
Marc Lobert ist seit 1999 Hoteldirektor im Katharinen-Hof. Eine feste Bindung zum Unternehmen sieht er auch bei seinen Mitarbeitern: Viele haben dort schon ihre Ausbildung erfahren. Und selbst in den Zeiten der schärfsten Corona-Maßnahmen hat Lobert darauf Wert gelegt, dass sich niemand allein gelassen fühlt. © Udo Hennes
Marc Lobert: Zoom-Kaffee-Runden gegen drohenden Personalmangel
Gastronomie
Die Gastronomie-Gewerkschaft NGG schlägt Alarm: Als Spätfolge von Corona drohe der Branche ein Personalengpass. Pauschalisieren lässt sich das nicht, wie ein Blick auf die Betriebe in Unna zeigt.
Wenn Marc Lobert im Lockdown zur Video-Konferenz lud, waren die Mitarbeiter des Katharinen-Hofs eher Gäste als Gastronomiebeschäftigte. Die Bewirtung von Menschen lässt sich nicht ins Home-Office digitalisieren. Aber als auch das Hotel in der Innenstadt coronabedingte Kurzarbeit anordnen musste, ging es um etwas anderes: Der Hoteldirektor sprach mit seinen Leuten darüber, wie es ihnen gerade geht. Es waren gesellige Runden am heimischen PC, deren Wert für den Betriebsablauf im Hotel und dem angeschlossenen Restaurant Camillo sich vielleicht erst jetzt richtig zeigt.
Nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat das Leiden der Gastronomiebranche an Corona nicht gleich mit dem Ende der Schutzmaßnahmen aufgehört. Als wirtschaftliches Long-Covid leide sie nun an einem Fachkräftemangel, weil sich viele Beschäftigte während der Lockdowns einen neuen Job gesucht hätten. Die NGG spricht daher von einem „Stotterstart in die Hochsaison“, fordert gute Konditionen für die Beschäftigten, um Personal zurückzuholen.
Hoteldirektor Marc Lobert sieht die Situation in seiner Branche differenzierter. „Die Gastronomie hat eine große Bandbreite, vom kleinen italienischen Restaurant bis zum großen Hotelbetrieb. Der Stellenwert von ausgebildeten Fachkräften fällt sehr unterschiedlich aus“, sagt er. Und mitunter hänge es auch davon ab, wie gut die Betriebe durch die Pandemie gekommen sind beziehungsweise wie gut ihnen nun der Neustart gelingt.
Lobert veranschaulicht dies am Beispiel des eigenen Hauses: Aktuell habe der Katharinen-Hof 45 fest angestellte Kräfte und zehn Aushilfen für besucherstarke Zeitfenster und Veranstaltungen. „Wir haben in der Pandemie nicht einen Festangestellten verloren“, sagt der Hoteldirektor. Und er erklärt auch, warum dies nach seiner Einschätzung nicht passiert ist.
„Wir bilden selbst aus und legen großen Wert darauf. Viele unserer Mitarbeiter sind seit Jahren bei uns. Und auch in der Pandemie haben wir gemeinsam darauf geachtet, die Bindung zueinander nicht abreißen zu lassen. In den Zeiten der Kurzarbeit war niemand ganz draußen, jeder hatte immer mal wieder Dienst. Und wir alle haben uns dazu bekannt, dass wir die Sache gemeinsam durchstehen.“ Was dann schließlich auch gelungen ist.
Selbst Aushilfen waren nicht auf sich allein gestellt
Die Situation der Aushilfskräfte dagegen sei eine ganz andere gewesen. „Wir sind auch mit ihnen offen umgegangen und haben ihnen gesagt, dass wir erstmal keine Arbeit für sie haben und ihnen nicht böse sind, wenn sie sich etwas anderes suchen. Es geht ja für sie auch um das Geld, das sie verdienen müssen“, sagt Lobert. In einigen Fällen hat der Hotel-Chef sogar mit seinen Kontakten geholfen, den Aushilfen Alternativen zu beschaffen. „Ein Unternehmer, der ein Testzentrum organisiert hat, hat mich gefragt, ob ich vielleicht jemanden wüsste, der gerade auf der Suche nach Arbeit ist. Das brauchte ich nur in unsere Gruppe zu schreiben“, so Lobert.

Servicekraft Ute Büge ist eine von 45 fest angestellten Kräften im Katharinen-Hof. Aushilfen fangen dort vor allem „Spitzen“ ab, etwa an bekannt besucherstarken Tagen oder bei Veranstaltungen. © Udo Hennes
Diese Art des Umgangs zahlt sich nun aus. Personalmangel ist im Katharinen-Hof kein wirkliches Thema. Aber auch für die Branche im Ganzen ist Lobert optimistisch gestimmt: „Ich glaube, dass die Mitarbeiter auch wieder zurückkehren werden, wenn sich die Lage stabilisiert. Es wird vielleicht erstmal schwierig, aber ich sehe da nicht schwarz.“ Denn die Arbeit in der Gastromonie habe auch Vorteile: Gerade als Zuverdienst seien Jobs im Gastgewerbe oft besser mit dem Rest des Lebens zu vereinbaren als andere. „Es ist ein sehr vielseitiges Tätigkeitsfeld, bei dem ich mit Menschen zu tun habe. Auch das hat ja vielen gefehlt“, sagt Lobert. „Und die Bedingungen sind deutlich besser als zu Zeiten meiner Ausbildung.“
Nachholbedarf bei den Kunden stützt den Aufschwung
Die Grundlagen für eine wirtschaftliche Erholung in der Branche sei jedenfalls gegeben und überwiege wohl die allgemeinen Konjunktursorgen. „Die Menschen haben Lust, wieder vor die Tür zu gehen. Da gibt es einfach Nachholbedarf. Manche wollen nun ihren 81. oder 82. Geburtstag feiern, weil es beim 80. nicht möglich war. Andere wollen die Silberhochzeit nachfeiern. Und dann gibt es die, die überhaupt einmal feiern wollen, einfach weil es wieder geht.“
Anziehende Konjunktur bestätigen auch Branchenkollegen. Oft ist allerdings auch dort das Bild differenzierter als in der Darstellung der Gewerkschaft. Beispiel Extrablatt: „Ich kann gar nicht erklären, warum, aber in Unna habe ich zurzeit wirklich sehr viele studentische Aushilfskräfte“, sagt Geschäftsführer Fikri Basaran. „In meinen beiden Betrieben im Münsterland sieht die Sache ganz anders aus: Katastrophe!“
Wie wichtig diese Aushilfen derzeit sind, das unterstreicht der Extrablatt-Chef allerdings auch. Dass sich Fachkräfte während der Lockdowns neue Jobs in anderen Branchen gesucht haben, könne er nämlich bestätigen. „Ich bräuchte eigentlich noch sechs Festangestellt, aber der Arbeitsmarkt gibt sie zurzeit nicht her.“ Die Aushilfen müssen entsprechende Lücken schließen. Das funktioniert in dem Sinne, dass der Betrieb im Extrablatt weiterhin läuft. Feste Kräfte hätten aber noch einen Wert darüber hinaus: den Wiedererkennungswert. „Viele unserer Gäste sind Stammgäste. Es stärkt die Bindung, wenn sie auch von bekannten Gesichtern bedient werden.“
Wer den Blick weiter durch die Branche wandern lässt, sieht in Unna unterschiedliche Corona-Folgen. Der Schalander der Lindenbrauerei etwa sucht zurzeit noch neues Personal für Service, Küche und Theke – aber er ist wenigstens im Betrieb. Eine besonders hohe Abwanderungsquote berichtete uns bereits im vergangenen Sommer Beate Moller vom „Café Moller“ an der Massener Straße. Als sie ihren Betrieb wieder „hochfuhr“ hatten sich von den zuvor 14 Aushilfen nur noch vier zur Verfügung gestellt.
Manche Betriebe sind ganz auf der Strecke geblieben
Im Gasthaus Agethen war es der Wirt, der sich auch angesichts der Pandemie umorientiert hat – freilich innerhalb der Branche, wechselte Pächter Karl-Heinz Schürmann doch als Wirt zum Golfclub in Fröndenberg. Auch für die Traditionsgaststätte in der Innenstadt gab es einen glücklichen Ausgang, als sich Meisterhaus-Chef Daniel Gala entschied, Agethen mit zu betreiben.
Andere Gastbetriebe allerdings scheinen die Pandemie nicht überstanden zu haben. Sumak an der Flügelstraße, als einziges libanesisches Restaurant in Unna zunächst eine viel versprechende Neueröffnung, konnte sich in so schwierigen Zeiten nicht etablieren. Auch im früheren Morgentor bleiben die Lichter aus. So hat das Gastgewerbe in Unna nicht nur Arbeitskräfte verloren, sondern auch Betriebe.
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
