Wie es um den Zustand einer Ehe bestellt ist, merken Außenstehende oft schneller als das Paar selbst. Allein die Art, wie die Beziehungspartner übereinander reden, hat etwas Entlarvendes für alle, die nur genau genug hinschauen und hinhören.
Beim Neujahrsempfang der Bündnisgrünen hätte man sich allerdings noch nebenher unterhalten können, um trotzdem in das Raunen einzusteigen, das Claudia Keuchel mit ihren Worten über Rudolf Fröhlich ausgelöst hat. Nimmt man die Fraktionsvorsitzenden von Bündnisgrünen und CDU als Verkörperung der politischen Partnerschaft, wurde schnell klar: Da stimmt was nicht.
Im öffentlichsten Format, das die Bündnisgrünen abseits des Stadtrates pflegen, bekam CDU-Mann Rudolf Fröhlich von Keuchel einen regelrechten Abriss: „Die Einzelaussage eines führenden Fraktionsmitglieds in der jüngsten Vergangenheit, die den menschengemachten Klimawandel leugnete und verharmloste, bewegt sich außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses und ist für uns nicht akzeptabel“, griff Keuchel Fröhlichs umstrittenen Facebook-Eintrag zur Klimapolitik der Bundesregierung auf. Und sie fügte an: „Das vergiftet nicht nur das Weltklima.“
Doch wie vergiftet ist nun die Beziehung zwischen Fröhlich und Keuchel, zwischen Christdemokraten und Grünen? Die Antwort fällt komplex aus, weil sie Folgefragen aufwirft. Denn Fröhlich ist nicht deckungsgleich mit der CDU. Und die jüngste Vergangenheit zeigt auf, dass die Grünen schon mit beiden Probleme hatten.
Die Sachebene funktioniert, die menschliche weniger
Keuchel selbst differenzierte schon vor dem Neujahrsempfang zwischen Fröhlich und der CDU, als es um die Frage ging, ob die Bündnisgrünen weiter mit einem Partner zusammenarbeiten können, dessen führender Repräsentant den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel relativieren will. Die CDU bestehe aus vielen Köpfen, hatte Keuchel seinerzeit angemerkt. An der Projektpartnerschaft mit der Union wolle man jedenfalls festhalten.
Fröhlich seinerseits bestätigt dies, erklärte erst zu Beginn der Woche: „Wir arbeiten weiterhin auf der sachlichen Ebene zusammen.“ Kurz zuvor hatte Fröhlich sogar mit Keuchel telefoniert – zum ersten Mal seit Wochen, was aber auch durch die Sitzungspause des Rates erklärt werden kann. Klimawandel, ob in der Welt oder im Miteinander, sei in dem Gespräch kein Thema gewesen.
Die Gemeinsamkeiten von Schwarz und Grün sind begrenzt
Dass nicht immer alles eitel Sonnenschein ist in der Projektpartnerschaft von Schwarz und Grün war zuletzt aber an mehreren Themen des politischen Alltagsbetriebes zu sehen. So drückte die CDU die Unnaer „Kampfhundesteuer“ durch, während sich die Grünen bereits gegen den wertenden Begriff aussprachen. Die Grünen dagegen ließen die CDU im Regen stehen, als diese sich für ein Wohnbauprojekt in Kessebüren aussprach.

Die Parkgebühren in der Innenstadt wollten zumindest Teile der Grünen lieber auf fünf Euro pro Stunde hochsetzen, während die CDU schließlich den Konsensvorschlag für 2,50 Euro präsentierte. Denkwürdig aber auch die Sitzung, in der Claudia Keuchel Bürgermeister Dirk Wigant regelrecht über den Mund fuhr, als er nur andeutete, dass man beim Reallabor Schulstraße vielleicht doch ein paar Parkplätze in Betracht ziehen könne.
Zum Belastungstest der Beziehung zwischen Schwarz und Grün schließlich wurde die Höffner-Abstimmung im Dezember: Kritik der Grünen an der geheimen Abstimmung zielte auch auf Rudolf Fröhlich, der diese zwar nicht beantragt, aber mit einer öffentlich ausgesprochenen Vorhersage möglicherweise angeregt hatte.
Gegenwind erfährt Fröhlich auch in den eigenen Reihen
Der Fall Höffner zeigt allerdings auch auf, dass es einen Riss gibt, der nicht nur zwischen Schwarz und Grün verläuft, sondern auch durch die Fraktion der CDU. Üblicherweise ist die Union bestrebt, bei Abstimmungen im Rat stets ihr volles Stimmgewicht einzusetzen. Intern mag die Fraktion einen Sachverhalt zunächst auch kontrovers diskutieren, doch in der Regel ermittelt sie am Ende eine Mehrheitsmeinung, die dann von allen Ratsleuten der CDU vertreten wird.
Bei Höffner gelang dies nicht: Fröhlich gab die Abstimmung frei und deckte damit eine verhärtete Lagerbildung innerhalb seiner Fraktion auf. Auf der einen Seite standen die Höffner-Befürworter um Rudolf Fröhlich, auf der anderen Seite die Höffner-Gegner rund um Ex-Parteichef Gerhard Meyer.

Dabei wurde die Debatte innerhalb der Union offensichtlich durchaus trickreich ausgetragen. Als Fröhlich einmal für eine medizinische Vorsorgeuntersuchung verhindert war und die Führung der Fraktion kurzzeitig seiner Stellvertreterin Gabriele Meyer überlassen musste, gab es in Abwesenheit Fröhlichs eine Sitzung, die der Abfrage eines Meinungsbildes dienen sollte. Dabei sah es dann plötzlich so aus, als hätten die Höffner-Gegner in der Union eine klare Mehrheit.
Letzter Ausweg Rücktrittsdrohung
Fröhlich soll wenig Akzeptanz gezeigt haben für diesen Versuch, hinter seinem Rücken ein paar Pflöcke einzuschlagen – und diese dann mit einer ersten Rücktrittsdrohung wieder ausgerissen haben.
Ein zweites Mal bot Fröhlich seinen Posten an, als es nach der Höffner-Entscheidung im Dezember eine rätselhafte Krisensitzung gab: Während die übrigen Fraktionen bereits den traditionellen Umtrunk nach der Weihnachtssitzung des Rates genossen, ließ die Union auf sich warten. In einer spontan einberufenen Fraktionssitzung – von wem, das ist nicht ganz klar – musste sich Fröhlich heftige Vorwürfe anhören, weil sein Vorschlag, den Fraktionszwang aufzuheben und seine Unterstützung für die geheime Abstimmung das Votum pro Höffner möglich gemacht hätten.
Warum entzweit sich die CDU an Höffner?
Dabei ist im Grunde unklar, warum die CDU so ein Problem mit Ansiedlungsplänen von Unternehmen hat. Eine mögliche Erklärung liegt abseits der Parteiprogrammatik: Höffner-Chef Kurt Krieger soll bei seinem persönlichen Vorsprechen in Unna derart arrogant wahrgenommen worden sein, dass es parteiübergreifendes Augenrollen ausgelöst hat.

Vorbehalte gegenüber Höffner sollen in der Stadtverwaltung auch Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) und den inzwischen ausgeschiedenen Technischen Beigeordneten Jens Toschläger (SPD) verbunden haben. Versuche in der CDU, eine Mehrheit gegen Höffner zu schaffen, werden von Beobachtern daher teils als Loyalität gegenüber dem eigenen Bürgermeister gedeutet – aber auch als Zugeständnis an die Grünen. So oder so wäre Fröhlich mit seiner Haltung „pro Höffner“ im Weg.
Bürgermeister darf sich bei den Bündnisgrünen bedanken
Dass Schwarz und Grün überhaupt so eng miteinander kooperieren, mag generell überraschen. Möglicherweise ist der Hintergrund auch ein taktischer: Gemessen an den vorherigen Wahlergebnissen waren es die Nummern 2 und 3 im politischen Geschehen in Unna, die bei den Wahlen 2020 gemeinsam die SPD vom Thron stießen. Auffällig wurde dies in der Bürgermeisterwahl, als die Grünen-Kandidatin nach einem dritten Platz im ersten Wahlgang ihre Wählerinnen und Wähler aufrief, bei der Stichwahl nicht für SPD-Frau Katja Schuon zu stimmen, sondern für CDU-Mann Dirk Wigant. Kandidatin bei den Grünen damals war: Claudia Keuchel.

Inzwischen geht es etwas lockerer und unverbindlicher zu in der politischen Ehe. Im vergangenen Sommer gaben die Bündnisgrünen offiziell bekannt, die Projektpartnerschaft mit der Union fortsetzen, aber nicht als etwas Exklusives betrachten zu wollen. Im Grunde sprachen sich die Grünen für die offene Ehe aus – mit einem Denkfehler. Denn Mehrheiten herstellen können die Grünen nur mit einer der anderen Großfraktionen, der CDU also oder der SPD. Die Genossen aber haben nicht vergessen, warum im Bürgermeisterbüro derzeit ein CDU-Mann sitzt.
Und so geht es in der politischen Ehe zwischen CDU und Grünen vermutlich zu wie in manch einer zwischen Mann und Frau: Man weiß halt, was man aneinander hat. Gewiss wird es noch oft knirschen zwischen den beiden, etwa wenn es um Bauvorhaben geht oder wenn die Profilbildung für die nächste Wahl anläuft. Und trotzdem könnte Schwarzgrün in Unna sicherer bis 2025 durchhalten als Rudolf Fröhlich auf dem Stuhl des Fraktionschefs.
Reine Liebe ist es nicht: Der graue Alltag in der schwarzgrünen Partnerschaft in Unna
Es geht nicht nur um Höffner: Wie verlässlich will Unna für Investoren sein?