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Es klingt paradox: Die Bundes-Notbremse könnte den Buchhandlungen vor Ort Lockerungen bescheren. Die Leiterin der Mayerschen hofft tatsächlich, ab Montag wieder normal öffnen zu dürfen.
Es klingt paradox, wenn die Mayersche Buchhandlung auf die Bundes-Notbremse hofft, deren Vorgaben wohl ab kommender Woche auch in Nordrhein-Westfalen gelten. „Wird das eins zu eins umgesetzt, dann könnten wir wieder ganz normal öffnen“, sagt Meike Westermann, Leiterin der Filiale an der Weststraße in Kamen. Buchhandlungen zählten wieder zum Einzelhandel des täglichen Bedarfs – unabhängig von der Inzidenzlage. Das würde dann auch für den Buchhandel Willi Schulte in Heeren und die Buchhandlung Mobilé in Methler gelten.
Meike Westermann, Leiterin der Mayerschen Buchhandlung in Kamen. Die Bundes-Notbremse könnte dem Innenstadtgeschäft eine Lockerung bescheren. © Stefan Milk
Dass sich diese Möglichkeit eröffne, sei durch das „totale Durcheinander“ der Landesregelungen entstanden, so Westermann. Zurzeit gelten allein in NRW, Bayern und Baden-Württemberg strengere Auflagen für Buchhandlungen, in den anderen Bundesländern öffnen Buchhandlungen wie Supermärkte, Bäckereien, Tankstellen und Gartencenter.
Hintergrund: Die Elektronik-Konzern Mediamarkt hatte in NRW und den beiden anderen Bundesländern erfolgreich gegen die Ungleichbehandlung bei der Auslegung der Coronaschutz-Verordnung im Einzelhandel geklagt.
Nach Herzenslust einkaufen und auch in Spielsachen stöbern. Was vor Corona möglich war, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. © Stefan Milk
Mehr Öffnung also bei zusätzlichem Coronaschutz durch die Bundes-Notbremse?
Das erwartet zumindest die Buchhandlung, die in zentraler Lage in Kamens Fußgängerzone liegt. Bestätigt wird die Erwartung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Es sei ein wichtiges Zeichen, so der Verband, dass Buchhandlungen nun auch per Bundesgesetz zum Einzelhandel „des täglichen Bedarfs“ gerechnet würden und inzidenzunabhängig öffnen dürften. Damit würden die politisch Verantwortlichen die wichtige Rolle unterstreichen, „die der Buchhandel in unserer Gesellschaft innehat“.
Es sei aber nicht sicher, ob das Bundesgesetz auch in den Bundesländern mit schärferen Regelungen gleich umgesetzt würde. Möglicherweise könne sich der Buchhandel nicht überall freuen.
Zurzeit ist der Filialbesuch lediglich mit negativem Schnelltest, nicht älter als 24 Stunden, möglich. Das nutzen auch einige Kunden, so Westermann, aber nicht viele. „Wir dürfen aktuell acht Kunden einlassen, weil wir für jeden durchschnittlich 40 Quadratmeter vorhalten müssen.“ Es sei aber noch nicht vorgekommen, dass man jemanden abweisen musste. „Der Donnerstag hat sich als Tag erwiesen, an dem relativ viele Kunden mit Schnelltest gekommen sind“, berichtet sie.
Die Mayersche Buchhandlung, hier ein Bild vor der Maskenpflicht in der Fußgängerzone, ist einer der wenigen großen Frequenzbringer in der Innenstadt. © Stefan Milk
Falls ab kommender Woche mit der Bundes-Notbremse „gelockert“ wird, könnten wieder 14 Kunden gleichzeitig, für jeden im Durchschnitt 20 Quadratmeter, Einlass finden. Für Westermann ist das ganze Hin und Her auch schwierig zu fassen. Auch bei den Kunden merke man eine gewisse Anspannung. „Sie sind zwar sehr diszipliniert, man merkt aber, dass sie sich nach Normalität sehnen.“ Mancher verschaffe sich im Gespräch auch Luft, „aber das richtet sich nicht gegen uns.“
Die verschärften Öffnungsregeln, so Westermann, haben im Vergleich zu anderen Handelsketten Einbußen beschert, weil die Mayersche auf NRW konzentriert sei und es außerhalb der Landesgrenzen lediglich eine Buchhandlung in Trier gebe.
Teilweise wettgemacht wurden Verluste indes durch die höhere Nachfrage nach Lektüre im Lockdown, in dem viele Tätigkeiten nicht möglich waren und die Kultur von der Bildfläche verschwand. Westermann: „Gefragt sind auch Puzzles und Familienspiele.“
Wer keinen Schnelltest hat, der wird trotzdem bedient, aber lediglich an der Eingangstür. „Wir haben die Tür immer im Blick und es dauert höchstens kurze Zeit, bis wir da sind“, so Westermann.
Ausführliche Beratungen könnten dort nicht durchgeführt werden. „Wer beispielsweise etwas zur Kommunion benötigt, dem können wir aber drei, vier Teile zur Auswahl zeigen.“ Dafür müsste man sich nicht anmelden und auch keinen Schnelltest mitbringen.
Trotz Corona, so Westermann, sei die Stimmung im Verkaufsteam gut. „Wir bauen uns gegenseitig auf.“ Zum Welttag des Buches an diesem Freitag verschenkte die Mayersche das Büchlein „Biber undercover“ an Kinder der 4. und 5. Klassen.
Die Mitarbeiterinnen bauen zudem weiterhin Tische auf mit Lesetipps zu unterschiedlichen Themen auf, als wäre die Buchhandlung weiterhin geöffnet. „Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wenn sich die Situation verändert und wir wieder öffnen dürfen, dann muss der Laden ja schick aussehen“, sagt die Leiterin.
Jahrgang 1968, aufgewachsen in mehreren Heimaten in der Spannbreite zwischen Nettelkamp (290 Einwohner) und Berlin (3,5 Mio. Einwohner). Mit 15 Jahren erste Texte für den Lokalsport, noch vor dem Führerschein-Alter ab 1985 als freier Mitarbeiter radelnd unterwegs für Holzwickede, Fröndenberg und Unna. Ab 1990 Volontariat, dann Redakteur der Mantelredaktion und nebenbei Studium der Journalistik in Dortmund. Seit 2001 in Kamen. Immer im Such- und Erzählmodus für spannende Geschichten.