Die Nachricht, dass das frühere 3M-Werk in Kamen zur Deutschlandzentrale von Solventum wird, kommt überraschend. Schließlich handelt es sich bei Solventum um einen Konzern, der allein bundesweit 2625 Mitarbeiter hat und dort 900 Millionen US-Dollar (8,3 Millionen Euro) umschlägt. All das wird nach der Abspaltung von 3M im vorigen Jahr nun von Kamen aus von der „Solventum Germany GmbH“ gesteuert, in einem der vier Werke in Deutschland. Die anderen Standorte sind Wuppertal, das oberbayerische Seefeld und Bad Essen bei Osnabrück.
Das Werk an der Edisonstraße in Kamen ist mit 510 Mitarbeitern nach Wuppertal (800 Mitarbeiter) zwar nur das zweitgrößte. „Aber wir sind der umsatzstärkste“, sagt Werksleiter Jörg Karthaus (55), der gleichzeitig auch Geschäftsführer für alle vier Werke ist. Dass die Unternehmenszentrale nach der Abspaltung von 3M nun nach Kamen gelegt wurde, sei für den Standort eine ziemlich gute Nachricht. „Wir haben vor, hier weiterzuwachsen.“ Jüngst vermeldete er neue Investitionen von 13,5 Millionen Euro.

Kamen könnte Manhattan vollständig zupflastern
Deutschland ist eines von sieben Ländern, in denen das US-Unternehmen mit Sitz in St. Paul, Minnesota, Fertigungsstätten betreibt. Um die Produkte zu verteilen, gibt es Niederlassungen in ca. 40 Ländern.
Insgesamt zählt Solventum mehr als 22.000 Mitarbeiter, der Börsenwert liegt aktuell bei ca. 13 Milliarden US-Dollar. Der Umsatz außerhalb der USA liegt bei 55 Prozent. Auswirkungen auf das operative Geschäft habe der Kurswechsel unter der Trump-Regierung bisher nicht, so Karthaus.
Mit Blick auf die USA zieht er allerdings einen Vergleich, mit dem er den Ausstoß in Kamen veranschaulicht: Jährlich verlassen so viele Pflaster das örtliche Werk, dass nicht nur New Yorks prominenter Stadtteil Manhattan damit versorgt werden könnte. „Nein, wir könnten die Insel christomäßig komplett zupflastern“, sagt er mit Anspielung auf den Aktionskünstler und schmunzelt. Manhattan hat allein eine Landfläche von 59,5 Quadratkilometern.

3M zu Solventum: Umbau noch nicht abgeschlossen
Der Umbau von 3M zu Solventum ist allerdings noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Produkte, die das Kamener Werk in alle Welt verlassen, tragen noch das Logo von 3M. Das liegt daran, dass Zertifizierungen für Medizinprodukte sehr aufwendig sind. „Das kann je nach Kontinent zwei bis drei Jahre dauern“, sagt Karthaus. Er geht davon aus, dass Ende 2026, Anfang 2027 die Umstellung abgeschlossen ist. Egal ob Produkt, Verpackung und Beipackzettel – dann soll das grün-geschlängelte „S“, das für Solventum steht, überall aufgedruckt sein.
Mit den Medizinprodukten versorgt Solventum nach eigenen Angaben jährlich allein 1,6 Millionen schwer heilende Wunden. Dazu gibt es weitere Gesundheitsprodukte wie Wärmedecken für Operationen und für die Zahnmedizin. Die Produkte aus Kamen gehen zunächst ins Verteilzentrum Jüchen mit einer Lagerfläche von ca. 72.000 Quadratmetern und 100.000 Palettenstellplätzen. Dann über den Seeweg nach Nord-, Mittel- und Südamerika, Asien, Japan und China.

Beachtliche Ausbaureserve in Kamen vorhanden
Künftig könnten es noch mehr werden. Denn das Werk in Kamen hat noch eine beachtliche Ausbaureserve in der Hinterhand. Auf dem 167.000 Quadratmeter bzw. 16,7 Hektar großen Betriebsgelände an der A1, Stadtgrenze zu Unna, liegen noch 55.000 Quadratmeter brach.
Weil davon nicht alles baulich genutzt werden kann, wie eine Fläche unter Hochspannungsmasten, stehen für den weiteren Werksausbau etwa 15.000 bis 20.000 Quadratmeter zur Verfügung, wie der technische Leiter Jörn Stute sagt. „Doch auch das ist beachtlich.“ Man sei im weltweiten Konzernverband immer im Gespräch, um sich um weitere Produktion zu bewerben.
Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt
Die Produkte des Kamener Werks sind nicht in Drogeriemärkten und Apotheken zu finden, sondern mehr in Krankenhäusern und Arztpraxen. Hauptprodukt ist das Wundpflaster Tegaderm, das 50 Prozent des Fertigungsvolumens ausmacht. „Danach kommen unterschiedliche Hospital-Tapes, Pflaster in verschiedenen Varianten“, so Karthaus.
Diese seien sehr speziell und aufwendig zu fertigen, weil damit Intubationen bei Operationen im Krankenhaus verklebt würden. „Nicht nur die Hautverträglichkeit der Pflaster ist wichtig – beachtet werden müssen auch die Klimabedingungen in den unterschiedlichen Ländern.“
Solventum beliefert nicht nur Länder in aller Welt, sondern hat auch eine internationale Belegschaft. Allein in Kamen arbeiten Kräfte aus 21 Nationen. Mit Blick auf den Rechtsruck, nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland nach der Bundestagswahl, betont Karthaus. „Hier arbeiten Menschen aus vielen Kulturen jeden Tag vertrauensvoll zusammen. Wir schätzen die Unterschiede.“
Ein Video über Solventum ist unter www.hellwegeranzeiger.de zu sehen.