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Unnas Einkaufsmeile steuert auf einen gefährlichen Kipppunkt zu
Handel
Drei Geschäfte mit Magnetfunktion verlassen 2022 Unnas Innenstadt. Selbst berufsmäßig optimistische Handelsexperten halten die Situation für schwierig. Steht der Handel in Unna an einem Wendepunkt?
Wenn es schlecht kommt für Unnas Innenstadt, dann ist der Abzug von C&A erst der Anfang. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden jetzt sichtbar, und vielleicht sind wir erst am Beginn einer Entwicklung“, befürchtet Thomas Weber vom City-Werbering.
Der Vorsitzende der Händler- und Dienstleistergemeinschaft in der Unnaer Innenstadt zeigt sich ausgesprochen besorgt angesichts der aktuellen Nachrichten. C&A schließt die Filiale am Alten Markt im kommenden Jahr ersatzlos; Deichmann und Rossmann wechseln in das neue Einkaufszentrum auf dem Gelände der Mühle Bremme. „Das alles sind natürlich keine schönen Neuigkeiten, und natürlich bereiten sie uns Sorgen.“
Dabei sieht Weber die Pandemie als das größte Problem an, während er sich in Bezug auf die Mühle Bremme noch mit Bewertungen zurückhält. Gerne sehe er es natürlich nicht, dass die neuen Ladenflächen dort zwei Leerstände in der Fußgängerzone erzeugen, aber von dem Gedanken, dass die Mühle Bremme insgesamt mehr Menschen nach Unna lockt, dürfe man sich noch nicht verabschieden. „Dieser Teil der Innenstadt war ja vorher nicht allzu attraktiv und das neue Einkaufszentrum daher gewollt. Vielleicht sollten wir ihm jetzt auch einmal eine Chance geben.“
Unna muss attraktiv bleiben, auch durch Geschäfte
Entscheidend ist für Weber, dass die Fußgängerzone mit ihrem Angebot an Geschäften, Gastronomie und Erlebnismöglichkeiten attraktiv genug bleibt, um die Kundenpotenziale aus dem Einkaufszentrum zu einem Spaziergang entlang der bestehenden Schaufenstermeile zu locken. Der aktuell laufende Neubau der Fußgängerzone und die Rückkehr zugkräftiger Veranstaltungen könnten dazu beitragen, aber natürlich müssten auch die Lücken im Handelsbesatz geschlossen werden. „Bis zum Sommer 2022 ist zum Glück noch etwas Zeit, da kann schon etwas passieren. Aber wir sehen auch jetzt schon einige Leerstände.“
Weber fürchtet, dass die Corona-Pandemie dem Innenstadthandel nachhaltiger geschadet hat, weil sie auch Vor-Ort-Käufer mit dem Online-Shopping vertraut gemacht hat. Einer Studie der IHK zufolge könne die Pandemie den Niedergang des Innenstadthandels um fünf bis sieben Jahre beschleunigt haben. Vielleicht sei 2022 schon ein Jahr der Entscheidung. Groß ist die Sorge vor einem Kipppunkt: Nehmen die Leerstände erst Überhand, kommen auch immer weniger Leute in die Stadt.
Mieten sind für viele Händler zu hoch
Weber sieht in dieser Situation eine Mitverantwortung der Immobilienbesitzer. Sie müssten Bereitschaft zeigen, ihre Ertragserwartungen zu senken. „Mieten, die vor wenigen Jahren noch völlig üblich waren, können vom Handel inzwischen nicht mehr finanziert werden“, gibt Weber zu bedenken. Zudem hänge die Zukunft des Handels aber auch am Kunden: „Wenn die Käufer auch nach der Pandemie im Internet bleiben, wird es für den Händler vor Ort schwierig.“

Dass die Mühle Bremme gleich zwei bestehende Anbieter aus der Fußgängerzone abzieht, bewertet Experte Thomas Schäfer als „unglücklich“. Dabei stehen Rossmann und Deichmann für Sortimente, die der unmittelbaren Bedarfsdeckung dienen und die sich daher als relativ krisenfest erweisen sollten. © Sebastian Smulka (Archiv)
Thomas Schäfer vom hiesigen Einzelhandelsverband Westfalen-Münsterland mit Sitz in Dortmund empfiehlt ebenfalls eine Bereitschaft der Vermieter, zu neuen Lösungen zu finden. Das meint aber nicht allein das Mietniveau: Es sei wichtig, dass Geschäfte genutzt werden, um die Abwärtsspirale zu verhindern. „Was die Nutzung leer stehender Ladenlokale angeht, kann es dann auch auf Gastronomie, Dienstleistung und nicht-störendes Handwerk hinauslaufen. In großen Geschäftsgebäuden wie dem von C&A ist vielleicht eine Teilnutzung im Erdgeschoss immer noch besser als ein kompletter Leerstand.“
Schäfer gibt sich weiterhin optimistisch, was die Perspektiven Unnas angeht. Die Leerstandsproblematik sei bei weitem nicht so groß wie in anderen Städten. Unna habe eine attraktive Innenstadt sowie Händler und einen City-Werbering, die sich immer wieder etwas einfallen ließen, damit Menschen einen Grund haben, nach Unna zu kommen. „Ich will aber nicht verhehlen, dass es schwierig wird. Und ein großes Einkaufszentrum wie die Mühle Bremme ist Konkurrenz und Bereicherung zugleich. Dass sie gleich zwei Anbieter aus der Fußgängerzone abzieht, ist natürlich ziemlich unglücklich.“
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
