
© Udo Hennes
Ein Seuchenjahr für den Einzelhandel in Unnas Innenstadt
Coronavirus
Der Einzelhandel bleibt geöffnet – aber das Gefühl, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, stellt sich nicht ein. Thomas Weber vom City-Werbering gesteht offen seine Zukunftsängste.
Zehn Quadratmeter für einen Kunden oder 25 – im Laden des „Hosenspezialisten“ an der Wasserstraße sind das Welten. Das Geschäft, in dem Thomas Weber seinen Kunden modische und perfekt sitzende Beinkleider verkauft, ist nicht viel größer als manch eine Drei-Zimmer-Wohnung. 90 Quadratmeter soll es haben. Sagt zumindest Weber.
„Gefühlt“ wirkt das ganze deutlich anders. Waren und Ladeneinrichtung machen den länglichen Raum doch etwas „kuschelig“. Die Kunden kennen das und schätzen es. Webers Kunden sind großteils Menschen im etwas gehobenen Alter, die seit Jahren auf die Beratung des Spezialisten schwören. Aber in Corona-Zeiten ist gerade diese Nähe ein Problem.
Weber bekennt sich ratlos – für sich und die Branche
Der neue Lockdown macht Weber keine Sorgen. Er macht ihm Angst. Als erfahrener Geschäftsmann und als Vorsitzender des City-Werberings ist Weber von Haus aus Optimist. Aber angesichts der bevorstehenden Beschränkungen lässt er sich eine Erschütterung anmerken, die nur wenige an ihm kennen. „Ich bin da ziemlich ratlos. Das gilt für meine persönliche Situation und für alle, die mir gerade einfallen. Die Politik wird nicht alles ausgleichen können, was jetzt zusätzlich an Umsätzen wegbricht. Ich fürchte, das viele das nicht überstehen werden.“
An und für sich scheint die Bund-Länder-Konferenz die Situation des Einzelhandels erfasst und berücksichtigt zu haben. Die Geschäfte bleiben geöffnet, und eine zunächst deutlich schärfere Regel für die Besucherbegrenzung in den Läden wurde gegenüber den Vorlagen für die Konferenz abgemildert. Aber das Gefühl, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, strahlt Weber nicht aus. Eher könnten dem Händler die Tränen kommen.
„Die Beschränkungen für den Handel selbst sind die eine Sache. Die andere ist, dass auch die Frequenz in der Innenstadt deutlich abnimmt, wenn Restaurants, Cafés und das Kino heruntergefahren werden. Wer gar nicht erst in die Stadt kommt, kommt auch in kein Geschäft“, so Weber. Denn Einkaufen in der Innenstadt sei heute Teil einer Erlebniskultur, die dann Umsätze auch im Einzelhandel generiert. Wenn das Gesamtkonzept aus Bummeln, Boutique und Cafébesuch nicht mehr läuft, freue sich wieder einmal der Online-Handel. „Die kommen ja inzwischen aus dem Lachen nicht mehr raus“, sagt Weber bitter.
Umsätze waren schon seit Tagen rückläufig
Bei ihm selbst und wohl auch vielen anderen Geschäften in Unna kommt ein weiteres Problem hinzu: Das Publikum in der Kreisstadt ist eher gehobenen Alters. Weber nennt die „Best Ager“ als wichtige Zielgruppe. „Deshalb haben wir schon in der zurückliegenden Zeit von Tag zu Tag Umsatz verloren. Das junge, erlebnisorientierte Publikum hat sich ja weniger aufhalten lassen. Aber wir bedienen ältere Menschen. Und die hören darauf, wenn ihnen die Politik sagt, dass sie bitte zu Hause bleiben sollen, wenn es nicht um Lebensmitteleinkäufe geht.“
Mit der Aussicht auf weitere Corona-Beschränkungen bis Ende November sieht Weber nun auch das Weihnachtsgeschäft massiv gestört. „Es tritt das ein, was wir alle befürchtet haben. Und so etwas kann eigentlich keiner schadlos überstehen. Selbst wer Rücklagen hatte, hat die doch schon im Frühling aufgebraucht“, so Weber. „2020 ist durch und durch ein Seuchenjahr.“
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
