Was die Energie- und Ökostandards angeht, könnte das neue Jobcenter auf dem Victoria-Areal als Gegenentwurf dienen zum bislang letzten Großprojekt in der Unnaer Innenstadt. Dachbegrünung, Pflanzbeete mit heimischen Sträuchern, eine insektenfreundliche Beleuchtung und in die Fassade eingesetzte Fledermausquartiere, natürlich Sonnenstrom-Anlagen und eine Energetik nach dem scharfen KfW-40-Standard – wenn es um ein Bauen geht, das die Eingriffe in die Natur bestmöglich reduziert, schafft die Viktoria-Grundstücks GmbH & Co. KG ein Musterprojekt mit überörtlicher Ausnahmestellung.
Nun wird bekannt, wer dieses Projekt umsetzen soll: die Firma Ten Brinke. Der Investor des Einkaufszentrums Neue Mühle hat von der Entwicklungsgesellschaft den Auftrag für die Errichtung des Neubaus bekommen. Anders als auf dem Mühle-Bremme-Gelände ist Ten Brinke allerdings ausschließlich als Baufirma tätig, während die Aufgaben des Planers und des Investors in der Viktoria-Grundstücksgesellschaft von Johannes-Peter Schnitger liegen.
Für die Energie- und Ökostandards der „Neuen Mühle“ war Ten Brinke in die Kritik geraten. Zu große Dimensionen, zu viele Autoparkplätze, ein Fehlen von Dach-, Fassaden- und Flächenbegrünung, zuletzt eine als zu stark empfundene Nachtbeleuchtung des Parkhauses – die Liste der Dinge, die gegen das neue Einkaufszentrum vorgetragen wurden, ist lang. Die Viktoria-Gesellschaft verfolgt dagegen einen anderen Ansatz.
Auftakt für ein neues Stadtquartier
Das neue Jobcenter, das nach geplant 22 Monaten Bauzeit das heutige Quartier der Einrichtung im Glasturm am Busbahnhof ablösen soll, gilt als erster Aufschlag für die Entwicklung einer der größten Brachflächen in der Unnaer Oberstadt. Die gesamte Fläche der früheren Drahtzieherei Westebbe und Weispfennig sowie der Pflugfabrik Ewald Hildebrand steht zur Überplanung an. Schnitgers Entwicklungsgesellschaft will zwischen Bahnlinie und Viktoriastraße ein Quartier schaffen, das nicht nur in Sachen Energetik und Gebäudetechnik modernen Standards folgt.
Industriebrache weicht dem Wohnen der Zukunft
Schon die Grundanlage des Stadtviertels soll sich von den historisch gewachsenen Strukturen unterscheiden. Umgeben von einem Ring aus vier- bis fünfgeschossigen Gewerbebauten, die auch eine Schallschutzfunktion übernehmen würden, sollen 260 Wohnungen entstehen. Sie sollen sich nach derzeitigen Planungen um eine grüne Bummelachse und einen Quartiersplatz gruppieren. Eigenheime gehen dabei nicht zweigeschossig in die Fläche, sondern strecken sich über vier bis fünf Etagen hoch als „Townhouses“ schmal in den Himmel. Eigentums- und Mietwohnungen sollen in aufgelockerten Blocks direkt im Anschluss entstehen. Barrierefreiheit spielt in den Überlegungen eine wichtige Rolle. Als Quartier für alle Generationen und Lebensmodelle sollen in dem Viertel aber auch Einrichtungen wie ein Kindergarten oder eine Pflegstation Platz finden können. Der Kern der Siedlung soll autofrei bleiben.
Während der Gewerbe- und Wohnbereich noch einen längeren Planungsvorlauf benötigen dürfte, sind die Vorbereitungen für den Bau des neuen Jobcenters bereits sehr konkret. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan dürfte nach dem bisherigen Beratungsgang noch in diesem Jahr in Kraft treten. Entwicklerin Karin Rose hofft darauf, dass der Bau Anfang 2023 beginnen kann. Zumindest Ten Brinke steht dafür parat.
23 Jahre Stillstand vorbei: Auf „Victoria“ soll endlich gebaut werden