Streit um Fahrradverbot in Unnas Fußgängerzone „Unwürdig“ für fahrradfreundliche Stadt

Das neue Fahrradverbot in der Fußgängerzone ist umstritten
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Überraschend hat die Stadt Unna angekündigt, das Radfahren in der Innenstadt weiter einzuschränken. Das Befahren der Fußgängerzone mit Fahrrädern soll neuerdings rund um die Uhr untersagt sein. Das Verbot schließt E-Scooter, die modernen Elektroroller, ein. Aus der Politik wird Kritik laut. Wie gefährlich ist das Radeln in der Stadt? Die Stadtverwaltung sieht sich genötigt, Informationen nachzuliefern.

Eine Frau und ein Mann schieben Fahrräder durch die Fußgängerzone in Unna
Diese Radfahrer machten alles richtig, als unser Fotograf ihren Weg über die Massener Straße dokumentierte: Schieben statt Fahren in der Fußgängerzone. © Sebastian Smulka

Stadt Unna dehnt Fahrradverbot aus

Zwischen 19 und 9 Uhr ist es möglich, durch die Fußgängerzone zu radeln. Neben der eingeschränkten Erlaubnis für Lieferverkehr ist dies bisher die einzige Ausnahme vom ansonsten grundsätzlichen Fahrverbot auf der Massener- und Bahnhofstraße, das auch für Taxis gilt. Mit einer Pressemitteilung kündigte die Stadt Unna am 20. September an, das Fahrradverbot nun auch in die Abend- und Nachtstunden auszudehnen.

FDP kritisiert neues Verbot

Die Sicherheit der Fußgänger, mit der die Stadtverwaltung die Maßnahme begründet, sei ein hohes Gut, kommentierte Felix Wesemann, Geschäftsführer der FDP-Fraktion, aber die Innenstadt solle möglichst „für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen zugänglich und attraktiv bleiben“.

„Hürde für klimafreundliche Mobilität“

Insbesondere der Zeitpunkt der Maßnahme lasse Zweifel an einer sinnvollen Verkehrsplanung aufkommen. „Bereits durch das neue Mobilitätskonzept hat die Attraktivität der Unnaer Innenstadt deutlich gelitten“, so Wesemann. Die jüngste Radfahr-Entscheidung wirke „wie eine weitere Hürde für klimafreundliche Mobilität und lebendige Stadtentwicklung“, statt attraktive Anreize für den Radverkehr zu schaffen. Es gebe kaum eine Zielgruppe, die profitiert, wenn der öffentliche Raum nun ab 19 Uhr, wenn die Geschäfte schließen, für Fußgänger freigehalten wird.

Unna eine „fahrradfreundliche Stadt“?

Kritik kommt auch von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Wir halten diesen Verwaltungsbeschluss für eine Stadt, die an ihren Einfallstraßen mit dem Schild ,Fahrradfreundliche Stadt‘ wirbt, für unwürdig“, schreibt der Fraktionsvorstand. Abends sei in der Innenstadt „ein entspanntes Verhalten aller Nutzer“ zu beobachten. „Entgegen der städtischen Sicht sehen wir in einem nächtlichen Durchfahrtsverbot keinen Sicherheitsgewinn“, heißt es weiter in einer Pressemitteilung der Grünen.

Grüne: Alte Regelung hatte sich bewährt

„Auch unserer Partei sind Beschwerden über durch die Fußgängerzone fahrende Radnutzer bekannt“, erklären die Bündnisgrünen weiter, jedoch fielen diese allesamt in die Zeiten, in denen der Fußgängerbereich wegen starker Nutzung für den Radverkehr ohnehin gesperrt ist und nicht in die abendlichen „Sperrstunden“. Die Grünen weisen zudem darauf hin, dass die Massener Straße als ausgeschilderte Radroute Teil des NRW-Radverkehrsnetzes ist. Die Sperrung dieser Route sei unverständlich, die bisherige Regelung habe sich seit Jahren bewährt.

Radring als Ausgleich?

Sowohl FDP als auch Grüne kritisieren den städtischen Hinweis auf den „Radring“. Die Stadt Unna hatte erklärt, mit der Fertigstellung dieses mit Piktogrammen ausgewiesen Rundwegs durch die Innenstadt sei das Befahren der Fußgängerzone unnötig geworden. Dieser Hinweis treffe nicht zu, so die Bündnisgrünen, „da die Ziele und Wege für Radfahrende sehr vielfältig“ seien.

Bei der FDP ist man ähnlicher Ansicht. Und: Es fehle dem Radring an klaren Zielen. Mangels Ausschilderung und Entfernungsangaben falle es dem Radfahrer schwer, sich zu orientieren.

Politik will Fakten

Weitere Kritik, die Liberale und Grüne in diesem Fall beide vortragen, betrifft die Grundlage, auf der die Stadtverwaltung ihren Entschluss zum Komplett-Radelverbot gefasst hat. Es fehlten „belastbare Zahlen“, schreiben beide Fraktionen unabhängig voneinander mit Bezug auf Gefahren und Unfälle.

Die Fußgängerzone sei bisher nie von der Polizei als Unfallschwerpunkt benannt worden, so die Grünen. „Ein solch drastischer Eingriff in die Mobilität sollte durch fundierte und nachvollziehbare Begründungen gestützt werden, die bisher aus unserer Sicht nicht ausreichend vorgebracht wurden“, schreibt die FDP.

„Zunehmende“ Unfallmeldungen

Die Stadt Unna hatte zunächst eher allgemein von „zunehmenden Meldungen über Unfälle mit Radfahrern und E-Scootern sowie vermehrte Beschwerden von Fußgängern und Gewerbetreibenden“ berichtet. Diese seien an den städtischen Ordnungsdienst und die Polizei gerichtet worden.

Auf Nachfrage unserer Redaktion wurde die Stadtverwaltung nun einige Tage später genauer: Geschäftsinhaber und Marktbeschicker würden regelmäßig melden, dass Fahrrad- und E-Scooter-Fahrer die Fußgängerzone widerrechtlich nutzten.

Zwei Leichtverletzte in drei Jahren

Die Stadt Unna nennt Zahlen aus Juni 2024: Innerhalb von zehn Tagen seien über 50 Verstöße festgestellt und geahndet worden. Und: „Einige Betroffene konnten auf Grund der Vielzahl der Verstöße nicht angehalten und geahndet werden. Daher ist das Dunkelfeld noch deutlich höher anzusehen.“

Eine Unfallauswertung der Polizei für die Fußgängerzone habe zwei Unfälle mit Personenschaden ergeben, bei denen Radfahrer/Fußgänger beteiligt waren, heißt es weiter aus der Pressestelle im Rathaus. Zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 30. Juni 2024 seien bei den Unfällen zwei Personen leicht verletzt worden.

An der Wasserstraße in Unna hängen Verkehrsschilder
Das unterste Schild soll bald verschwinden: Die Stadt Unna will das Radfahren in der Fußgängerzone nun vollständig verbieten. © Drechsel

Das neue Fahrverbot, das übrigens bisher nicht mit neuer Beschilderung umgesetzt wurde (Stand 4.10.) gilt abends und nachts. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls sei zwar tagsüber größer, da die Fußgängerzone dann belebter sei, erklärte die Rathaus-Pressestelle. Allerdings könne auch in den Abendstunden oder zur späteren Zeit insbesondere in den Sommermonaten ein möglicher Zusammenstoß zwischen Fußgängern und Radfahrern nicht ausgeschlossen werden.

Die Stadt Unna ergänzt grundsätzliche Hinweise, dass Gehwege ebenso wie Fußgängerzonen fahrzeugfrei sein sollen, damit sie „für zu Fuß Gehende und insbesondere Kinder, Seniorinnen und Senioren sowie mobilitätseingeschränkte Personen“ sicher sind.

Was halten Sie vom Radfahren in der Fußgängerzone? Eine Umfrage dazu finden Sie auf www.hellwegeranzeiger.de

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