Doch ein hauptsächlich von der Stadt bezahltes Fachbüro kommt zu der Einschätzung, dass die Fläche selbst als Acker besser genutzt würde. © Sebastian Smulka

Haben Gutachten die Stimmung gegen die Eishalle gedreht?

Kritik an vom Rathaus beauftragen Expertenarbeiten gibt es in Unna immer wieder. Meistens kommt sie aus den Reihen der Politik, und zwar aus den Reihen der Fraktionen, die den jeweiligen Gutachter inhaltlich auf der Gegenseite ausmachen. Bisweilen sind es aber auch die Bürger, die die Expertenbefunde infrage stellen. Bei den Bürgerentscheiden zur Eissporthalle stellten Stadt und Bürgerinitiative Kostenschätzungen vor, die mehrere Millionen Euro weit auseinander lagen. Vorwurf von „Unna braucht Eis“: Die Stadt rechne das Projekt bewusst teuer, um die öffentliche Meinung gegen die Halle zu richten.

Gutachterrat ist teuer

Dabei waren auch die Expertenleistungen zur Vorbereitung des ersten Bürgerentscheids nicht billig. Externe Dienstleitungen hatte die Stadt in Auftrag gegeben für Marktsondierungen, für die Klärung gesetzlicher Vorgaben, für die Planung der technischen Gebäudeausrüstung, baulicher Belange wie Statik und Brandschutz, Lärmschutz, Sicherheitskonzepte, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Insgesamt seien dafür rund 425.000 Euro ausgegeben worden, heißt es von der Stadt.

Unnas Beraterkosten sind relativ gesehen überschaubar

Beim Blick über die zurückliegenden Jahre fällt die Zeit der Eissporthallendebatte in dieser Hinsicht als herausragend auf. In der Regel gibt Unna weniger Geld für den Einkauf von externem Sachverstand aus: Im vergangenen Jahr addierten sich sämtliche Ausgaben für Gutachten, Prüfung, Beratung und Rechtschutz auf 302.000 Euro, im Jahr zuvor waren es rund 606.000 Euro – über nahezu alle Bereiche der Stadtverwaltung hinweg. Gemessen an den Gesamtausgaben der Stadt sei dies „keine steuerungsrelevante Größenordnung“, sagt Kämmer Michael Strecker. Denn insgesamt hatte Unna im vergangenen Jahr ein Haushaltsvolumen von 192 Millionen Euro.

Am Hertinger Tor jeder sechste Euro für „weiche Arbeiten“

Dabei bestreitet Strecker nicht, dass sich die Ausgaben für externen Sachverstand bei einzelnen Projekten zu hohen Summen addieren können. Für den Bau des neuen Bildungsstandortes am Hertinger Tor seien seit 2019 rund 6,3 Millionen Euro an Kosten entstanden, die für Planungsleistungen, Gutachten, das Mobilitätskonzept oder im Rahmen eines Architekturwettbewerbs angefallen sind. Gemessen an den erwarteten Gesamtkosten von 37,5 Millionen Euro ist der Anteil der „weichen Arbeiten“ deutlich.

Inzwischen werden am Hertinger Tor auch Steine aufeinander gestellt. Schon in der Planungsphase hat der Bau des neuen Bildungsstandortes mehr als sechs Millionen Euro gekostet.
Inzwischen werden am Hertinger Tor auch Steine aufeinander gestellt. Schon in der Planungsphase hat der Bau des neuen Bildungsstandortes mehr als sechs Millionen Euro gekostet. © Sebastian Smulka

Gute Gründe für externe Sachverständige

Gründe, auf externen Sachverstand zu setzen, sind vielfältig im Unnaer Rathaus. Manchmal greift die Stadt damit Spezialwissen ab, das nur wenige Büros besitzen – oder ein „Einmalwissen“, wie es nun zum Beispiel für die Kommunale Wärmeplanung gefragt sein dürfte und danach so schnell nicht wieder.

Doch auch bei den öfter gestellten Aufgaben könne es wirtschaftlicher sein, ein Büro zu beauftragen, statt dafür eigene Leute einzustellen, heißt es aus dem Rathaus.

Und dann gibt es natürlich auch noch den Fall, dass das Rathaus zwar Leute einstellen möchte, aber keine findet, wie derzeit in der Bauordnung. Die Kooperation mit der Kreisverwaltung, die Unna nun beim Abarbeiten lokaler Bauanträge hilft, wird im Rathaus ähnlich eingestuft wie die Beauftragung eines Fachbüros.

Wirtschaftlicher ist die Beauftragung eines externen Büros bisweilen auch dann, wenn es Fördergelder gibt, die solche Ausgaben decken. Denn für den Einsatz des bereits vorhandenen Personals einer Stadtverwaltung gibt es in der Regel keinen Zuschuss. Manche externe Vergaben sind rechtlich vorgeschrieben, wie die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durch die Gemeindeprüfungsanstalt.

Fremdvergaben auch aus politischen Gründen

Und tatsächlich gibt es auch Gutachten, die aus eigenen politischen Gründen extern vergeben werden – womit das Rathaus allerdings etwas anderes meint als manch ein Kritiker in der Politik. So ist eine aktuelle Untersuchung zum Kulturwesen aus Neutralitätsgründen extern vergeben worden, denn wenn es um die künftige Aufgabenteilung in Sachen Kulturmarketing geht, sollten nicht die Stellen eine Aussage über die sinnvollste Aufgabenverteilung treffen, um deren Aufgaben es geht.

Ähnlich gelagert ist das Ziel, mit externen Vergaben einen frischen Blick auf die lokalen Aufgaben einzukaufen, wo die Ortskundigen vielleicht schon Scheuklappen aufhaben.

Kein Rat, der nur Ja und Amen sagt

Undemokratisch sei an alledem nichts, betonen Strecker und Unnas Erster Beigeordneter Sandro Wiggerich nun in einem Gespräch mit unserer Redaktion. Schließlich sei es keineswegs so, dass das Rathaus Gutachten in Auftrag gibt, die der Rat dann abnicken müsse. Der Rat habe den Auftrag, die Entscheidungen in der Stadt zu treffen, die Verwaltung die Aufgabe, dafür die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen. „Wir wollen keinen Stadtrat, der Ja und Amen sagt“, betont Strecker. Und gerade die Höffner-Kontroverse zeige, dass die Politik die Empfehlungen von Fachgutachtern nicht einfach übernimmt.

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