Staatsanwaltschaft ermittelt nach Tod einer Patientin (22) Vorwürfe gegen Unnaer Krankenhaus

Staatsanwaltschaft ermittelt nach Tod einer Patientin (22)
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Der plötzliche Tod einer jungen Frau aus Unna Anfang des Jahres hat viele Menschen bewegt. Ihre Mutter lässt die Frage nicht ruhen, ob ihre Tochter noch leben könnte, hätte sie schnell genug die richtige Hilfe bekommen. Patrizia Vinci Musca erhebt Vorwürfe gegen das Christliche Klinikum Unna (CKU), die auch die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Im Gespräch mit der Redaktion schildert die Mutter, was passiert ist.

Miriam Musca war über den Jahreswechsel 2022/23 krank. Die 22-Jährige konnte über Tage keine Nahrung bei sich behalten und klagte über Schmerzen. Mit ihrer Mutter besuchte sie den hausärztlichen Notdienst. Dieser schickte die Patientin ins Krankenhaus mit dem Hinweis, am besten solle sich ein HNO-Arzt die Symptome ansehen. Eine HNO-Abteilung gibt es im CKU nicht, aber in der Klinik sollte alles Weitere entschieden werden.

Mutter und Tochter begaben sich am 2. Januar in die Notaufnahme im CKU-Standort Mitte. Sie warteten zunächst gemeinsam, wurden dann aber getrennt. Sie dürfe nicht mit hinein in den Untersuchungsraum, erfuhr Patrizia Vinci-Musca vom Pflegepersonal. Ihre Tochter sei schließlich über 18. Die Diagnose habe dann „Influenza A“ gelautet, also Grippe.

Patientin nicht ernst genommen?

Patrizia Vinci Musca erinnert sich, als Angehörige abweisend behandelt worden zu sein. Letztlich habe sie keine Gelegenheit gehabt, mit jemandem in Ruhe zu sprechen, meint die Mutter. So wisse sie bis heute nicht, was ihre Tochter dem Personal mitteilte und ob sie den Hinweis auf den HNO-Arzt weitergeben konnte.

Klar ist: Miriam Musca wurde stationär aufgenommen. Und ihr Zustand verschlechterte sich. Patrizia Vinci Musca geht heute davon aus, dass man den Ernst der Lage im Krankenhaus zu dieser Zeit nicht erkannt, dass das Personal aber auch nicht das nötige Einfühlungsvermögen an den Tag gelegt habe. Dies schließt sie auch aus einem Telefonat mit einem Arzt. Der Mediziner habe gefragt, ob ihre Tochter „immer so wehleidig“ sei, erinnert sich Patrizia Vinci Musca. Die 22-Jährige muss wohl zuvor im Krankenhaus erneut um Hilfe gebeten haben.

Patrizia Vinci Musca berichtet: Sie habe in dem Telefonat ihren Verdacht geäußert, ihre Tochter habe womöglich zusätzlich zu ihrer Viruserkrankung einen bakteriellen Infekt. Man solle ihr ein Antibiotikum geben. Doch der Arzt habe das abgelehnt. Kein Antibiotikum. „Er bestand darauf“, sagt Patrizia Vinci Musca. Sie ärgert auch, dass es sich bei dem behandelnden Mediziner nicht um einen leitenden Arzt gehandelt habe, obwohl ihre Tochter eine private Zusatzversicherung gehabt habe.

Herzstillstand im Krankenhaus

Die Unnaerin hielt über Handy den Kontakt zu ihrer Tochter. Miriam Musca berichtete ihrer Mutter, man habe ihr etwas zur Beruhigung gegeben, eine Tablette. Es sei ein Schmerzmittel, erfuhr Patrizia Vinci-Musca, als sie mit einer Krankenschwester telefonierte.

Es wurde Abend an diesem 3. Januar. Dann passierte die Katastrophe.

Das Symbolbild zeigt eine Situation auf einer Intensivstation. Ein Patient liegt mit nackten Füßen im Intensiv-Bett. Eine OP-Schwester steht daneben und schaut auf einen Bildschirm.
Die Mutter der Verstorbenen stellt die Frage in den Raum, ob Krankenhauspersonal mitunter überfordert ist (Symbolbild). © picture alliance/dpa

Um 21.10 Uhr kam der Anruf aus dem Krankenhaus: „Ihre Tochter hatte einen Herzstillstand.“ Fast fünf Minuten lang sei die 22-Jährige wiederbelebt worden, dann ins künstliche Koma versetzt. Sie hatte eine Lungenentzündung, eine Blutvergiftung (Sepsis) und in der Folge multiples Organversagen. „Die Welt ist seitdem für uns nicht mehr dieselbe“, sagt Patrizia Vinci Musca.

Notfall: Verlegt nach Dortmund, dann Essen

Sie habe später erfahren, dass drei Oberärzte an dem Abend wegen des Notfalls von zu Hause ins Klinikum gerufen worden seien, sagt die Unnaerin. Von Dortmund sei dann ein Team mit einer sogenannten Ecmo-Maschine nach Unna geeilt. Ein Arzt und ein Techniker seien eigens dafür abgestellt worden, die junge Frau an die Herz-Lungen-Maschine anzuschließen und die ganze Zeit zu betreuen.

Ebenfalls im Nachhinein, so Patrizia Vinci Musca, habe sie erfahren: Noch im Unnaer Krankenhaus sei ihrer Tochter ein Antibiotikum verabreicht worden - nach dem Herzstillstand. Und: Der bakterielle Infekt, der ihre Tochter so schwer krank gemacht habe, sei Scharlach gewesen.

Miriam Musca wurde nicht mehr gesund. Sie wurde nach Dortmund verlegt, dann in die Uniklink Essen. Apparate hielten sie fünf Wochen lang am Leben. Am 9. Februar starb Miriam Musca.

Staatsanwaltschaft fordert Gutachten an

Wie konnte das passieren? Patrizia Vinci Musca erhebt den Vorwurf, dass ihre Tochter im Christlichen Klinikum Unna nicht richtig behandelt wurde. Man habe ihre Erkrankung nicht ernst genommen. „Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, aber ihr wurde nicht geholfen“, sagt die Unnaerin.

Bei der Staatsanwaltschaft Dortmund läuft eine Ermittlung wegen des Falls. Nach dem Tod der 22-Jährigen wurde eine Obduktion veranlasst, wie Staatsanwalt Henner Kruse bestätigte. Die Todesursache sei geklärt worden, nun soll ein Fachgutachten erstellt werden. Laut Kruse soll dadurch die Frage geklärt werden, inwieweit eine andere oder frühzeitigere Behandlung den Tod der jungen Frau hätte verhindern können.

Klinikum äußert sich nicht inhaltlich

Das Christliche Klinikum Unna (CKU) erklärt: „Wir möchten Familie Musca zunächst unser tiefes Mitgefühl aussprechen.“ Eine Stellungnahme gibt das Krankenhaus allerdings nicht ab vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens. Man werde die Behörden selbstverständlich bei der Klärung aller vorhandenen Fragestellungen unterstützen, hieß es vom CKU.

Mutter will bessere Versorgung erreichen

„Ich möchte, dass man durch Miriams Geschichte anfängt, nachzudenken“, sagt Patrizia Vinci Musca. Die Unnaerin ist sicher, dass Überlastung und Stress dazu beitragen, dass Patienten und Angehörige in Krankenhäusern mitunter schroff behandelt und nicht ausreichend ernst genommen werden. Sie fordert, dass Mitarbeiter ausreichend Freizeit bekommen und entlastet werden.

Die Unnaerin appelliert aber auch an die Ärzte und das Pflegepersonal selbst. „Die Leute im Krankenhaus haben keinen Job, sondern einen Beruf, für den sie sich entschieden haben. Es ist der Dienst an Menschen.“ Ist dieser Dienst zu schwer, dann müsse Entlastung gesucht werden. Dazu, so Vinci Musca, könne auch gehören, Angehörige mit einzubeziehen in die Betreuung der Patienten, anstatt sie wie in ihrem Fall wegzuschicken.

Auf diesem Symbolbild liegt ein Mensch in einem Intensiv-Bett. Im Vordergrund ist eine Herz-Lungen-Maschine zu sehen.
Die junge Frau wurde nach dem Zusammenbruch ihres Herz-Kreislauf-Systems von Maschinen am Leben gehalten (Symbolbild). © picture alliance/dpa

„Ich würde mich freuen, wenn sich Menschen bei mir melden, die ähnliche Situationen in Krankenhäusern erlebt haben“, sagt Patrizia Vinci Musca. Wer mit ihr Kontakt aufnehmen möchte, kann eine E-Mail schreiben: miriammusca-petition@web.de

Ihr Ziel sei eine Petition, um bessere Verhältnisse in Krankenhäusern zu bewirken. Dazu müsse gehören, dass Familienangehörige in der Pflege mithelfen dürfen, wenn sie können, dass sie den Patienten beispielsweise Essen und Getränke reichen, um dadurch das Pflegepersonal zu entlasten.

Ihre Tochter werde sie dadurch nicht zurückbekommen, so Patrizia Vinci Musca. Aber vielleicht könne sie etwas erreichen, damit anderen Menschen geholfen wird.

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