Nach Unfall auf Friedhof in Kamen Urteil vor Gericht „Habe gejault vor Schmerzen“

Nach Unfall auf dem Friedhof in Südkamen Urteil vor Gericht
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Als der Weg auf dem Südfriedhof in Kamen unter Ingrid Meier (Name geändert) einstürzt und sie auf Höhe der Brust stecken bleibt, erleidet sie zwei Rippenbrüche. „Ich habe gejault vor Schmerzen“, erinnert sich die Seniorin aus Kamen im Gespräch mit der Redaktion an den Vorfall am 7. November 2023. Ein Vorfall, der nun ein Nachspiel vor der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund hatte. Die 69-jährige Seniorin forderte Schmerzensgeld von der Stadt Kamen.

Meier brach sich bei dem Sturz die dritte und die sechste Rippe auf der rechten Seite. Prellungen gab es an der Brust und an den Händen. Ein Jahr danach sind die körperlichen Wunden verheilt, die seelischen nicht.

Auf einem Schild auf dem Friedhof in Südkamen ist zu lesen: "Grabfeld gesperrt".
Das Grabfeld auf dem Friedhof in Südkamen war wegen „Bodenabsenkungen“ zeitweise gesperrt, wie auf diesem Schild zu lesen war. © Marcel Drawe

„Keine absolute Gefahrenfreiheit“

Das Urteil des Landgerichts trägt nicht zur Verbesserung ihres Seelenzustandes bei. Wie erst jetzt bekannt wurde, wurde die Klage der Kamenerin mit Beschluss vom 10. September 2024 abgewiesen. Der Richter der 25. Zivilkammer teilte im Großen und Ganzen die Einschätzung der Stadt Kamen, dass eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorliege. Die Stadt Kamen „beruft sich darauf, dass es eine absolute Gefahrenfreiheit im menschlichen Zusammenleben nicht geben kann“, wie es in dem Beschluss heißt.

Das plötzliche Einbrechen, so die weitere Begründung, sei für die Stadt Kamen genauso wenig vorhersehbar gewesen wie für die Seniorin. Zudem sei auch nicht ersichtlich, wie es der Stadt durch vorherige Kontrolle bzw. Gegenmaßnahmen hätte möglich sein sollen, „das Einbrechen des Weges infolge des darunter befindlichen Hohlraums zu verhindern“.

Sie schulde die Verkehrssicherungspflicht nur im Rahmen des Zumutbaren und des tatsächlich Möglichen. Bürgermeisterin Elke Kappen hat der Seniorin unterdes einen Blumenstrauß überreicht und sich nach dem Genesungszustand erkundigt.

„Man kommt sich ganz klein vor“

Dass Meier keinen Erfolg vor Gericht hatte, lag offenbar auch an der dürftigen Beweislage, wie ihr Juristen später erläuterten. „Mein großer Fehler war, dass ich weder Polizei noch Feuerwehr gerufen habe. Ansonsten wäre es wohl anders gelaufen“, sagt die Seniorin. Ein Passant hatte sie auf einem Urnenfeld in Südkamen aus dem Loch gezogen, in dem sie etwa 20 Minuten lang gefangen war. Der Erstretter hatte sie zwar danach gefragt, ob er einen Notruf absetzen soll. Meier: „Ich sagte aber immer: Nein, ich will nur noch nach Hause. Denn ich kam mir vor, als hätte ich etwas kaputt gemacht.“

Nach dem für sie negativen Urteil fühlt sich die Senioren nun zum zweiten Mal als Opfer. „Überhaupt vor Gericht zu gehen, für mich das erste Mal, das war schon eine Belastung. Man kommt sich dort ganz klein vor, aber mich trifft doch keine Schuld.“

Rentnerin ohne finanziellen Spielraum

Weiter prozessieren will Meier vermutlich nicht. „Ich frage mich: Soll ich weitermachen oder nicht? Eigentlich kann ich mir das finanziell nicht erlauben“, sagt sie. Schon die jetzigen Anwaltskosten müsste sie nach und nach abstottern. Ihren Rechtschutz habe sie gekündigt, als sie Rentnerin wurde und mit wenig Geld auskommen musste. „Für mich ist alles dumm gelaufen.“

Meier versucht nun das Erlebte auch über ein Jahr später zu verarbeiten. „Der Ausgang beschäftigt mich, ja, es kränkt mich.“