„Massenhafte Lügen“: Wie Frau Kunze gegen die Impfpflicht kämpft

© Stefan Milk (Archiv)

„Massenhafte Lügen“: Wie Frau Kunze gegen die Impfpflicht kämpft

dzDebatte um Impfpflicht

Eva Kunze (62) lehnt Impfungen ab. Sie hat einen offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten geschrieben, um eine Impfpflicht gegen das Coronavirus zu verhindern. Mit fragwürdigen Argumenten.

von Kevin Kohues

Kreis Unna

, 19.03.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eva Kunze (62) aus Bergkamen zählt zu den Menschen, die Impfungen ablehnen. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für die Impfungen gegen das Coronavirus. Wer mit ihr spricht, spürt eine große Skepsis in Bezug auf die Wirksamkeit, aber auch hinsichtlich der Nebenwirkungen der Impfstoffe.

Mehrfach hat sich Kunze, die früher in einer Initiative für den Erhalt des Bergbaus in Bergkamen kämpfte und der SPD nahe stand, bereits kritisch zum Thema Impfen und Impfpflicht zu Wort gemeldet. Auch in Form von Leserbriefen in dieser Zeitung. Kürzlich hat sie einen offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten geschrieben. Anlass: die Debatte um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht.

Das Kernargument: Impfungen schützen nicht

Mit dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, möchte sie die Abgeordneten davon überzeugen, gegen eine Impfpflicht zu stimmen. Ihr Kernargument: „Da die Impfe weder sicher vor einer Infektion, einer Ansteckung, einem schweren Verlauf noch dem Tod durch COVID-19 schützt, fehlt der Impfpflicht jegliche Grundlage.“

Zum Beleg führt sie verschiedene Untersuchungen und vermeintliche Skandale an, die aus dem Spektrum der Querdenker-Szene lanciert wurden. Etwa eine Analyse der Krankenkasse BKK Provita, wonach bis zu drei Millionen Menschen in Deutschland „wegen Impfnebenwirkungen nach Corona-Impfung in ärztlicher Behandlung gewesen“ sein könnten. Dass die zugrundeliegende Datenanalyse mehr als fragwürdig ist, berichteten etwa tagesschau.de oder das Recherchenetzwerk „Correctiv“ in einem Faktencheck.

Immunologe Watzl: Die Impfquote ist wegen Impflügen so niedrig

Der Immunologe und Professor an der Uni Dortmund, Dr. Carsten Watzl, entgegnet Impfskeptikern dies: „Die Impfstoffe sind sicher und wirksam. Sie tun in der aktuellen Omikron-Welle genau das, was sie tun sollen: Sie beschützen Personen vor schwerer Erkrankung.“ Seiner Ansicht nach liegt das eigentliche Problem darin, dass so viele falsche Behauptungen kursieren und von bestimmten Gruppen bewusst eingesetzt werden, um ihre ganz eigenen Interessen und Ziele zu verfolgen. Watzl: „Die massenhaften Fehlinformationen und Lügen über die Impfungen haben dazu beigetragen, dass unsere Impfquote gegenüber anderen Ländern in der EU noch zu niedrig ist.“

Zu den Abgeordneten, die Eva Kunze angeschrieben hat, zählen natürlich auch die Vertreter des heimischen Wahlkreises, Oliver Kaczmarek (51, SPD) und Hubert Hüppe (65, CDU).

Oliver Kaczmarek (SPD): Ja zur Impfpflicht ab 18 Jahren

Oliver Kaczmarek gehört zu den 240 Antragstellern für eine Impfpflicht ab 18 Jahren, für die sich freilich in der Bundestagsdebatte am Donnerstag keine Aussicht auf eine Mehrheit abzeichnete. Kaczmarek argumentiert so: „Wir können denen, die seit geraumer Zeit so hart in den Kliniken oder Schulen mit den Folgen der Pandemie beschäftigt sind, nicht zumuten, dass wir nicht jedes Instrument ergreifen, was uns vor einer nächsten Welle schützen kann.“

Oliver Kaczmarek (SPD) ist für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren.

Oliver Kaczmarek (SPD) ist für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren. © Stefan Milk (Archiv)

In das Recht auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen, sei ein erheblicher Grundrechtseingriff, aber er wiege nicht schwerer als das Recht der gesamten Gesellschaft auf das Ende der Pandemie. „Das ist eine schwerwiegende Entscheidung, aber ich gewichte das Kollektiv hier höher als die Individualrechte“, begründet Kaczmarek seine Haltung.

Jetzt lesen

Hubert Hüppe (CDU): Nein zur Impfpflicht

Hubert Hüppe hat nach eigenem Bekunden etwa 3000 Mails und Briefe aus ganz Deutschland zur Impfpflicht erhalten. „Die gehen nicht selten über fünf Seiten und manche wollen mich anzeigen wegen Körperverletzung“, berichtet er. Dabei hat er selbst schon vor Wochen klar Position gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht bezogen. Er begründete diese unter anderem mit dem tiefen Eingriff in die Grundrechte und damit, dass noch nicht alle anderen Möglichkeiten zur Erhöhung der Impfquote ausgeschöpft wurden.

Hubert Hüppe (CDU) hält die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für nicht verhältnismäßig.

Hubert Hüppe (CDU) hält die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für nicht verhältnismäßig. © Stefan Milk (Archiv)

Inzwischen hält Hüppe das Thema sogar für überholt, selbst Österreich habe die dort bereits beschlossene Impfpflicht wegen Unverhältnismäßigkeit inzwischen zurückgenommen. „Ich finde es komisch, wenn man fast alle Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken aufheben will und dann noch für eine Impfpflicht stimmt“, sagt Hüppe.

Jetzt lesen

Eva Kunze würde sich indes noch mehr Aufmerksamkeit für das Thema wünschen. „Es gibt so viel, über das gesprochen werden müsste, damit sind so viele Gefahren verbunden, aber das passiert nicht“, beklagt sie. Sie betont, nicht rechts und bestimmt kein Nazi zu sein.

Sie sei nicht geimpft, habe sich aber gut informiert, wie man sich schützen könne, ohne sich selbst Schaden zuzufügen. Jetzt müsse sie aber langsam los, sagt sie zum Ende des Telefonats, zu einem Spaziergang nach Hamm.