
© Stefan Milk
Geheime Strecke für Radfahrer: Alte Kettler-Bahnlinie führt zum RS1
Entdeckung am RS1
Dort, wo früher alte Loks von Kettler schnauften, pusten bald die Radfahrer. Eine alte Bahntrasse soll zum Radweg umgebaut werden. Die geheimnisvolle Strecke liegt auf verrotteten Bahnschwellen.
Die alte Bahntrasse liegt verborgen hinter dichtem Blätterwerk. Nur wer eine rutschige Anhöhe heraufkraxelt und sich durch ein Geflecht aus Dornen und zurück peitschenden Ästen schlägt, entdeckt die verwitterten Holzbohlen, auf denen zwei Schienenstränge schwer lasten. Dass hier eine Bahnstrecke liegt, die mitten durch die Stadt führt, ist kaum bekannt. Ein verwunschener Ort mit Mystery-Note.
Das wird nicht so bleiben. Die geheimnisvolle Bahntrasse, etwa 1100 Meter lang, soll zum Radweg mit RS1-Anschluss umgebaut werden.

Schienen auf der Brücke, die über die Heerener Straße führt. Von der Straße aus sind sie nicht zu sehen. © Stefan Milk
Wo Kettler-Produkte durch Kamen kutschiert wurden
Auf der einstmals pulsierenden Verkehrsader kutschierte einst der Freizeitartikelhersteller Kettler, weltbekannt durchs Kettcar, seine Produkte zum Bahnhof Kamen, um sie von dort aus in alle Welt zu transportieren. Ein Industriestandort mit Bahnanschluss, der aber schon Jahrzehnte vor dem Aus des Unternehmens stillgelegt wurde – und nach und nach verwilderte, bevor er in Vergessenheit geriet. Wer auf der Heerener Straße unter der Brücke herfährt, die Kamens großes Gewerbegebiet mit der Innenstadt verbindet, ahnt nicht, dass dort einmal Züge rollten.
Züge werden hier nicht mehr rollen, allenfalls Radfahrer
Bald rollen dort vielleicht Radfahrer, die die Strecke als Verbindung zwischen dem Bahnhof und dem geplanten RS1 nutzen könnten. Jetzt ist davon noch nichts zu spüren. Die Bahnschwellen haben tiefe Risse, das Holz ist verfault und fehlt teilweise ganz.
Kein Wunder, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato, die auf dem alten Kettler-Gelände riesige Hallen für die Logistik baute, kein Interesse an der Nutzung hat. Sie will die alte Bahnstrecke der Stadt zur Verfügung stellen, damit Kamens Zentrum Anschluss an die wichtige Radfahr-Route durchs Ruhrgebiet findet. Wenn hier also noch etwas rollt, dann werden es Radfahrer sein.

Eine Bahnstrecke, die ins grüne Nichts führt. Die alte Linie soll für Radfahrer ertüchtigt werden. © Stefan Milk
Üble Müllkippe auf der Brücke
Es gibt viel zu tun, bis es soweit ist. Obwohl die Bahntrasse mit 1100 Metern recht kurz ist – ihr Zustand ist erbärmlich. Aus dem Schotterbett wachsen Bäume in der Größe von Laternenstangen. Dichtes Gebüsch verhindert das Weiterkommen. Eigentlich soll hier ja niemand unterwegs sein. Es gibt aber deutliche Spuren, dass dem nicht so ist.
Hier wird illegal Grünschnitt entsorgt, wie Berge von verfaulten Pflanzen zeigen. Es gibt wilde Müllkippen – eine ganz üble direkt auf der Brücke, die über die Heerener Straße führt und deren Zustand laut Stadtverwaltung noch überprüft werden muss, damit sie nicht in eine Kostenfalle tappt.
Jetzt liegen dort pampige Farbeimer einer Billigmarke, verweste Silikonampullen, kaputte Malerpinsel und ein ausgemusterter Bierkrug. Ein Bautrupp hat sich hier den Weg zum Wertstoffhof gespart. Umweltfrevel.
Mit dem E-Bike aus Kamen ins Ruhrgebiet – und umgekehrt
Das Gegenteil soll sich hier einmal abspielen, wenn die Strecke zum umweltfreundlichen Radeln einlädt – und von Kamens City direkt auf den RS1 führt; in Höhe der Autobahnmeisterei auf den jetzigen Klöcknerbahnweg. Fahrten mit flotten E-Bikes und Pedelecs zur Arbeit nach Dortmund, Bochum und Essen könnten dann Normalität werden. Und vielleicht fährt ja auch jemand von dort zur Arbeit nach Kamen.
Noch ist das Vision. Der RS1 als Dauerprojekt wird wohl in Kamen vor 2025 nicht gebaut. Solange bleibt hier nur der Traum vom schnellen Radfahren in den Pott. Die Bäume auf Bahnschwellen, sie können weiter wachsen.
Jahrgang 1968, aufgewachsen in mehreren Heimaten in der Spannbreite zwischen Nettelkamp (290 Einwohner) und Berlin (3,5 Mio. Einwohner). Mit 15 Jahren erste Texte für den Lokalsport, noch vor dem Führerschein-Alter ab 1985 als freier Mitarbeiter radelnd unterwegs für Holzwickede, Fröndenberg und Unna. Ab 1990 Volontariat, dann Redakteur der Mantelredaktion und nebenbei Studium der Journalistik in Dortmund. Seit 2001 in Kamen. Immer im Such- und Erzählmodus für spannende Geschichten.
