
Beim Klassik-Open-Air zauberten die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen eine tolle Sommernachts-Stimmung auf den Alten Markt in Unna. © Stefan Milk
Grandioser Konzertabend in Unna mit Applaus auch für die leisen Töne
Klassik Open Air
Gigantisch: Beim Klassik-Open-Air haben die Zuhörer auf dem Alten Markt einen Musikabend erlebt, der bei vielen noch lange nachwirken dürfte. Die Neue Philharmonie bereitete rund 1000 Menschen echte Freude.
Man fragt sich schon beinahe, was beeindruckender war: die Musik der Neuen Philharmonie Westfalen (NPW) oder die Kulisse, die es nun schon so lange nicht mehr gegeben hat in Unna. Bis in den letzten Winkel des Alten Marktes saßen, standen oder hockten Menschen, um Mendelssohn, Beethoven und Piazzolla zu feiern.
Nach drei Jahren endlich wieder Open Air
„Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt, nach drei Jahren endlich wieder das zu machen, was man so gerne macht?“ Mit seinen Begrüßungsworten sprach Generalmusikdirektor (GMD) Rasmus Baumann sicher vielen Menschen aus der Seele, denn der Dirigent und seine Musiker hatten erkennbar ebenso viel Freude an diesem Konzert wie das Publikum. Coronabedingt hatten die Menschen sowohl auf der Bühne als auch davor lange warten müssen, bis „Open Air“ wieder möglich war.

Generalmusikdirektor Rasmus Baumann führte nicht nur seine Philharmoniker gekonnt durch elf Stücke plus zwei Zugaben, sondern auch das Publikum mit kurzweiliger Moderation durch den Abend. © Stefan Milk
„Sommernächte“ hatte die NPW ihr Programm überschrieben, dessen Veranstalter der Kulturbereich der Stadt in Kooperation mit der Sparkassen-Kulturstiftung, dem Kreis Unna, den Stadtwerken Unna und dem Hellweger Anzeiger war.
Und der Sommer sorgte am Sonntagabend nicht nur für perfektes Wetter, sondern er zog sich auch als roter Faden durch das Programm. Mit Ouvertüre, Nocturne und Hochzeitsmarsch aus Felix Mendelssohn Bartholdys „Sommernachtstraum“ eröffneten Baumann und seine Musiker das Programm.
Gut gelaunt und unverkrampft führte der Dirigent das Publikum durch den Abend, wobei er die kurzweilige Moderation auch mit Anekdoten spickte. So habe der „Hochzeitsmarsch“ wohl auf das Orchester eine erhebliche Wirkung gehabt, berichtete der GMD. Gleich sieben Mitglieder hätten in den Sommerferien geheiratet. „Ich werde wohl nie mehr einen Trauermarsch ins Programm nehmen können“, scherzte Baumann.
„Natur durch die Ohren atmen“
Musik hat eben eine Wirkung auf Menschen. Sie nahmen Baumanns Einladung an, „barfuß über weiches Moos zu gehen“ und mit den Klängen von Antonin Dvoraks Waldesruhe „die Natur durch die Ohren zu atmen“.
Ebenso ließen die Menschen sich mitreißen, das „Land of Hope and Glory“ zu feiern: Beim schmissigen „Pomp and Circumstance March“, dieser englischen Quasi-Hymne, wedelte tatsächlich die eine oder andere Zuschauerin mit Programmheft oder Sonnenhut.
Ein weiterer Höhepunkt war „Verano porteno“ vom „Tangokönig“ Astor Piazzolla. Baumann versprach nicht zu viel, als er dieses Werk als „unglaublich leidenschaftlich“ beschrieb, und sein westfälisches Publikum ließ sich nicht nur zum Fußwippen animieren, sondern zu tosendem Applaus. Besonders gefeiert wurde Konzertmeister Misha Nodelman für die Leidenschaft, die er und seine Violine auf den Markt zauberten.

Voll bis in den letzten Winkel war der Marktplatz. Wer keinen der bereitgestellten Stühle ergattern konnte, musste stehen. Erfahrene Open-Air-Besucher hatten Campingmöbel dabei. © Stefan Milk
Ein paar Hundert Stühle hatte der Kulturbereich der Stadt auf den Markt gestellt, die schnell besetzt waren. So mussten viele Besucher improvisieren, doch die Akustik hatten die Techniker der Philharmonie offenbar gut gesteuert. Sogar auf dem Steinrondell an der Wasserstraße, schräg hinter (!) der Bühne, saßen Zuhörer. „Auch hier hört man gut“, bestätigte Claudia Busemann. „Musik ist ja nicht für die Augen, sondern für die Ohren da.“
Erfahrene Besucher mit Campingmöbeln
Erfahrenere Open-Air-Besucher hatten sich Klapp-, Garten- oder Campingstühle mitgebracht. Die Schiffners aus Hemmerde etwa hatten es sich am Marktrand in Höhe der Kuhbar rustikal-gemütlich gemacht. der Platz bot eine einigermaßen freie Sichtachse auf die große Bühne. Der teils rege Fußverkehr sei ein wenig störend, so Erhard Schiffner.
Dennoch konnten seine Frau und er das Konzert genießen - und dazu ein zum Sommerabend passendes Eis. Es war das 21. Open-Air-Konzert in Unna, und die Hemmerder berichteten, sie hätten schon einige der früheren Aufführungen miterlebt. „Es ist erfreulich, dass das Konzert so einen Zuspruch findet“, sagte Erhard Schiffner.

Endlich wieder Open Air! Die Musiker der Neuen Philharmonie hatten ebenso viel Freude am Konzert wie ihr Publikum. © Stefan Milk
Zahlreiche Zuhörer hatten auch auf den Außengastronomieflächen des Extrablatts, der Brasserie oder der Eisdielen Platz genommen. So war tatsächlich der ganze Marktplatz mit Publikum gefüllt. Am hinteren Rand war allerdings das Gemurmel der Unterhaltungen mitunter etwas kräftiger als die Musik an ihren leiseren Stellen.
Etwas Ruhigeres für den Abschluss auszuwählen, war jedoch eine sehr gute Idee des Dirigenten gewesen. Das Unnaer Publikum entließ seine Philharmoniker erst nach zwei Zugaben. Und als zweites Zusatz- und damit allerletztes Sommerstück dieses Abends hatte Rasmus Baumann „Last Rose of Summer“ von Leroy Anderson ausgewählt.
So ging dieser wunderbare Konzertabend nicht krachend zu Ende, sondern mit dem zarten Klang der Violine. Viele Besucher nahmen ihn mit und summten diese „letzte Rose“ auf dem Weg nach Haus.
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.
