Mit Spuckschutz im Nacken auf Tour: Zwei Taxifahrerinnen und zwei -fahrer erzählen, wie sie angesichts der Krise im Kreis Unna unterwegs sind. Passagiere bekommen in manchen Wagen ein Carepaket.
Kein Stammtisch mit Freunden, keine privaten Partys, keine geschäftlichen Meetings: Wegen der Corona-Krise fallen viele Anlässe weg, mit dem Taxi zu fahren. Die Nachfrage ist so stark eingebrochen, dass einige der 64 Taxi-Unternehmen im Kreis Unna ihren Fuhrpark teilweise stillgelegt haben. Von den 129 Taxen und 224 Mietwagen, die laut Behördenangaben im Kreis Unna angemeldet sind, stehen etliche auf dem Hof. Dennoch versichert die Branche: Wer ein Taxi braucht, bekommt auch eines.
„Das ist mehr als eine Katastrophe“, kommentiert Dieter Zillmann vom Taxiverband NRW und Taxiverbund Dortmund die Lage. „Borussia, Hotels, Restaurant, Züge: Wo die Fahrgäste sonst scharenweise herausgekommen sind, ist jetzt keiner mehr.“ Die Politik habe den Taxifahrern mit der Soforthilfe von 9000 Euro bzw. 15.000 Euro bei mehr als fünf Angestellten geholfen. „Damit und mit den Abmeldungen von Fahrzeugen kann man sich einen Monat oder zwei über Wasser halten“, meint der Unternehmer.
Nicole Sternberg aus Holzwickede, Bärbel Siefert aus Fröndenberg, Uwe Kretschmer aus Kamen und Klaus-Michael Kovacz aus Bönen fahren Taxi und erzählen, wie sie mit den Herausforderungen der Corona-Krise umgehen.
Wer bei Nicole Steinberg hinten ins Taxi steigt, findet eine Art Carepaket vor. In einer durchsichtigen Tüte befinden sich Mundschutz und Einmalhandschuhe. Wer die Utensilien anzieht, gibt der Taxifahrerin das Gefühl, dass sie vor einer möglichen Ansteckung geschützt ist. Doch auch wenn der Passagier keinen Mundschutz trägt: Zwei Acrylglas-Scheiben, festgeschraubt an den Kopfstützen der Vordersitze, schirmen Steinberg etwas vom Fondpassagier ab.
„Diese Scheiben haben wir auch schon drin“, sagt Taxi-Unternehmer Klaus-Michael Kovacz aus Bönen. Am Dienstag war er dabei, Mundschutz und Einmalhandschuhe in Tüten einzuschweißen, und die mit ihm befreundete Unternehmerin Steinberg unterstützte ihn dabei.
Die durchsichtige Abtrennung ist bei vielen Taxen mittlerweile Standard und kostet laut Verbandsfunktionär Zillmann zwischen 50 und 70 Euro. Doch noch am vorigen Montag war vor der Corona-Teststelle des Kreisgesundheitsamts in Unna ein Unnaer Taxi zu sehen, das noch keine Abschirmung hatte. Der Fahrer holte eine Frau ab, die sich gerade hatte testen lassen. „Ich fahre mit offenem Fenster“, sagte der Fahrer, der keinen Mundschutz trug.
Taxifahrer Uwe Kretschmer: Es bleibt den Fahrern überlassen, ob sie eine Maske tragen wollen. © Stefan Milk
Auch Uwe Kretschmer aus Kamen überlässt es den Fahrern, ob sie einen Mundschutz tragen oder nicht. Acrylglas-Scheiben gibt es in dem Taxi, mit dem er fährt, noch nicht. „Ich habe gehört, dass Taxifahrer keinen Mundschutz vormachen dürfen, weil das Gesicht dann nicht für die Polizei erkennbar ist. Aber warum? Es gibt doch das Kennzeichen und die Fahrberichte, aus denen hervorgeht, wer am Steuer sitzt“, sagt Kretschmer.
Bärbel Siefert hat ihre Taxen außer mit der Trennwand mit Schildern ausgestattet: „Hinten einsteigen.“ Es sei vorgegeben, dass vorne kein Passagier einsteigen dürfe. Das Taxi dürfe hinten nicht voll besetzt werden, es sei denn, eine Ausnahme des geltenden Kontaktverbots greift, wie etwa bei Familien.
Die Schilderungen der vier Taxifahrer ergeben, dass das Geschäft um bis zu 85 Prozent eingebrochen ist. „Wir beobachten einen Einbruch von rund 80 Prozent“, sagt Verbandsfunktionär Zillmann. Was unberührt von der Krise weiterläuft, sind vor allem Fahrten von Patienten zur Dialyse und zur Chemotherapie. Selbst Krankenfahrten fänden kaum noch statt. „Es sind nur noch zwei, drei Mann, die sich zum Doktor oder Einkaufen fahren lassen“, berichtet Siefert. Ihr Kollege Kovacz erzählt, dass Zubringerdienste zum Flughafen Dortmund entfallen.
Zur Entlastung der Taxi-Branche in der Krise müssen Taxen nicht mehr rund um die Uhr Passagiere befördern. Die sogenannte Beförderungspflicht gilt nur noch zwischen 6 und 20 Uhr. Damit wird es wahrscheinlicher, dass spontanen Taxi-Bestellungen außerhalb dieses Zeitraum komplizierter werden. Die Unternehmer haben sich teilweise von Aushilfsfahrern getrennt und Angestellte in Kurzarbeit geschickt und arbeiten mit reduziertem Personal. Es gilt der Rat: bei vorhersehbaren Fahrten vorab reservieren.
Wie viele andere Branchen auch ist das Taxi-Gewerbe durch die Corona-Krise gezwungen, die Digitalisierung voranzutreiben. Immer mehr Fahrer akzeptieren die Zahlung per Karte oder per Paypal. Verbandsfunktionär Zillmann empfiehlt, bei der Taxi-Bestellung vorab zu fragen, ob es diese Zahlungsmöglichkeit gibt.
Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.